Reibung

Reibung

Reibung (Friktion), der Bewegungswiderstand, der sich zeigt, wenn zwei Körper miteinander in Berührung sind. Wären die beiden Körper aus gleichem Stoff und berührten sie sich in allen Punkten der Gleitebene, so müßte die R. so groß wie die Schubfestigkeit sein (s. Plastizität). Da aber die Berührung in der Regel nur in wenig Punkten stattfindet, ist sie außerordentlich viel kleiner, wächst aber mit dem Druck auf die Flächeneinheit, da hierdurch die Zahl der Berührungspunkte vergrößert wird. Vergrößerung der Fläche vergrößert ebenfalls die R., wenn der Gesamtdruck so erhöht wird, daß auf die Flächeneinheit derselbe Druck entfällt, andernfalls nicht, da dann auf die Flächeneinheit der Druck in gleichem Maße gemindert ist. Berühren sich die gleitenden Körper wirk lich in allen Punkten, was sich z. B. bei weichen Körpern durch Anwendung von genügend starkem Druck (bis zum Zusammenschweißen) ermöglichen läßt, so geht die gewöhnliche oder äußere R. in die Schubfestigkeit über, wenigstens bei minimaler Verschiebungsgeschwindigkeit. Bei größerer ist sie die Summe dieser und der innern R., die proportional der Geschwindigkeit wächst. Sind die auseinander gleitenden Flächen nicht vollkommen eben, so treten Komplikationen ein dadurch, daß die Erhöhungen und Vertiefungen ineinander greifen. Man unterscheidet gleitende R., bei der immer die nämlichen Teile des bewegten Körpers mit der Unterlage in Berührung bleiben, von der rollenden oder wälzenden R., bei der immer neue Teile des rollenden Körpers mit seiner Bahn in Kontakt kommen. Bei letzterer muß auch die Adhäsion überwunden werden. Zu Versuchen über die gleitende R. bediente sich Coulomb des Tribometers (s. Figur). Ein Kästchen a, das beliebig mit Gewichten belastet werden kann, ruht auf zwei horizontalen Schienen b; eine daran befestigte Schnur geht über eine Rolle c und trägt an ihrem Ende die Wagschale d.

Coulombs Tribometer.
Coulombs Tribometer.

Auf diese werden nun so lange Gewichte aufgelegt, bis sich das Kästchen in Bewegung setzt; das hierzu erforderliche Gewicht gibt alsdann den Reibungswiderstand an, der zu überwinden war. Wird die R. (d. h. das Gewicht der Wagschale d samt dem ausgelegten Gewicht) dividiert durch den Druck (d. h. das Gewicht des Kästchens a samt seiner Belastung), so erhält man für ein und dasselbe Material einen konstanten Wert, den Reibungskoeffizienten, der ausdrückt, der wievielte Teil der Last zur Überwindung der R. erforderlich ist. Die R. der Ruhe, die sich zeigt, wenn ein ruhender Körper in Bewegung gesetzt werden soll, ist größer als die R. der Bewegung, wenn die Bewegung bereits eingeleitet ist (bei Metallen ist der Unterschied nur gering); erstere wächst mit der Berührungsdauer bis zu einem Maximum, bei letzterer ist die Geschwindigkeit der Bewegung ohne Einfluß. Die R. ist in der Regel stärker zwischen gleichartigen als zwischen ungleichartigen Körpern; bei Metallen wächst sie mit der Temperatur, bei Hölzern mit der Feuchtigkeit. Für Hölzer ist sie geringer bei gekreuzten als bei parallelen Fasern. Folgende Tabelle enthält die mittlern Werte der Reibungskoeffizienten der am häufigsten angewendeten Materialien:

Tabelle

Liegt ein Körper auf einer schiefen Ebene, so zerlegt sich sein vertikal abwärts wirkendes Gewicht in zwei Komponenten, von denen die eine auf der schiefen Ebene senkrecht steht, die andre mit der schiefen Ebene parallel ist. Die erstere stellt den Druck dar, mit dem der Körper gegen die schiefe Ebene gepreßt wird, die letztere dagegen die Kraft, die den Körper längs der schiefen Ebene herabtreibt. Wächst nun der Neigungswinkel der schiefen Ebene, so nimmt jener Druck und demnach auch die R. ab, und die herabtreibende Kraft wächst. Bei einem gewissen Winkel (Reibungswinkel) wird die herabtreibende Kraft der R. gleich, und der Körper beginnt herabzugleiten. Aus der Größe des Reibungswinkels kann man aber den Reibungskoeffizienten bestimmen; er ist nämlich gleich dem Quotienten aus der herabtreibenden und der drückenden Kraft oder, was dasselbe ist, gleich der Tangente des Reibungswinkels. Der Böschungswinkel, den lockere Massen, z. B. Sand, beim Aufschütten bilden, ist dem Reibungswinkel gleich. Eine besondere Art der gleitenden R. ist diejenige zwischen einem Zapfen und seinem Lager (Zapfenreibung); sie ist kleiner als die R. zwischen ebenen Flächen. Da die Arbeit, die zur Überwindung der Zapfenreibung bei einer Umdrehung aufgewendet werden muß, dem Umfang und folglich auch dem Durchmesser des Zapfens proportional ist, so macht man diesen so klein, als es irgend angeht. Leichte und schnell laufende Wellen läßt man auch zwischen Körnerspitzen laufen, d. h. man gibt der Welle gar keine Zapfen, sondern zwei konische Spitzen, die in entsprechenden Vertiefungen laufen. Folgende Tabelle enthält die Koeffizienten der Zapfenreibung:

Tabelle

Die wälzende R., die bei dem Fortrollen von Walzen, Rädern etc. eintritt, ist bedeutend kleiner als die gleitende. Sie ist dem Druck direkt und dem Halbmesser der Walze umgekehrt proportional. Hohe Räder verleihen einem Fuhrwerk eine leichtere Beweglichkeit als niedrige. Nach Morin beträgt auf Eisenbahnen die R. etwa 1/200 der Belastung, bei Frachtwagen auf sehr guter Straße 1/50, auf einer gewöhnlichen Straße 1/35, auf sehr gutem Pflaster 1/65, auf schlechtem Pflaster 1/46 der Belastung.

Zur Verminderung der R. bedient man sich außer sorgfältiger Politur und geeigneter Auswahl der Körper, die sich auseinander bewegen sollen, mit großem Erfolg flüssiger und trockner Schmiermittel, z. B. Öl, Fett, Talg, Seife, Graphit, welche die Flächen glätten, indem sie deren Unebenheiten ausfüllen Namentlich aber sucht man, wo es angeht, die gleitende R. in die wälzende zu verwandeln, indem man z. B. fortzubewegende Lasten auf Walzen legt, Rollen an den Füßen der Tische und Stühle anbringt (Rollschuhe beim Skating-Rink). Soll ein Rad sehr leicht beweglich sein, so legt man seine dünne Achse nicht in Lager, sondern in die Winkel, welche die Umfänge je zweier nebeneinander stehender leichter Rädchen (Reibungsräder) miteinander bilden. Gleitende R. findet alsdann nur noch an den Zapfen der vier Rädchen statt, wo sie fast unmerklich wird. Auf gleichem Prinzip beruhen die Walzen- und Kugellager. In sehr vielen Fällen bringt die R. Vorteil. Alles Befestigen und Verbinden der Körper durch Klemmen, Nägel, Schrauben, Schnüre etc. beruht auf R.; die Fortpflanzung der Bewegung durch Treibriemen und Seile sowie die Verzögerung der Bewegung durch Bremsen ist auf R. begründet. Ohne R. könnte unser Fuß nicht am Boden haften, und die Lokomotiven würden mit rotierenden Rädern auf den Schienen stehen bleiben (s. Bewegungswiderstand der Fahrzeuge). Vgl. Jellett, Theorie der R. (deutsch, Leipz. 1890).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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