Gebärmutterkrankheiten

Gebärmutterkrankheiten

Gebärmutterkrankheiten gehören zu den häufigsten Frauenkrankheiten (s.d.) und kommen entweder angeboren vor oder können früher oder später dadurch erworben werden, daß Schädlichkeiten auf die Gebärmutter einwirken. Besonders zur Zeit der Menstruation, ferner im schwangern Zustand, bei der Geburt und im Wochenbett ist die Gebärmutter mannigfachen Gefahren der Erkrankung ausgesetzt, und deshalb ist ein zweckmäßiges Verhalten während dieser Zeit für die Gesundheit jeder Frau von größter Wichtigkeit. Die Erscheinungen, welche die G. machen, können sehr verschiedenartig sein; sie zerfallen in örtliche, wie Schmerzen, Blutungen, Schleim- und Eiterabgänge, Störungen der Menstruation, Unfruchtbarkeit etc., und allgemeine, den ganzen Körper betreffende, wie Ernährungsstörungen, Blutarmut und Reizzustände des Nervensystems. Zur richtigen Erkennung und Behandlung der G. ist eine genaue Untersuchung des Genitalapparats durch einen sachkundigen Arzt unerläßlich. Je früher ärztliche Hilfe in Anspruch genommen wird, um so größer ist die Aussicht auf schnelle und dauernde Heilung. Durch Versäumnis oder Hinausschieben der Behandlung kann dem Körper bleibender Schaden, Siechtum, zuweilen sogar Lebensgefahr erwachsen.

Von angebornen G. sind als die wichtigsten zu nennen der vollständige Mangel und die Verkümmerung der Gebärmutter und ferner die Verdoppelung der Gebärmutter; bei letzterer ist das Organ durch eine vollständige oder unvollständige Zwischenwand in zwei, meist ungleiche Abschnitte geteilt. Während beim Mangel einer Gebärmutter die Möglichkeit einer Schwangerschaft ausgeschlossen ist, können bei ihrer Verdoppelung die Funktionen des Organs in normaler Weise von statten gehen.

Unter den erworbenen G. unterscheidet man die Entzündungen, die Lageveränderungen und die Neubildungen oder Geschwülste der Gebärmutter. – Die Entzündungen (Metritis, Endometritis) sind akuter oder chronischer Art. Erstere sind wohl immer auf in die Gebärmutter gelangende Mikroben zurückzuführen. Sie kommen besonders häufig im Wochenbett vor und können hier schwere, lebensgefährliche Erscheinungen machen (s. Kindbettfieber). Bei der chronischen Entzündung der Gebärmutter können Bakterien meist nicht nachgewiesen werden. Die Erkrankung beschränkt sich hier zuweilen auf den Halsteil der Gebärmutter, zuweilen wird besonders der Körper der Gebärmutter oder das ganze Organ befallen. Im erstern Fall ist das wesentlichste Symptom ein sehr reichlicher, schleimig-eiteriger Ausfluß (Weißer Fluß, s. d.). Er kann durch seine Hartnäckigkeit sehr lästig fallen und wirkt bei längerm Bestehen auch ungünstig auf das Allgemeinbefinden ein. Abmagerung, Blutarmut und mannigfache Störungen im Bereich des Nervensystems sind häufige Folgezustände des chronischen Gebärmutterkatarrhs. Sachgemäße, örtliche Behandlung bei gleichzeitiger Sorge für Kräftigung des Gesamtorganismus führen meistens Heilung oder wesentliche Besserung des Leidens herbei. Bei der chronischen Entzündung des Gebärmutterkörpers ist nur die Schleimhaut (Endometritis) oder die ganze Wand der Gebärmutter (Metritis) ergriffen. Es kommt hier zu einer Wucherung und allmählichen Verdickung des erkrankten Gewebes, in manchen Fällen zu einer Vergrößerung des ganzen Organs. Als wesentlichste Symptome sind zu nennen: Gefühl von Schwere und Druck im Unterleib, Kreuzschmerzen, Blasenbeschwerden, Reizzustände des Nervensystems und vor allem Störungen der Menstruation. Die Regelblutung wird sehr viel stärker und länger anhaltend und tritt in immer kürzern Zwischenräumen auf. Der dadurch bedingte größere Blutverlust führt allmählich zu Blutarmut, Abmagerung und allgemeiner Schwäche. Die Therapie ist bei der chronischen Entzündung des Gebärmutterkörpers je nach den Erscheinungen sehr verschieden. Zuweilen genügt eine medikamentöse Behandlung oder der Gebrauch von Bädern, besonders von Sol- und Moorbadekuren. Meistens wird auch eine örtliche Behandlung erforderlich, wie zeitweilige Blutentziehungen, Ausspülungen und Ätzungen der Gebärmutter, aber auch operative Eingriffe, wie die Entfernung der krankhaft gewucherten Schleimhaut (s. Auskratzung).

Unter den Lageveränderungen der Gebärmutter versteht man die Zustände, in denen die Gebärmutter dauernd eine von der Norm abweichende Lage einnimmt. Die wichtigsten Verlagerungen sind die Rückwärtsneigung (Retroversio) oder Rückwärtsknickung (Retroflexio) und der Vorfall (Prolapsus). Geringere Bedeutung hat als Lageveränderung die Neigung, resp. Knickung der Gebärmutter nach vorn (Anteversio, Anteflexio). Die Rückwärtsneigung oder -Knickung hat ihre Ursache in einer Erschlaffung der zur Befestigung dienenden Bänder der Gebärmutter oder in Schrumpfungsprozessen und Narbensträngen, die als Überreste abgelaufener Entzündungen in der Umgebung der Gebärmutter diese aus ihrer ursprünglichen Lage bringen, indem sie entweder den Halsteil des Organs nach vorn oder den Gebärmutterkörper nach hinten ziehen. Die Hauptsymptome sind Menstruationsstörungen, Kreuzschmerzen, Druck auf den Mastdarm, Verdauungsstörungen, Magenbeschwerden und nervöse Reizzustände. Die Behandlung besteht darin, daß man die Gebärmutter aufrichtet, in ihre normale Lage bringt und in dieser durch Einlegen eines passenden Pessars in die Scheide zu erhalten sucht. Wo die Ausrichtung der Gebärmutter wegen Verwachsungen mit der Umgebung nicht gelingt, oder das Organ trotz Unterstützung durch ein Pessar immer wieder in die fehlerhafte Lage zurückfällt, kann durch Operation die Lagekorrektur hergestellt werden. Von den Operationsmethoden sind die gebräuchlichsten die Anheftung der Gebärmutter an die vordere Bauchwand (Ventrofixatio) oder an die vordere Scheidenwand (Vaginofixatio) und die Verkürzung der runden Mutterbänder. Wenn aus irgendwelchen Gründen das operative Verfahren nicht anwendbar ist, führt manchmal eine sachkundig ausgeführte Massagebehandlung nach Thüre Brandt zum Ziele. Sie erfordert große Geduld von seiten des Arztes und der Kranken, da sie nur dann sich wirksam erweist, wenn sie längere Zeit fortgesetzt wird. Ihr Zweck ist Verwachsungen allmählich zu lösen und alte Narbenstränge zu dehnen und zum Schwinden zu bringen.

Unter dem Vorfall der Gebärmutter versteht man das Heraustreten ihres untern Teils oder des ganzen Organs aus den äußern Geschlechtsteilen. Damit verbunden ist eine Einstülpung der Scheide, die bis zur vollständigen Umstülpung fortschreiten kann. Dem Vorfall voraus geht fast stets ein Stadium, wo die Gebärmutter allmählich in die Scheide herabsinkt (Senkung der Gebärmutter, Descensus). Die häufigsten Ursachen der Senkung und des Vorfalls sind Erschlaffung der Befestigungen der Gebärmutter und Dammdefekte. Frauen, die unmittelbar nach dem Wochenbett, wenn die während der Schwangerschaft gelockerten Bänder noch nicht ihre frühere Festigkeit wiedererlangt haben, sich schwerer körperlicher Arbeit unterziehen, werden besonders leicht von der Erkrankung befallen. So erklärt sich ihr verhältnismäßig häufiges Vorkommen bei Frauen aus den ärmern Ständen. Die Erscheinungen des Vorfalls sind im Anfangsstadium: Gefühl von Schwere und Ziehen im Unterleib, Drängen nach unten und Kreuzschmerzen. Bei weiterm Fortschreiten macht er oft Urinbeschwerden und hindert die Kranken am Gehen und Arbeiten. Auch ist die bloßliegende Schleimhaut der vorgefallenen Teile zu Entzündung und Geschwürsbildung geneigt. Der Entstehung vieler Vorfälle kann dadurch vorgebeugt werden, daß bei Geburten erfolgende Dammrisse rechtzeitig durch Naht geschlossen werden, und daß die Frauen nach überstandenem Wochenbett sich so lange schonen, bis die Rückbildung der Geschlechtsorgane vollendet ist. Die Behandlung des Vorfalls besteht darin, daß man die Gebärmutter in ihre normale Lage zurückbringt und durch ein passendes Pessar ihr Wiederherabsinken hindert. Ist jedoch der Beckenboden defekt oder durch jahrelange Dehnung zu sehr erschlafft, so findet das Pessar keinen Halt und fällt immer wieder heraus. Dann bleibt nichts andres übrig, als den Vorfall operativ zu heilen. Sehr viel seltener als die bisher genannten Lageveränderungen ist die Umstülpung der Gebärmutter (inversio), bei der ihre mit Schleimhaut bedeckte Innenfläche nach außen und die Außenfläche nach innen gekehrt ist. Die umgestülpte Gebärmutter liegt in der Scheide oder tritt zu den äußern Geschlechtsteilen heraus (Vorfall der invertierten Gebärmutter). Der Vorgang kann im Anschluß an eine Geburt erfolgen oder durch Geschwülste bedingt sein. Im erstern Fall entsteht die Umstülpung meistens dadurch, daß in der Nachgeburtsperiode ein unvorschriftsmäßiger Zug an der Nabelschnur bei erschlaffter Gebärmutter und noch nicht vollständig gelöstem Mutterkuchen ausgeübt wird, seltener durch starkes Pressen bei in hockender Stellung erfolgender Sturzgeburt oder infolge abnormer Kürze der Nabelschnur. Von Geschwülsten können die am Gebärmuttergrund sitzenden, in das Innere sich vorwölbenden Fasergeschwülste durch allmähliches Hineinwachsen in den Halskanal und die Scheide die Wand der Gebärmutter nach sich ziehen und so eine Umstülpung verursachen. Die Hauptsymptome der Umstülpung sind heftige Schmerzen und Blutung, zuweilen mit Ohnmachtsanfällen. Die Behandlung erfordert möglichst schnelle Reposition der umgestülpten Gebärmutter, entweder mit der Hand oder operativ. Waren Geschwülste die Ursache, so sind sie zu entfernen.

Von Geschwülsten der Gebärmutter kommen am häufigsten vor: Schleimpolypen, Fasergeschwülste und Krebs. Schleimpolypen sind gutartige Wucherungen der Schleimhaut, die vorwiegend vom Halskanal ausgehen und oft langgestielt zum äußern Muttermund herausragen. Da sie sehr gefäßreich zu sein pflegen, so können sie lebhafte Blutungen veranlassen. Ihre Beseitigung, am besten durch Abtragen mit der Schere, ist nicht schwierig.- Fasergeschwülste nehmen ihren Ursprung in der Wand der Gebärmutter und bestehen aus Bindegewebe und Muskelfasern. Je nach Art ihrer Zusammensetzung aus diesen beiden Gewebselementen bezeichnet man sie als Myome, Fibromyome oder Fibrome. Sie zählen zu den häufigsten Erkrankungen der Gebärmutter; meistens kommen sie zwischen dem 30. und 50. Lebensjahre zur Beobachtung. Sie treten bald vereinzelt, bald in größerer Anzahl auf, und zwar vorwiegend im Gebärmutterkörper, seltener im Halsteil. Ihre Größe schwankt von der einer Erbse bis Mannskopfgröße und darüber. Die Krankheitserscheinungen sind je nach Sitz und Größe der Geschwulst sehr verschieden, zuweilen können alle Symptome fehlen. Sehr häufig stellen sich frühzeitig Blutungen ein, die teils in der Form der verstärkten und verlängerten Regelblutung auftreten, teils ganz unregelmäßig sind und schließlich andauern können. Der dadurch bedingte Blutverlust ist oft so stark, daß das Allgemeinbefinden schwer gestört wird. Schmerzen fehlen zuweilen, in andern Fällen bestehen dysmenorrhoische Beschwerden oder Druckschmerzen, die besonders heftig sind, wenn es zu Einklemmungserscheinungen kommt. Nicht selten sind ferner Urinbeschwerden und Verdauungsstörungen als Folge von Zerrung und Druck der Geschwulst auf Blase und Mastdarm. Behandlung. Sehr selten gelingt es, die Geschwulst durch Medikamente (Mutterkornpräparate) zum Verschwinden zu bringen, jedoch wird das Hauptsymptom, die Blutungen, auf diesem Weg oft günstig beeinflußt. Besonders bei Kranken, die schon nahe den Wechseljahren sind, ist es nicht selten möglich, durch lange fortgesetzt e medikamentöse Behandlung die Blutungen so lange in mäßigen Grenzen zu halten, bis mit eingetretener Wechselzeit die Menstruation und damit überhaupt jede Blutung aufhört. In andern Fällen macht die Erkrankung so schwere Erscheinungen, daß die Geschwulst oder mit ihr die ganze Gebärmutter auf operativem Weg entfernt werden muß.

Der Krebs der Gebärmutter kommt am häufigsten zwischen dem 40. und 50. Lebensjahre vor. Seinen Ausgangspunkt nimmt er vom Scheidenteil oder vom Halskanal, seltener von der Gebärmutterhöhle. Während die Krebszellen immer weiter in das gesunde Gewebe der Gebärmutter hinein vordringen, tritt an der Oberfläche der Geschwulst frühzeitig ein Zerfall ein, der jauchigen, mehr oder weniger blutig gefärbten Ausfluß zur Folge hat. Wird der weitern Ausbreitung des Krebses nicht rechtzeitig durch Operation Einhalt getan, so schreitet die Neubildung im weitern Verlauf über die Grenzen der Gebärmutter hinaus zunächst in das benachbarte Beckenbindegewebe vor und kann von hier aus immer weitere Teile des Körpers in Mitleidenschaft ziehen. Werden Blase und Mastdarm vom Krebs ergriffen, so entstehen durch Zerstörung ihrer Wände Fisteln nach der Scheide hin, die mit ihren Folgezuständen den Kranken das Leben zur Qual machen. Meist tritt jedoch schon vorher der Tod durch Erschöpfung ein. Der Gebärmutterkrebs macht sich zu Beginn meist wenig bemerklich. Insbesondere fehlen zu Anfang fast immer die Schmerzen, die die Frauen im weitern Verlauf der Erkrankung veranlassen, zum Arzt zu gehen. So kommt es, daß die meisten, an Gebärmutterkrebs leidenden Frauen zu spät ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, wenn die Ausdehnung der Erkrankung eine Heilung nicht mehr zuläßt. Darum ist es von größter Wichtigkeit, daß die Frauen gerade die ersten, scheinbar geringfügigen Anzeichen des Gebärmutterkrebses genau kennen. Diese bestehen in der Mehrzahl der Fälle in Unregelmäßigkeiten in der Menstruation. Die Regelblutung wird stärker und länger andauernd. Weiterhin kommt es dann auch zu Blutungen in der Zwischenzeit, und schließlich kann der Typus der Menstruation vollkommen verschwinden. Sehr verdächtig sind ferner alle Blutungen, die in den Wechseljahren auftreten, nachdem die Menstruation bereits längere Zeit ausgeblieben war. In andern Fällen stellt sich ohne vorherige stärkere Blutungen ein auffallend reichlicher Ausfluß ein, der bald einen übeln Geruch annimmt und dadurch, daß er zeitweise blutig verfärbt ist, eine sehr charakteristische blutig-wässerige Beschaffenheit (wie »Blutwasser«) erhält. Andre Anzeichen, wie Schmerzen im Unterleib und Kreuz, Abmagerung und Kräfteverfall, pflegen erst viel später aufzutreten, wenn die Krankheit bereits sehr weit vorgeschritten ist. Die einzige Behandlung, die Aussicht auf Heilung bietet, besteht in der operativen Entfernung der krebsig erkrankten Gebärmutter. Diese Operation führt aber nur dann zum Ziel, wenn sie frühzeitig ausgeführt wird, solange sich der Krebs noch im Anfangsstadium befindet. Dazu ist erforderlich, daß die Kranken sofort bei den ersten verdächtigen Anzeichen des Leidens die Hilfe des Arztes in Anspruch nehmen. Leider wird dies in vielen Fällen verabsäumt. Aus Unachtsamkeit oder übelangebrachter Schamhaftigkeit gehen die Frauen meistens erst bei längerm Bestehen der Krankheit zum Arzt, wenn der günstige Zeitpunkt zu ihrer Heilung bereits verstrichen ist. Diesem Umstand ist es vornehmlich zuzuschreiben, daß die operative Behandlung des Gebärmutterkrebses nicht in allen Fällen den gewünschten Erfolg hat. – Literatur s. Art. »Frauenkrankheiten«.

Auch bei den Haustieren, namentlich bei der Kuh, sind G. häufig. Akute Entzündungen mit septischer Infektion im Anschluß an die Geburt verlaufen tödlich. Gebärmuttervorfall entsteht häufig und zwar stets im Anschluß an die Geburt. Chronische Gebärmutterentzündung und Katarrhe entstehen durch Infektion in den ersten 3–4 Tagen nach der Geburt; die Tiere magern ab, geben wenig Milch und werden oft unfruchtbar. Auch das Zurückbleiben der Nachgeburt, die bei Kühen häufig nur durch Kunsthilfe beseitigt werden kann, hat diese Folge.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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