Rettungswesen

Rettungswesen

Rettungswesen (in Städten), Veranstaltungen, die bei Unfällen und plötzlichen Erkrankungen auf Straßen, in öffentlichen Lokalen, auf Eisenbahnen etc. rasche, zuverlässige Hilfe und sofortige Meldung des Unfalls an die mit allen Hilfsmitteln der medizinischen Technik ausgerüsteten Rettungsstationen (Unfallstationen, Sanitätswachen etc.) behufs Beschaffung rascher ärztlicher Hilfe, namentlich aber eines schonenden und zweckmäßigen Transports ermöglichen. Die ersten Rettungsgesellschaften widmeten sich den Ertrunkenen, so die Maatschappij tot redding van drenkelingen 1767 in Amsterdam, die Gesellschaft in Paris, die seit 1772 an den Ufern der Seine Postes de secours errichtete, die Royal Human Society seit 1774 in London u. a. In Hamburg wurde 1768 eine ähnliche Gesellschaft gegründet, nach deren Vorbild Rettungsgesellschaften in Danzig, Hannover, Leipzig, Stralsund entstanden. Der Brand des Wiener Ringtheaters 1881 mit seinem gewaltigen Verlust an Menschenleben legte die Unzulänglichkeit der Vorrichtungen bei Massenunglücksfällen in Großstädten dar, so daß es dem Wiener Arzt Baron Mundy gelang, in Wien 1882 eine Rettungsgesellschaft zu organisieren, die für ähnliche Einrichtungen in Österreich und Deutschland vorbildlich wurde. Gleichzeitig erfolgte durch Esmarch in Kiel eine rasche Verbreitung des Samariterwesens in Deutschland, das namentlich die Ausbildung von Nichtärzten in der Darbietung erster Hilfe bei Verletzungen zum Ziele hatte. So segensreich das Samariterwesen und die Ausbildung freiwilliger Sanitätskolonnen sich auch für Einzelunglücksfälle erwies, so lehrte doch bald die Erfahrung, daß fast noch wichtiger als die erste Hilfe der erste Transport ist, und daß dieser bei allen schwerern Verletzungen in besonders dazu hergerichteten Wagen mit Schwebevorrichtungen, horizontaler Lagerung etc. erfolgen muß. Damit diese Transportwagen rasch zur Stelle sind, müssen Pferde und Begleitmannschaften (mit Ausrüstung für Belebung, Stärkung und Verband der Verletzten) Tag wie Nacht augenblicklich bereit sein, auf Meldung abzufahren oder bei Bränden etc. die Feuerwehr zu begleiten.

Außer Bergung und Transport von Verletzten haben einige Rettungsgesellschaften auch Vorrichtungen zur Verhütung von Unglücksfällen, insbes. in Städten, die an großen Flüssen liegen, getroffen (Rettungskähne, Rettungsbälle etc.), einzelne auch zur Verhütung der Verbreitung ansteckender Krankheiten durch Beschaffung leicht zu desinfizierender Krankenwagen und eines geschulten Personals. Da indessen mehrere dieser Zweige bereits von seiten mancher Gemeindeverwaltungen vorgesehen waren, so haben sich die auf freiwilliger Beteiligung Privater beruhenden Rettungsgesellschaften je nach dem lokalen Bedürfnis mehr auf den Transport oder mehr auf die Beschaffung sachgemäßer Hilfe eingerichtet. Dementsprechend sind die Vorrichtungen in den einzelnen Städten sehr verschieden und werden auch in verschiedener Weise gehandhabt. Waren die Rettungsgesellschaften ursprünglich auf die freiwilligen Beiträge ihrer Mitglieder angewiesen, so führte doch die Einsicht von der Unentbehrlichkeit der betreffenden Einrichtungen immer mehr eine Unterstützung durch die städtischen Behörden herbei, und es scheint, als ob sich in dieser Weise ein allmählicher Übergang des Rettungswesens in städtische Verwaltung vorbereite. In Berlin bestanden bis 1894 nur die in ihrer Tätigkeit auf die Nacht sich beschränkenden Sanitätswachen. Infolge der sozialpolitischen Gesetzgebung richteten mehrere Berufsgenossenschaften, besonders die Brauerei- und Mälzereiberufsgenossenschaft auf Anregung und unter Leitung von Max Schlesinger, Unfallstationen ein, um dem verletzten Arbeiter auf Kosten der Berufsgenossenschaft möglichst schnelle und gute Hilfe zu gewähren. Sie leisten aber auch jedem Bewohner Berlins bei Unfällen und plötzlichen Erkrankungen erste Hilfe und treten überall, wo größere Menschenansammlungen zu erwarten sind, nach vorher mit den Behörden getroffenen Vereinbarungen in Tätigkeit. 1897 entstand die Berliner Rettungsgesellschaft, die unter Leitung von Bergmann Rettungswachen einrichtete und eine feste Verbindung der Hospitäler untereinander und mit einer Zentralstelle für den Nachweis von freien Betten schuf. In der Folge vereinigten sich die drei Gesellschaften der Unfallstationen, der Rettungsgesellschaft und der Sanitätswachen zu dem Verband für erste Hilfe, und die Stadt richtete eine Zentrale ein, die Auskunft gibt über die freien Plätze in den Krankenhäusern. Der Verband für erste Hilfe schuf eine Abteilung für Krankentransport, deren Einrichtungen allen Anforderungen, namentlich in bezug auf Desinfektion, entsprechen. In manchen Städten hat man das R. vorteilhaft an die Feuerwehren angeschlossen.

Für R. im Gebirge wurde 1898 in Innsbruck eine alpine Rettungsgesellschaft gegründet, die später in den deutsch-österreichischen Alpenverein ausging.

Zur Hilfeleistung bei Eisenbahnunfällen sind Hilfszüge und Hilfsgerätewagen eingerichtet, die auf bestimmten, im Dienstfahrplan bezeichneten Stationen aufgestellt und jederzeit in Bereitschaft zu halten sind. Hilfszüge, bestehend aus einem Arztwagen und einem Gerätewagen, werden zu Unfällen herangezogen, bei denen Personen getötet oder erheblich verletzt sind. Gerätewagen allein werden bei Unfällen verwendet, bei denen lediglich Materialschäden in Frage kommen. Die Station, auf der sich ein Unfall ereignet hat oder bei der ein Unfall auf freier Strecke gemeldet wird, fordert telegraphisch den nächsten Hilfszug oder Hilfsgerätewagen an, deren Ablassung nach Alarmierung des dazu ständig vorgesehenen Personals und Herbeirufung der Ärzte (mittels Fernsprechers oder besonderer Boten) unverzüglich zu veranlassen ist. Wenn Samaritervereine zur Verfügung stehen, sind auch diese herbeizurufen; ebenso ist die Postanstalt am Orte zur etwa nötigen Unterstützung der Bahnpost zu benachrichtigen. Der Hilfszug soll bei Tage spätestens 30, bei Nacht spätestens 45 Minuten nach Eintreffen der ersten Unfallmeldung abgelassen werden. – R. auf Binnengewässern wird von Behörden, wohltätigen oder Sportvereinen eingerichtet und steht in großen Städten unter Aussicht der Polizei; Rettungsmittel sind Kähne, an günstigen Plätzen gebrauchsfertig und leicht lösbar befestigt, ferner Rettungsstangen mit Haken, Rettungsleinen mit Korkschwimmern oder Holzkreuzen zum Zuwerfen und ähnliche. Außerdem werden Rettungstafeln mit Anweisung zur Wiederbelebung Ertrunkener an öffentlichen Stellen am Wasser ausgehängt. Vgl. Liebe, Jacobsohn und G. Meyer, Handbuch der Krankenversorgung und Krankenpflege (Berl. 1898–1903, 2 Bde.) und Das Rettungs- und Krankenbeförderungswesen im Deutschen Reich (Jena 1906); G. Meyer, Zur Organisation des Rettungswesens (das. 1901); Henius, Samariter- und Rettungswesen (das. 1905); »Die soziale Bedeutung des Rettungswesens« (hrsg. von Alexander und G. Meyer, Berl. 1906) und die Literatur beim Artikel »Unfall«.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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