- Tinte
Tinte (v. ital. u. span. tinta, »Farbe«, v. lat. tingĕre, färben), jede zum Schreiben mit der Feder bereitete Mischung. Schreibtinte muß dünnflüssig sein, ohne zu leicht aus der Feder zu fließen, sie darf keinen Bodensatz bilden und nicht dickflüssig, gallertartig werden. Auf der Feder muß sie zu einem firnisartigen Überzug, nicht zu einer bröckligen Masse eintrocknen. Sie darf das Papier nicht mürbe machen, mit dem Alter nicht vergilben, auch die Feder nicht angreifen. Das Schimmeln läßt sich durch eine Spur von Karbolsäure verhindern. Da T. nur unter dem Einfluß der Luft verdirbt, so verdienen Tintenfässer den Vorzug, welche die Berührung der T. mit der Luft möglichst beschränken, wie die artesischen. Diese enthalten einen eingesenkten Trichter, in den immer nur eine sehr geringe Menge T. eintritt, während der Vorrat von der Luft fast vollständig abgeschlossen ist. Auch verschlossene Tintenfässer mit vom Boden seitlich emporsteigendem Halse sind empfehlenswert. Früher benutzte man Tinten aus Ruß (oder einem Farbstoff), Gummi und Wasser, die mit dem Pinsel aufgetragen wurden. Seit dem 3. oder 4. Jahrh. bereitete man eine unsrer alten Gallustinte ähnliche T.
Die alte schwarze Galläpfeltinte (Gallustinte) besteht aus einer mit Eisenvitriol versetzten Abkochung von Galläpfeln und enthält gerbsaures und gallussaures Eisenoxydul und Eisenoxyd. Die Eisenoxydsalze sind unlöslich, daher in der T. nur suspendiert und werden durch den Gummigehalt der T. schwebend erhalten. Wenn die Eisenoxydulsalze an der Luft vollständig in Oxydsalze verwandelt sind und sich zu Boden gesetzt haben, so ist die T. unbrauchbar geworden. Das Nachdunkeln beruht auf der Umwandlung der Eisenoxydulsalze in schwarze Eisenoxydsalze. Mit der Zeit aber wird die Gerb- und Gallussäure der letztern durch den Sauerstoff der Luft ebenfalls oxydiert, und die Schrift vergilbt, indem nur Eisenoxyd zurückbleibt. Die neuern Gallustinten enthalten nur gerbsaures und gallussaures Eisenoxydul. Vorbild derselben war die 1855 von Leonhardi in Dresden erfundene Alizarintinte. Man bereitete sie zuerst mit einem Auszuge von Galläpfeln und Krapp (daher der Name), dem Indigolösung, schwefelsaures und holzessigsaures Eisenoxydul zugesetzt wurde. Später ließ man den Krapp fort, ersetzte auch die Indigolösung durch andre saure Flüssigkeiten und färbte die T. mit kleinen Mengen verschiedener Anilinfarben, damit sie hinreichend farbig aus der Feder fließe; das Nachdunkeln findet durch Oxydation erst auf dem Papier statt. Kanzleitinten erster Klasse sind Gallustinten mit mindestens 30 g Gerb- und Gallussäure und 4 g Eisen im Liter. Eine klare Abkochung von Blauholz oder eine Lösung von Blauholzextrakt mit wenig Soda, dann mit chromsaurem Kali versetzt, gibt eine schön blauschwarze, gut fließende T., die schnell trocknet und die Federn nicht angreift. Blauholztinte ist sehr billig (daher häufig Schultinte), eignet sich auch gut zum Kopieren, doch lassen sich die Schriftzüge leichter vom Papier entfernen als die der Gallustinten. Anilintinten sind Lösungen von Teerfarbstoffen mit wenig Oxalsäure, Gummi oder Zucker. Sie liefern viel weniger haltbare Schrift als Gallus- und Blauholztinten, eignen sich aber gut zum Kopieren und sind sehr billig. Kopiertinten müssen mehr Farbstoff enthalten als gewöhnliche Tinten, auch versetzt man sie mit mehr Gummi und etwas Glyzerin.
Völlig unauslöschliche Tinten gibt es nicht. Auf einem mit Ultramarin gebläuten Papier liefern aber schon viele unsrer gewöhnlichen Tinten große Sicherheit, weil ihre Säure das Ultramarin zerstört und die Schriftzeichen daher auch nach Entfernung der T. sichtbar bleiben; auf Papier, das mit Ultramarin und Chromgelb grün gefärbt ist, genügt jede T., da man die Schriftzüge auf keine Weise mit chemisch wirkenden Mitteln entfernen kann, ohne einen der Farbstoffe zu zerstören. Die T., mit der die Nummern in die preußischen Staatspapiere eingeschrieben werden, ist schwach angesäuerte Galläpfeltinte und enthält noch salpetersaures Silber und chinesische Tusche. Es ist unmöglich, auf dem genannten grünen Papier mit dieser T. Geschriebenes unbemerkbar zu vertilgen. Ist auf weißem Papier Geschriebenes ausgelöscht worden, so gelingt es oft, die Schriftzüge wieder hervorzurufen, wenn man das Papier in ganz schwache Salzsäure taucht und dann in eine konzentrierte Lösung von gelbem Blutlaugensalz legt. Enthielt die T. auch nur wenig Eisen, so treten die Schriftzüge blau hervor.
Als rote T. benutzte man früher eine mit Gummi versetzte Lösung von Karmin in Ammoniak oder einen mit Sodalösung bereiteten, dann mit Weinstein und Alaun versetzten Cochenilleauszug, dem noch etwa Gummi und Alkohol zugesetzt wurde, gegenwärtigs fast nur Lösungen von Teerfarbstoffen (besonders Eosin). Als blaue T. dient eine mit Gummi versetzte Lösung von Anilinblau oder Indigkarmin. Auch eine Lösung von Berlinerblau hält sich sehr gut und greift die Stahlfedern nicht an. Violette T., unter verschiedenen Namen im Handel, ist eine Lösung von Teerfarbstoffen; grüne T. erhält man durch Lösen von Jodgrün in Wasser, sie ist leuchtend blaugrün und kann durch Pikrinsäure nuanciert werden. Gold- und Silbertinte ist eine Mischung von Gummilösung (die etwas Wasserglas enthalten kann) mit Blattgold oder Blattsilber, das auf einer Porphyrplatte mit Honig zerrieben, ausgewaschen und getrocknet wurde. Sympathetische Tinten sind Spielereien, da alle mit ihnen ausgeführten Schriftzüge sichtbar werden, wenn man das Papier stark erhitzt oder mit Kohlenpulver reibt oder mit verschiedenen Reagenzien prüft. Verdünnte Kobaltchlorürlösung gibt unsichtbare Schriftzüge, die beim Erwärmen blau werden und beim Erkalten wieder verschwinden. Enthält die Lösung auch Nickelsalz, so werden die Schriftzüge grün. Schriftzüge mit verdünnten Lösungen von Blei- und Quecksilbersalzen werden durch Schwefelwasserstoff braun oder schwarz, solche mit Kupfervitriollösungen durch Ammoniak schön blau, solche mit Blutlaugensalzlösung auf eisenfreiem Papier durch Eisenoxydsalze blau, solche mit Eisenchloridlösung durch Rhodansalze rot. Beachtung verdienen solche Tinten für den brieflichen Verkehr mit Postkarten. T. zum Zeichnen der Wäsche muß der wiederholten Einwirkung von Seife, Alkalien, Chlor und Säuren widerstehen. Silbertinten liefern recht dauerhafte Schriftzüge, die aber zuletzt auch braun werden und verblassen. Man mischt eine Lösung von Höllenstein (salpetersaures Silber) in Ammoniak mit einer Lösung von Soda und Gummi in destilliertem Wasser und erwärmt die Schriftzüge mit einem Plätteisen, bis sie vollständig schwarz geworden sind. Sehr empfehlenswert ist auch Anilinschwarz (Jetolin etc.). Waren, die der chemischen Bleiche unterworfen werden sollen, stempelt man mit einer innigen Mischung von Eisenvitriol, Zinnober und Leinölfirnis. Auf Weißblech schreibt man mit einer Lösung von Kupfer in Salpetersäure und Wasser. Pflanzenetiketten schreibt man auf blank gescheuertes Zinkblech mit einer Lösung von gleichen Teilen essigsaurem Kupfer und Salmiak in destilliertem Wasser; die Schriftzüge werden bald tiefschwarz und haften sehr fest. T. zur Bezeichnung kupferner und silberner Geräte bereitet man durch Kochen von Schwefelantimon (Spießglanz) mit starker Ätzkalilauge. In Deutschland wurden 1905 eingeführt 1165 dz und ausgeführt 8583 dz T. Vgl. Lehner, Tintenfabrikation (5. Aufl., Wien 1898); Schluttig und Neumann, Die Eisengallustinten (Dresd. 1890); Andés, Schreib-, Kopier- und andre Tinten (Wien 1906); Mitchell und Hepworth, Inks, their composition and manufacture (Lond. 1904); Wattenbach, Das Schriftwesen im Mittelalter (3. Aufl., Leipz. 1896).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.