Beaumarchais

Beaumarchais

Beaumarchais (spr. bōmarschä), Pierre Augustin Caron de, franz. Schriftsteller, geb. 24. Jan. 1732 in Paris, gest. daselbst 18. Mai 1799, war der Sohn eines Uhrmachers Caron aus protestantischer Familie, dessen Kunst er nicht ohne Talent bis zuseinem 21. Jahr ausübte. Durch sein anziehendes Äußere und gewandtes Benehmen, seinen Humor und Sinn für Poesie und Musik (er spielte vorzüglich Harfe) gewann er die Gunst der Frauen; durch seine Heirat mit der Witwe eines niedern Hofbeamten (1756, sie starb schon im folgenden Jahre) wurde er bei Hofe bekannt und den Töchtern Ludwigs XV. als Lehrer des Harfenspiels empfohlen, eine Stellung, in der er sich vier Jahre zu halten wußte. Durch geschickte Benutzung seines Einflusses erwies er dem Bankier Pâris-Duverney einen Dienst, den dieser so hoch schätzte, daß er B. in die Finanzgeschäfte einweihte und ihm eine große Summe vorstreckte, mit der B. sich den Adelstitel und einflußreiche Hofämter kaufte und ein beträchtliches Vermögen erwarb. 1764 reiste er nach Spanien, um die Ehre seiner Schwester zu schützen, der ein höherer spanischer Beamter, Clavijo, die Ehe versprochen hatte; es gelang ihm, die Entsetzung und Verbannung des Wortbrüchigen zu erwirken. Hierüber schrieb er sein erstes Stück: »Eugénie« (1767), ein bürgerliches Rührstück in Diderots Manier, das (sowie die Erzählung der spanischen Reise im 4. Memoire) Goethe für seinen »Clavigo« benutzte. Auch seine zweite Frau verlor er nach kurzer Ehe (1770), und im selben Jahre starb sein Gönner Duverney und hinterließ die Notiz, daß er an B. 15,000 Livres schulde. Diese Summe wollte der Erbe, der Graf de la Blache, nicht bezahlen; es kam zu einem Prozeß, den B. in erster Instanz gewann. Nun wurde an das Parlament appelliert. Inzwischen mußte B. wegen eines Streites mit dem Herzog von Chaulnes ins Gefängnis wandern. Das benutzten seine Gegner; durch Verleumdungen, falsche Briefe etc. wurde das Parlament so gegen B. eingenommen, daß er abgewiesen wurde. In dieser verzweifelten Lage bewährten sich seine Energie und sein geschmeidiges Wesen. Er hatte, um beim Berichterstatter seines Prozesses, dem Rat Goëzman, Zutritt zu erhalten, der Frau desselben 100 Louisdor, eine Uhr mit Brillanten und 15 Louisdor für den Schreiber überreicht. Als der Prozeß verloren war, gab die Dame alles zurück, nur nicht die 15 Louisdor. Darüber Lärm und Klage von B.' Seite und von Goëzman hochmütige Antwort und neue Verdächtigungen. Nun veröffentlichte B. seine »Mémoires du sieur B. par lui-meine«, vier Abhandlungen (1774 bis 1778; neue Ausg. von Sainte-Beuve, 1873), in denen er mit glänzender Beredsamkeit, seinem Humor und köstlicher Ironie die Schäden der damaligen Rechtspflege aufdeckt und sich zum Rächer der gedrückten Menschheit und zum Vorkämpfer des rechtlosen dritten Standes aufwirft. Seine Feinde mochten ihn immerhin verleumden, das Parlament ihn wiederum verurteilen: vor dem Publikum hatte er seine Sache gewonnen. Eine der ersten Regierungshandlungen Ludwigs XVI. war, das verhaßte Parlament Maupeou aufzulösen und das Urteil gegen B. kassieren zu lassen. Seine Popularität wuchs aber ins Ungeheure durch die Ausführung seiner beiden Lustspiele: »Le barbier de Séville. ou la précaution inutile« und dessen Fortsetzung »La folle journée, ou le mariage de Figaro«, zu denen noch das spätere, aber weit schwächere Stück: »La mère coupable« (1791) gehört. 1772 am Théâtre-Français angenommen, während des Prozesses zurückgestellt, wurde der »Barbier« erst im Februar 1775 ausgeführt, zuerst wegen seiner Länge (5 Akte) ohne den erwarteten Erfolg, dann, als B. ihm das »fünfte Rad« genommen, mit ungeheuerm Beifall. Mehr Geschicklichkeit, als »Le mariage de Figaro« zu schreiben, gehörte fast dazu, es zur Ausführung zu bringen. Den König und alle einflußreichen Hofämter hatte er gegen sich; 7 Jahre lang waren alle Anstrengungen vergeblich trotz der Unterstützung der Königin und des Grafen von Artois. Endlich gelang es, die Zustimmung des Königs zu einer Privatvorstellung auf dem Gute des Grafen von Vaudreuil zu erhalten und bald darauf zu der in Paris 27. April 1784. Ungeheuer war der Andrang. »Figaro«, urteilte Napoleon, war die Revolution schon in Aktion. Mit diesem Stück hatte B. den Gipfel seines Ruhms erreicht. Eine zu scharfe Replik auf einen anonymen Artikel hohen Ursprungs trug ihm Gefängnisstrafe ein; die Herausgabe von Voltaires Werken (Kehl 1785–89) hatte viel Geld verschlungen; am meisten aber schadete ihm die Gegnerschaft Mirabeaus. Auch sein Talent ging auf die Neige. Man erzählte aus seinem häuslichen Leben allerlei wahre oder falsche Züge, die nur darauf ausgingen, Skandal und Spott zu erregen. Beim Ausbruch der Revolution, die er zum guten Teil vorbereitet hatte, erschrak er über die Zügellosigkeit der Geister. Er hatte sich fortwährend gegen hämische Anklagen beim Konvent zu verteidigen und tat es, indem er seine Verdienste möglichst hervorhob. 1792 zog ihm ein Flintenankauf, den er für Rechnung der Regierung in Holland ausführte, viele Verdrießlichkeiten und Gefahren zu. Er wurde gefangen genommen und entfloh nach London, kehrte aber bald zurück, um sich mit den langweiligen »Mémoires, ou mes six époques« (1793) zu rechtfertigen. Dann mußte er wieder fliehen, diesmal nach Hamburg, wo er in der äußersten Not lebte. 1796 kehrte er, fast ganz taub, nach Paris zurück und starb daselbst am Schlagfluß. Man sagte auch, er habe sich vergiftet. Sein »Théâtre« erschien in neuer Ausgabe von Saint-Marc Girardin (1861) und von d'Heylli und de Marescot (1869–75, 4 Bde.), mit Anmerkungen; seine »Œuvres complètes« gaben Moland (1874) und Fournier (1875) heraus. Vgl. Loménie, B. et son temps (4. Aufl., Par. 1880, 2 Bde.); Huot, B.en Allemagne (das. 1869); de Lescure, Étude sur B. (das. 1886); Bettelheim, B., eine Biographie (Frankf. 1886); Bonnefon, B., étude (Par. 1887); Gudin de la Brenellerie (1738–1812), Histoire de B. (hrsg. von M. Tourneux, das. 1888); Lintilhac, B. et ses œuvres (das. 1890); Hallays, B. (das. 1897).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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