Giotto di Bondōne

Giotto di Bondōne

Giotto di Bondōne (spr. dschotto), ital. Maler und Architekt, geb. um 1266 in dem Orte del Colle bei Florenz, gest. 8. Jan. 1337 in Florenz, war Schüler Cimabues, der ihn als Hirtenknaben, seine Schafe mit Kohle nachzeichnend, getroffen haben soll. Aus seiner Jugend rühren die 28 Szenen aus dem Leben des heil. Franz von Assisi in der Oberkirche zu Assisi her; einer reifern Periode gehören die Fresken in der Unterkirche mit allegorischen Darstellungen der drei Tugenden, der freiwilligen Armut, der Keuschheit und des Gehorsams, und der Apotheose des Heiligen an. In den letzten Jahren des 13. Jahrh. arbeitete G. in Rom; für den Kardinal Stefaneschi fertigte er 1298 ein Mosaikbild: die Errettung des Petrus und seiner Genossen aus dem Sturm, das sich jetzt nach vielfachen Veränderungen unter dem Namen Navicella di San Pietro im Portikus, der Haupttür der jetzigen Kirche gegenüber, befindet, und ein Altarbild mit dem vor dem Heiland knieenden Kardinal (Sakristei der Peterskirche). Ferner malte er in der Tribüne von St. Peter fünf Darstellungen aus dem Leben Christi und das Hauptbild in der Sakristei und hierauf an den Wänden der (alten) Peterskirche Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament, die aber alle nicht mehr vorhanden sind. In San Giovanni in Laterano befindet sich ferner ein Freskobild von G.: Bonifatius VIII., das Jubiläum von 1300 verkündigend. Nach seinem Aufenthalt in Rom scheint er die Fresken: Hölle und Paradies, im Bargello (jetzt Museo Nazionale), ausgeführt zu haben, die stark beschädigt sind. Berühmt sind sie namentlich dadurch, daß Dantes Porträt sich auf ihnen befindet. 1303 schmückte er in Padua die Scrovegnikapelle in der Kirche Santa Maria dell' Arena mit Fresken, die sich durch die treffliche Verbindung von Architektur und Malerei auszeichnen, Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, Christi Himmelfahrt, das Leben der Maria, unten an den Sockeln allegorische Figuren, Tugenden darstellend. G. und Giovanni Pisano waren es, welche die Darstellung allegorischer Figuren in Gang brachten, die im 14. Jahrh. mit Vorliebe behandelt wurden. Dieser Freskenzyklus ist am besten erhalten und zeigt Giottos Eigenart am deutlichsten. In Ravenna ist die Wölbung der ersten Kapelle rechts in der Kirche des Evangelisten Johannes mit Kirchenvätern und Evangelisten von G. ausgemalt. In Santa Croce zu Florenz führte er in mehreren Kapellen Fresken aus. Zu den schönsten gehören die in der Kapelle Peruzzi mit Szenen aus dem Leben der beiden Johannes. Die Kapelle Bardi wurde von G. mit Darstellungen aus dem Leben des heil. Franziskus, die Baroncelli-Kapelle mit einer schönen Krönung der Maria geschmückt. Das Tafelbild einer thronenden Madonna mit Engeln und Heiligen, ehemals in Ognissanti, befindet sich jetzt in der Akademie der Künste. 1328 erhielt G. vom Herzog Karl von Kalabrien den Auftrag, im Palast der Signoria dessen Bildnis zu malen. Durch Karls Vermittelung wurde er 1330 vom König Robert nach Neapel berufen; jedoch sind die ihm dort zugeschriebenen Malereien nicht von seiner Hand, zeigen aber seinen Einfluß. 1334 kehrte er nach Florenz zurück und ward Oberbaumeister des Domes und aller städtischen Bauten daselbst. Er begann die Ausschmückung der Fassade und 1336 den Bau des Glockenturms, dessen Vollendung er jedoch nicht mehr erlebte. Die Entwürfe zu den ersten Reliefs am Turm rühren wahrscheinlich von ihm her (s. Tafel »Bildhauerkunst IX«, Fig. 2). In der Brera zu Mailand befindet sich das Altarbild einer Madonna mit Engeln, dessen Flügel mit Heiligen die Pinakothek zu Bologna besitzt. Für die Kirche San Francesco zu Pisa schuf er ein Altarbild der Stigmatisierung des Heiligen, jetzt im Louvre. Außerdem haben sich noch von ihm mehrere treffliche Darstellungen des Gekreuzigten erhalten, zwei davon in Florenz, eine in Santa Felicità, die andre, die schönste in San Marco. G. wurde im Dom zu Florenz beigesetzt. Benedetto da Majano führte seine Porträtbüste in Marmor daselbst aus. G. stand mit den größten Männern seiner Zeit, Dante, Petrarca und wohl auch mit Giovanni Pisano, im engern Verkehr. Er war der eigentliche Begründer der italienischen Malerei, speziell der toskanischen Freskomalerei. Sowohl in der Technik (er bediente sich dabei der Feigenmilch und des Eigelbs) als in der Farbengebung trat er als Neuerer auf; er gab den Farben Helligkeit und Klarheit und führte eine massige, breite, plastisch wirkende Licht- und Schattenverteilung ein. Obschon er in seinen Fresken den alten Grundsätzen der Einteilung treu blieb, zeichnete er sich doch durch glückliche Verwendung der gegebenen Räumlichkeiten sowie durch treffliche Komposition in den einzelnen Bildern aus. Er veredelte die Proportionen, gab den Figuren lebendige Bewegung und ausdrucksvolle Gebärden und suchte als erster der Natur als Vorbild nachzueifern. An die Stelle der frühern byzantinischen Starrheit trat bei ihm lebendige Handlung und ein italienisch-nationaler Charakter. Auch die Schwerfälligkeit und Kleinlichkeit der Gewandung früherer Zeit wich bei ihm einem naturwahren, einfachen und doch großartigen Faltenwurf. Vgl. Dobbertin Dohmes »Kunst und Künstler« (Leipz. 1878); Quilter, Giotto (Lond. 1880); Janitschek, Die Kunstlehre Dantes und Giottos Kunst (Leipz. 1892); Zimmermann, G. und die Kunst Italiens im Mittelalter (Bd. 1, das. 1899); Thode, Giotto (Bielef. 1899); Brach, Giottos Schule in der Romagna (Straßb. 1902).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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