Mandeville

Mandeville

Mandeville (spr. männdwill), 1) (Maundevile, de Montevilla) John de, beliebter Reifeschriftsteller des Mittelalters, geb. um 1300 angeblich zu St. Albans in England, gest. 17. Nov. 1372 in Lüttich, will ausgedehnte Reisen in Europa, Afrika und Asien gemacht haben. Seine ursprünglich französisch geschriebene Reisebeschreibung, 1356 verfaßt, wurde in fast alle europäischen Sprachen übersetzt (ins Deutsche zuerst von Michelfeiser, 1481). Neuere Untersuchungen haben gelehrt, daß der Verfasser, ein belgischer Arzt, mit wahrem Namen Jean de Bourgogne hieß und wahrscheinlich einige Zeit am Hofe des Sultans von Ägypten lebte, seine Schilderungen aber über andre, von ihm nie besuchte Länder fremden Quellen entlehnt hat. Er schrieb unter seinem wahren Namen ein lateinisches Werk über die Pest. Das Reisewerk ist mit französischem Urtext und englischer Übersetzung 1889 von Warner für den Roxburghe Club herausgegeben worden. Vgl. Vogels, Untersuchungen über M. (Krefeld 1886 u. 1891); Bovenschen, Untersuchungen über Johann von M. und die Quellen seiner Reisebeschreibung (»Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin«, 1888) und Cordier,. Jean de M. (Leiden 1891).

2) Bernard de, engl. Schriftsteller, geb. um 1670 zu Dordrecht in Holland aus französischer Familie, gest. 1733 in London, studierte Medizin in Leiden und ließ sich in London nieder, wo er teils seinem medizinischen Beruf, hauptsächlich aber schriftstellerischen Neigungen lebte. Er war ein Witzbold und liebte niedrige Gesellschaft. Das verriet sich auch in seinen ersten Schriften: »Esop dressed, or collection of fables in familiar verse« (Lond. 1704), »The virgin unmasked« (1709), eine Abhandlung über »Hypochondriac and hysteric passions« (1710), »Free thoughts on religion, the church and national happiness« (1720), an Bayle sich anlehnend, u. a. Berühmt wurde er durch seine »Fable of the bees, or private vices made public benefits« (1723, Erweiterung seiner 1714 erschienenen Schrift »The gambling hive«), worin er das Laster für die Blüte eines Staates ebenso notwendig nannte wie den Hunger für das Gedeihen des Menschen, die Begriffe von Recht und Unrecht, Gut und Böse, Ehre und Schande für Erzeugnisse der Politik ausgab, die philosophische Tugend für eine Erfindung von Betrügern und die christliche Religion für eine Ausgeburt von Narren erklärte. Dabei ging er aus von der Ansicht des Hobbes, die Sittlichkeit beruhe auf dem Eigennutz, und wußte seine zynischen Ansichten mit einer realistischen Bizarrerie einleuchtend vorzutragen. Durch Bertrands Übersetzung (1740) fand das Werk auch Eingang in Frankreich, besonders bei den Enzyklopädisten. In England wegen seiner Lehren von den Gerichten verfolgt, erklärte er, er habe seine Bücher ohne weitere Absicht, bloß zum Zeitvertreib geschrieben, und widerrief sie 1732 in »An inquiry into the origin of honour«. Vgl. L. Stephen, Essays on freethinking (Lond. 1873); Sakmann, Bernard de M. und die Bienenfabel-Kontroverse (Freiburg 1897).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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