Reliefkarten

Reliefkarten

Reliefkarten (besser Reliefs), plastische Nachbildungen von Teilen der Erdoberfläche, meist als Hilfsmittel beim Unterricht in der Erdkunde benutzt und nach der Anschauung in der Natur unstreitig das wichtigste Lehrmittel für ihn. (Mißbräuchlich nennt man auch reliefartig gezeichnete Landkarten R.) Die Kunst der Herstellung von R. heißt Geoplastik. Der Geoplastiker benutzt zur Modellierung der Reliefs jetzt ausschließlich Höhenschichtenkarten (s. Landkarten, S. 112). Um die Höhen deutlicher hervortreten zu lassen, müssen sie gegen den Längenmaßstab in einem entsprechend größern Maßstab angelegt werden (Überhöhung). Bei der Darstellung einer reich gegliederten Gegend erscheint die Überhöhung schon bei dem Längenmaßstab 1:10,000 überflüssig. Sind Längen- und Höhenmaßstab festgestellt, so benutzt man eine gute Höhenschichtenkarte des darzustellenden Gebietes entweder direkt oder je nach dem zu wählenden Längenmaßstab vergrößert oder reduziert. Die Höhenschichtenlinien werden von einer zu wählenden Höhe an, welche die Basis des Reliefs bilden soll, durchgepaust und auf eine geglättete Pappe oder dünne Brettchen, die genau die vorher bestimmte Stärke der Schichten haben müssen, aufgetragen und sauber ausgeschnitten. Dasselbe geschieht mit den folgenden (nächsthöhern) Schichten, die dann an der Hand der Karte auseinander geleimt werden. Die einzelnen Stufen des so hergestellten Treppenreliefs werden nun sorgfältig mit Wachs oder Ölkitt ausgefüllt und geglättet. Dann werden die Flußläufe vertieft und die Ortschaften markiert. Zuletzt erfolgt das Kolorieren des Reliefs. Ein gefälliges Kolorit erzielt man dadurch, daß man die Tiefen grün hält und mit Zunahme der Höhen allmählich in einen hellen blaugrauen Ton übergeht. Flüsse werden mit blauer oder schwarzer Tusche, Orte mit roter Farbe eingetragen. Das Hinzufügen der Namen geschieht entweder mit der Hand oder in der Weise, daß man die auf dünnes Papier gedruckten Namen ausschneidet und an den entsprechenden Stellen aufklebt. Neuerdings ist von dem Relieffabrikanten Kindt in Steglitz bei Berlin ein mechanisches Verfahren erfunden worden, das die Namen durch Druck auf die Reliefs zu bringen gestattet.

Die Vervielfältigung der Reliefs geschieht in der Weise, daß das Originalrelief mit Leinöl bestrichen und dann mit Gips übergossen wird, in dem sich die Formen abdrücken. Man erhält so die Matrize oder das Negativ, von dem man eine beliebige Anzahl von Abgüssen in Hartgips, Papiermasse oder Gummihohlguß herstellen kann. Schon J. R. Meyer von Aarau (1739–1813) verfertigte eine Reliefkarte aus Papiermaché und A. Zeum um 1810 Reliefgloben (Tasterkugeln) aus Gips, die ursprünglich für Blinde bestimmt waren. Beim Blindenunterricht sind auch Reliefatlanten gebräuchlich, die in weiche Pappe geprägt sind. Die Herstellung von Reliefgloben, von denen zunächst nur Halbkugeln angefertigt werden, die man dann zusammenfügt, geschieht jetzt in ähnlicher Weise wie die Herstellung der R. Ihr Gebrauch beim Unterricht für Sehende erscheint indessen bedenklich, da die Höhen wegen des zu kleinen Maßstabes, um sie überhaupt sichtbar zu machen, unnatürlich übertrieben werden müssen. Terminologische Reliefs sind dazu bestimmt, gewisse für die Schule wichtige geographische Begriffe zur Anschauung zu bringen. Sehr brauchbar hierzu sind die sogen. Idealreliefs oder Typenmodelle, wie sie Professor Heim in Zürich konstruiert hat: Einzeldarstellungen in großem Maßstabe, z. B. eines Gletschers, einer vulkanischen Insel, einer Steil- und Dünenküste, einer Talbildung durch Erosion etc. Als älteste bekannte Reliefkarte wird eine solche von Paul Dox aus dem Anfang des 16. Jahrh. genannt, welche die Umgegend von Kufstein darstellt. Viel vollkommener sind die in Luzern aufbewahrten Reliefs von L. Pfyffer (Relief der Zentralschweiz, 1766–85 angefertigt) und von Niederöst (Muotatal, 1800–02). Ganz hervorragende Werke sind in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten entstanden, so das Relief der Gotthardbahn von Imfeld und Becker in Zürich, ebenfalls im Gletschergarten zu Luzern aufgestellt, ein Relief der Jungfraugruppe von Simon in Interlaken, ein Relief der Gesamtschweiz von Perron in Genf, ein Relief des Oberengadins mit der Berninagruppe u. a. In Österreich ist besonders Franz Keil (s. d. 4) zu nennen. Ihm folgten Köck und Mayr (Relief der Schweiz), Guttenbrunner (Relief Afrikas und Steiermarks), Oberlercher in Salzburg (Großglockner), G. v. Pelikan (Hohe Tauern, Salzkammergut) u. a. Der 1849 erschienene plastische Schulatlas von A. Ravenstein erlebte bis 1865 fünf Auflagen. Nach Ravensteinschen Modellen prägte in den 1830er Jahren Bauerkeller in Darmstadt farbig gedruckte Karten (Geomontographie). Gegenwärtig verfertigen Reliefs in Deutschland namentlich die Firmen Stumm in Rheinbach, Deichmann in Kassel, Lehrer Imhof in Bergen bei Weimar, Oberlehrer Ebeling in Berlin zusammen mit der Firma Kindt in Steglitz-Berlin, Lehrer Dinges in Mindelheim (Südbayern). Gute Reliefs besitzt Frankreich in den Arbeiten von Levasseur, de Martonne, Fräulein Kleinhans und von Schrader, Italien in den Arbeiten von Cherubini und von Pomba. Vgl. Klar, Das geographische Relief (Wien 1901).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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