Puschkin

Puschkin

Puschkin, Alexander Sergejewitsch, der bedeutendste russ. Dichter, geb. 6. Juni (26. Mai) 1799 in Moskau, gest. 10. Febr. (29. Jan.) 1837, kam 1811 auf das kaiserliche Lyzeum in Zarskoje Selo und erwarb sich schon in einem Alter von 15 Jahren durch das Gedicht »Erinnerungen an Zarskoje Selo« einen Namen. 1817 bei dem Departement der auswärtigen Angelegenheiten angestellt, schrieb er seine erste größere Schöpfung, das romantische Epos »Ruslan und Ludmila« (Petersb. 1820), das schon deutlich das Streben kundgibt, die ausländische Romantik mit dem einheimischen Volkstümlichen zu verbinden. Einige zu freie Gedichte sowie noch viel mehr zu freie Reden bewirkten 1820 seine Versetzung zur Kanzlei des Kuratoriums der südrussischen Kolonisten, damals in Jekaterinoslaw. Nach kaum 14tägigem Aufenthalt daselbst erhielt er infolge heftiger Erkrankung Urlaub zu mehrmonatigem Besuch der Bäder am Kaukajus und kehrte dann in seine inzwischen nach Kischinew (Bessarabien) verlegte Kanzlei zurück, von wo er 1823 als Attaché zu dem Grafen Woronzow, Statthalter von Odessa, kam. Das Leben in den wilden und poetischen Gegenden Südrußlands war aber gerade für die Entwickelung seines Genius besonders günstig, viel mehr, als es je die Hauptstadt gewesen wäre. Während dieser Zeit dichtete er: »Der Gefangene im Kaukasus« (1821, gedruckt Petersb. 1822; deutsch von Wulfert, das. 1824, und von Seubert in Reclams Universal-Bibliothek); »Der Springbrunnen von Bachtschisaraj« (1822, gedr. Mosk. 1824; deutsch von F. Johansen in »Meyers Volksbüchern«, Nr. 940), eine tatarische Erzählung, wie die frühern Dichtungen reich an großen Schönheiten, ferner »Die Räuberbrüder« (1822, gedr. Mosk. 1827) und »Die Zigeuner« (1824 u. 1825, gedr. das. 1826). 1823 entstand das erste Kapitel seines Romans (in Versen) »Jewgenij Onjegin« (s. unten). 1824 wurde P. wegen der vielfach in Odessa umlaufenden, von ihm verfaßten Epigramme auf den Grafen Woronzow auf Befehl des Kaisers Alexander I. aus den Listen des Ministeriums des Auswärtigen gestrichen und auf sein väterliches Gut Michailowskoje im Gouv. Pskow verwiesen, wo er unter polizeiliche Aussicht des Gouverneurs, des Adelsmarschalls und des Archimandriten des nächstgelegenen Klosters gestellt wurde. Hier schrieb er das zweite Kapitel des »Onjegin«, die leider unvollendet gebliebene Tragödie »Boris Godunow« (Petersb. 1831; deutsch von Löwe in »Meyers Volksbüchern«, Nr. 293, und von Fiedler in Reclams Universal-Bibliothek) und das komische Epos »Graf Nulin« (das. 1827). Seine Verbannung dauerte glücklicherweise nicht lange. Kaiser Nikolaus rief den Dichter 1826 bei Gelegenheit seiner Krönung in Moskau zurück, stellte ihn unter seine eigne Zensur und unter die Aussicht des Gendarmeriechefs Grafen von Benkendorf. In Moskau wurde er Mitarbeiter an den beiden bedeutendsten Zeitschriften der romantischen Epoche, dem »Moskauer Telegraphen« und dem »Moskauer Boten«. 1828 erschien die »Szene aus Faust«, 1829 die epische Dichtung »Poltawa«. In demselben Jahre reiste P. zur russischen Armee nach dem Kaukasus, nahm an einigen Treffen teil und zeichnete seine Erlebnisse auf u. d. T.: »Reise nach Erzerum während des Feldzugs von 1829« (1836). Ostern 1830 verlobte er sich in Moskau mit Natalja Gontscharow, erhielt von seinem Vater einen Teil des Gutes Boldino (Gouv. Nishnij Nowgorod), reiste im August zur Übernahme dorthin und schrieb daselbst, den ganzen Herbst und einen Teil des Winters durch Choleraquarantäne von seiner Braut getrennt, eine Anzahl kleiner Meisterwerke: die poetische Erzählung »Das Häuschen in Kolomna«, die dramatischen Szenen »Der geizige Ritter«; »Mozart und Salieri«, »Der steinerne Gast« (alle drei deutsch von Fiedler in »Meyers Volksbüchern«, Nr. 920), »Das Bankett zur Pestzeit«, in Prosa die »Erzählungen Bjelkins« (Petersb. 1831) und »Die Chronik des Dorfes Gorochino«, ferner 30 lyrische Gedichte, und vollendete seinen »Jewgenij Onjegin« (vollständig erschienen zuerst Petersburg 1833, deutsch von Seubert in Reclams Universal-Bibliothek), einen Roman in Versen im Genre von Byrons »Don Juan« und sein Hauptwerk, in dem er seine ganze Kraft und Kunst entfaltete. Es entwirft eine meisterhafte Schilderung des damaligen Gesellschaftslebens und der sozialen Typen Rußlands, durchwoben von gedankenreichen Betrachtungen und scharfen satirisch-humoristischen Ausfällen. Am 1. März (18. Febr.) 1831 wurde er in Moskau getraut und siedelte nach Petersburg über, wo er eine Anstellung im Ministerium des Auswärtigen erhielt und ihm der Kaiser die Archive öffnen ließ. Als Früchte seiner Studien in ihnen erschienen in der Folge die historischen Novellen »Die Hauptmannstochter« (deutsch von W. Wolfsohn in »Rußlands Novellendichter«, Leipz. 1848–51, 3 Tle., und von W. Lange in Reclams Universal-Bibliothek) und »Dubrowskij« (deutsch in Reclams Universal-Bibliothek und von N. v. Bessel, Bresl. 1894 u. 1898); eine andre Frucht seiner geschichtlichen Studien, verbunden mit einer Reise in die Gouvernements Kasan, Simbirsk, Pensa und Orenburg im Herbst 1833, war die »Geschichte des Pugatschewschen Aufstandes« (Petersb. 1834; deutsch von Brandeis, Stuttg. 1840), wofür er vom Kaiser das Geld zum Druck des Werkes und den Titel eines Hofkammerjunkers erhielt. 1836 gründete er die kritische Zeitschrift »Sovremennik« (»Zeitgenosse«). Kaum 38 Jahre alt, starb P., wenige Jahre nach seiner Verheiratung, an den Folgen eines Duells mit Baron Heeckeren, einem jungen Fant, der die Schwester der Frau Puschkins heiraten sollte, aber Puschkins Frau auffallend den Hof machte. P. ist der Schöpfer der neuern romantischen Dichtersprache Rußlands und noch heute der Liebling seines Volkes. 1880 wurde ihm in seiner Geburtsstadt ein Denkmal errichtet, 1884 ein zweites in Petersburg, 1888 ein drittes in Odessa, 1901 ein viertes in Aschabad (Transkaspien). Eine erste Sammlung seiner Gedichte erschien 1826 in Petersburg, die zweite (in 2 Bdn.) daselbst 1829. Von den zahlreichen Gesamtausgaben seiner Werke erschien die erste in Petersburg 1838–41 in 12 Bänden; eine der besten ist die von P. W. Annenkow (mit umfassender Biographie des Dichters, Petersb. 1855–57, 7 Bde.); von den neuern sind die von Morosow redigierte (das. 1887, 7 Bde., mit Puschkins Briefwechsel im letzten Band) und die von Jefremow (das. 1905, 8 Bde.) hervorzuheben. Von der seit 1900 von der Akademie der Wissenschaften veranstalteten Ausgabe seiner Werke ist bis jetzt (1905) erst ein Band erschienen. Die verbotenen Gedichte erschienen in Berlin 1861 (2. Aufl. 1870 und 1903 u. 1904). Übersetzungen seiner poetischen Werke lieferten außer den bereits oben Genannten: E. v. O. (Berl. 1840), R. Lippert (Leipz. 1840, 2 Bde.), F. Bodenstedt (Berl. 1854–55, 3 Bde.), Schmitt (Wiesbad. 1873), A. Ascharin (»Dichtungen von P. und Lermontow«, 2. Aufl., Reval 1885) und Edward (»Aus russischen Dichtern« [P. und Lermontow], Reval 1898), eine Auswahl seiner Novellen Lange in Reclams Universal-Bibliothek, eine deutsche Bearbeitung seiner Novellen Tröbst und Sabinin (Jena 1840 bis 1848, 3 Tle.). Aus der umfangreichen Literatur über P. vgl. Annenkow, Materialien zur Biographie A. S. Puschkins (als 1. Bd. der genannten P.-Ausgabe, in 2. Aufl. 1873) und A. S. P. in der Epoche Alexanders I. (das. 1874); kürzere Biographien des Dichters gaben W. Stojunin (das. 1881) sowie A. Skabitschewskij (in seinen Ausgaben Puschkins)


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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