- Carbonāri
Carbonāri (»Köhler«), Name einer geheimen politischen Gesellschaft in Italien, die in der Zeit der französischen Herrschaft über Neapel entstand und mit dem Freimaurerbund zusammenhing, von dem sie manche Formen ihrer Organisation entlehnte. Ihr Ritual war vom Kohlenbrennen hergenommen. Reinigung des Waldes von Wölfen, d. h. Kampf gegen Tyrannei, war die Grundlage ihrer Symbole. Untereinander nannten sich die Mitglieder »gute Vettern«. Der Versammlungsort hieß »Hütte« (baracca), die äußere Umgebung »Wald«, das Innere der Hütte »Kohlenverkauf« (vendita), der Verein sämtlicher Hütten einer Provinz eine »Republik«. Ihr Ziel war die Begründung nationaler Unabhängigkeit und freisinniger Staatsformen. In Neapel zählten sie viele Tausende von Mitgliedern und spielten bei der Revolution von 1820 eine Rolle. Seit der Restauration der Bourbonen hatten sich auch in Frankreich zahlreiche geheime Gesellschaften gebildet, die sich mit den C. verbrüderten. Als nach der Niederlage der Revolution in Italien sämtliche Regierungen die Teilnahme an der Verbindung der C. als Hochverrat verpönten, wurde Paris der Mittelpunkt der Charbonnerie, die nun einen vorherrschend französischen Charakter annahm. Eine Venta zählte höchstens 20 »bons cousins«, wie sich auch in Frankreich die Eingeweihten nannten, im Gegensatze zu den Nichtcarbonari, den »pagani«. Die Abgeordneten von 20 Venten bildeten eine Zentralventa, die durch einen Deputierten mit der hohen Venta ihrer Provinz oder ihres Departements in Verbindung stand. Eine höchste Venta zu Paris ließ durch Boten den hohen Ven len ihre Befehle zukommen. Die Verbindung zwischen den einzelnen Vereinen wurde nur durch mündlichen Verkehr unterhalten; in der Regel kannte jeder Carbonaro nur die Mitglieder seiner Venta. Der Bruch des Geheimnisses sollte mit dem Tode bestraft werden. Seit ihrer Verpflanzung nach Frankreich bis zum Ende des französisch-spanischen Krieges war die Charbonnerie sehr tätig und hatte auch unter dem Militär Verbindungen. Nach dem Siege der Restauration in Spanien beschränkte sich die Verbindung auf eine revolutionäre Bearbeitung des Geistes der Nation; nach der Julirevolution schlossen sich viele einflußreiche Mitglieder der neuen Regierung an, und die frühere Verbindung löste sich auf. Dagegen bildete sich unter den Republikanern eine neue Charbonnerie démocratique, die ihre Formen aus der alten Carbonaria entlehnte. Die Grundsätze dieser neuen Charbonnerie, von Teste in dem »Projet d'une constitution républicaine« entwickelt, sind Babeufs Ideen von einer absoluten Gleichheit, die Teste jedoch nur so weit verfolgte, als er an die Möglichkeit ihrer baldigen Verwirklichung glaubte. An der Spitze der Verbindung stand Buonarroti (s.d. 2), ein früherer Mitverschworner Babeufs; nächst ihm waren Teste und d'Argenson Leiter. Das Streben dieser Männer, alles von Paris abhängig zu machen, trug dazu bei, daß sich italienische Flüchtlinge, Mazzini u. a., von der Gesellschaft lossagten, um das junge Italien (s. Junges Europa) zu gründen. Noch 1841 wurde in Südfrankreich eine als reformierte Carbonaria bezeichnete Verbindung entdeckt. Vgl. »Denkschriften über die geheimen Gesellschaften im mittäglichen Italien und insbes. über die C.« (von S. Bartholdy, Stuttg. 1822); Greco, Il tentativo dei Carbonari di Calabria citeriore nel 1813 (Cosenza 1866).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.