Zündhölzchen

Zündhölzchen

Zündhölzchen (Reibzündhölzchen, Schwefel-, Streichhölzchen), Stäbchen aus Holz, die mit dem einen Ende in geschmolzenen Schwefel, Paraffin oder Stearinsäure und dann in eine Zündmasse getaucht wurden und sich nach dem Trocknen der letztern beim Reiben auf jeder rauhen Fläche oder auf einer Zündfläche von bestimmter chemischer Zusammensetzung entzünden. Man benutzt zu Z. meist Espen-, Pappel-, Linden-, Weidenholz, zerschneidet die entrindeten Stämme in Klötze von 40–60 cm Länge, kocht diese, wenn das Holz nicht ganz frisch ist, in Wasser, um ihm die Sprödigkeit zu nehmen, und bringt sie auf die Schälmaschine, die durch ein gegen das rotierende Holz vorrückendes Messer ein langes Band von der Breite des Klotzes und der Dicke des spätern Zündholzes erzeugt. Die Spanbänder werden in Lagen von 50–80 Stück auf der Abschlagmaschine durch auf und nieder gehende Messer in Hölzchen zerschnitten (2,5 Mill. in der Stunde), die nun getrocknet, auf der Poliermaschine in einer rotierenden Trommel von Unebenheiten und in der Putzmaschine auf rüttelnden Sieben von Staub, Splittern etc. befreit werden. Für manche Sorten von Z. wird aus Fichten-, Tannen-, Kiefernholz runder oder ovaler Holzdraht auf Hobelmaschinen hergestellt, deren Eisen Löcher mit zugeschärften Rändern enthält. Die fertigen, wirr durcheinander liegenden Hölzchen werden auf der Gleichlegemaschine in parallele Reihen gelegt und auf der Einlegemaschine, jedes von dem andern durch gleichen Abstand getrennt, in Rahmen aus Holzblättchen gespannt. Der Rahmen faßt über 2000 Hölzchen, die nach dem Erwärmen auf einer geheizten Platte gleichzeitig in eine flache Pfanne mit geschmolzenem Schwefel oder Paraffin, dann in eine noch flachere Schicht dickflüssiger Zündmasse getaucht werden. Auch hierzu sind besondere Maschinen konstruiert worden, ebenso zur Herausnahme der getrockneten fertigen Z. aus dem Rahmen und zum Einfüllen derselben in die Schachteln, die auf besondern Maschinen hergestellt werden. Die Zündholzmaschine Automat von Roller in Berlin führt in ununterbrochenem Arbeitsgang das Einlegen des Holzdrahts und alle andern Operationen, auch das Abfüllen in Schachteln, selbsttätig aus, ohne daß die Hand des Arbeiters einzugreifen braucht, und liefert an einem Tage etwa 3,25 Mill. Z. in 50,000 Schachteln verpackt.

Auf 1 Mill. Hölzchen rechnet man etwa 8 kg Schwefel oder 3–3,5 kg Stearinsäure oder Paraffin. Die Zündmasse besteht aus einem Bindemittel (Dextrin, Senegalgummi, Leim), das zu einem dünnen Sirup gelöst, mit dem Phosphor bei etwa 50° innig verrieben und nach dem Erkalten mit den übrigen Bestandteilen gemischt wird. Der Phosphorgehalt der Zündmasse übersteigt bisweilen 17 Proz., doch genügen 5–7 Proz. vollständig. 1 Mill. deutscher Z. verbraucht etwa 500 g Phosphor. Alle phosphorärmern Mischungen enthalten sauerstoffabgebende Körper, wie Bleisuperoxyd mit Salpeter oder salpetersaurem Blei, auch Mennige, bleisauren Kalk, Mangansuperoxyd und als Verdickungsmittel, welche die Reibung beim Streichen erhöhen sollen, Kreide, Zinkoxyd, Eisenoxyd, Bimsstein, Glas, Sand, Infusorienerde etc. An Stelle des gefährlichen Phosphors wird auch das relativ ungefährliche Phosphorsesquisulfid oder Sulsophosphit angewandt. Die »geruchlosen« Z. (Iris-, Salonhölzchen) werden nach dem Trocknen mit gefärbten Harzlösungen überzogen; auch taucht man sie in verdünnte Bleizuckerlösung und setzt sie dann der Einwirkung von Schwefelwasserstoff aus, um einen metallisch glänzenden Überzug von Schwefelblei zu erzielen. Einen großen Fortschritt in der Zündhölzchenindustrie bezeichnet die Vermeidung des giftigen weißen Phosphors. Durch Gesetz vom 10. Mai 1903 ist die Verwendung von weißem Phosphor zur Herstellung von Phosphorzündwaren in Deutschland und durch ein internationales Abkommen vom 26. Sept. 1906 auch in Dänemark, Frankreich, Italien, Luxemburg, den Niederlanden und der Schweiz verboten. Die schwedischen Z. werden nicht mit Schwefel überzogen, sondern mit Paraffin getränkt. Die Zündmasse der Köpfchen besteht etwa aus einem sehr innigen Gemisch von 50 Proz. chlorsaurem Kali, 5 Proz. chromsaurem Kali, 5 Proz. Schwefel, 10–15 Proz. Leim oder Gummi und enthält auch Glaspulver, Kreide und zum Färben Eisenoxyd oder Rhodamin. Die Zündfläche besteht aus Schwefelantimon, rotem Phosphor und Leim. Phosphorfreie Z., die sich auf jeder Reibfläche entzünden, haben noch keine große Verbreitung gefunden; als Zündmassen für solche Z. wurden vorgeschlagen: 8 Teile chlorsaures Kali, 8 Teile Schwefelantimon, 8 Teile oxydierte Mennige, 1 Teil Gummi; oder 7,8 Teile chlorsaures Kali, 2,6 Teile unterschwefligsaures Blei, 1 Teil Gummi; oder 4 Teile chlorsaures Kali, 1 Teil Schwefel, 0,4 Teil rotes chromsaures Kali; oder 3 Teile chlorsaures Kali, 0,25 Teil Goldschwefel; oder 8 Teile chlorsaures Kali, 0,5 Teil rotes chromsaures Kali, 8 Teile Schwefelantimon, 3 Teile salpetersaures Blei; hierher gehören auch die Vulkanhölzer. Die Reibzündkerzchen haben statt des Holzdrahtes einen dünnen Wachsstock.

Hygienisches. Bei der Herstellung der Z. mit weißem Phosphor wurden die Arbeiter durch die Phosphordämpfe arg geschädigt. Das Reichsgesetz vom 13. Mai 1884 und die Bekanntmachung vom 8. Juli 1893 schrieben weitgehende Vorsichtsmaßregeln vor, und die Industrie bekämpfte die Schädlichkeit der Phosphordämpfe durch Entwickelung von Terpentinöldämpfen. Seit dem Verbot der Verwendung von weißem Phosphor ist die Herstellung von Z. mit eigenartigen Gefahren kaum verbunden.

Phosphorfeuerzeuge werden zuerst 1805 in Paris erwähnt, Derosne wandte 1816 Phosphormasse für Zündhölzer an, und Jones lieferte 1832 Reibzündhölzchen (Congrevesche Streichhölzer) mit einer Kuppe aus Schwefel und einem Überzug aus Schwefelantimon und chlorsaurem Kali, die zwischen zwei Sandpapierstreifen hindurchgezogen wurden. Um diese Zeit aber tauchten in Österreich und Deutschland Phosphorstreichhölzer von so großer Vollkommenheit auf, daß sie alle andern Feuerzeuge schnell verdrängten. Romer in Wien (1832) und Moldenhauer in Darmstadt waren die ersten Förderer der Reibzündhölzchenindustrie in Österreich und Deutschland; manche Fabrikate erschienen aber anfangs so gefährlich, daß sie in vielen Staaten verboten wurden. Erst nachdem Trevany 1835 das bis dahin angewandte chlorsaure Kali teilweise durch eine Mischung von Mennige und Braunstein, Preshel 1837 vollständig durch Bleisuperoxyd und 1840 durch die eingetrocknete Mischung von Mennige und Salpetersäure verdrängt hatte, begann der große Aufschwung der Zündwarenindustrie. 1848 zeigte Böttger die Verwendbarkeit des roten Phosphors zu Reibflächen für phosphorfreie Z. Eine in Schuttenhofen gegründete Fabrik für Darstellung derartiger Sicherheitshölzer mußte aber eingehen, weil das Publikum die Anwendung einer bestimmten Reibfläche zu unbequem fand. Erst als zehn Jahre später die Böttgerschen Hölzchen aus Schweden, wo sie Lundström in Jönköping fabrizierte, zu uns kamen, wurden sie bereitwillig angenommen und schnell zur Modesache. Die Fabrik zu Jönköping in Schweden liefert täglich etwa 50 Mill. Z. In Deutschland werden jährlich etwa 20 Milliarden Z. hergestellt. Die Einfuhr betrug 1905: 996, die Ausfuhr 15,602 dz. Auch Österreich, Rußland, Italien und Schweden haben bedeutende Zündhölzchenindustrie. Japan versorgt ganz Ostasien mit Z. Der Verbrauch auf der ganzen Erde wird auf täglich 2 Milliarden Stück, der tägliche Verbrauch pro Kopf in Deutschland auf 12, Belgien 9, England 8, Frankreich 6 Stück geschätzt. Vgl. Freitag, Die Zündwarenfabrikation (3. Aufl., Wien 1907); Jettel, Die Zündwarenfabrikation nach dem heutigen Standpunkt (das. 1897); »Gesundheitsgefährliche Industrien. Berichte über ihre Gefahren und deren Verhütung« (hrsg. von S. Bauer, Jena 1903).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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