Brustfellentzündung

Brustfellentzündung

Brustfellentzündung (Pleuritis, Pleuresia), Entzündung des den Brustkorb im Innern auskleidenden und die Lunge überziehenden Brustfelles. Sie entsteht zuweilen nach Verletzung der Rippen und des Brustfelles; häufiger durch Fortpflanzung entzündlicher Prozesse in den Lungen auf das Brustfell. Sehr oft entsteht B. im Anschluß an Erkältungen und schädliche atmosphärische Einflüsse (rheumatische B.), und besonders werden bereits geschwächte Personen, Rekonvaleszenten und solche, die an Brightscher Nierenkrankheit leiden, von der B. befallen. Jedoch sind jene Momente nicht die eigentlichen Ursachen der B., sondern sie begünstigen nur das Eindringen von Entzündungserregern bakterieller Natur. Zu diesen gehören die Pneumoniekokken, die verschiedenen Arten der Eiterkokken und die Tuberkelbazillen. Diese Bakterien können ohne Erkrankung der Lungen in die Brustfellräume gelangen und rufen selbständige B. hervor, auf die sich vorzugsweise die nachfolgenden Angaben beziehen. Die erste Erscheinung der B ist gewöhnlich Schmerz, der oft so stark wird, daß die Kranken nicht imstande sind, tief einzuatmen. Der Schmerz wird durch Husten, Niesen, schnelle Lageveränderung gesteigert. Am schmerzhaftesten und die Einatmung am meisten hindernd ist die B., die den Zwerchfellüberzug befällt. Gewöhnlich besteht quälender Hustenreiz, ohne oder nur mit wenig schleimigem Auswurf. Fieber ist anfänglich meist vorhanden, erreicht aber selten hohe Grade.

Man unterscheidet 1) trockne B., bei der sich das entzündete Brustfell mit einer dünnen Schicht von ausgeschwitztem Faserstoff überzieht. Die dadurch rauh gewordenen Flächen des sonst glatten Rippen- und Lungenfelles reiben sich nun aneinander und verursachen ein eigentümliches Geräusch, das man vernimmt, wenn man das Ohr an den Brustkorb des Patienten anlegt. Diese Form führt zur völligen Heitung oder zu mehr oder minder ausgedehnter Verwachsung der Lungen mit dem Brustfell. 2) Bei schwereren Fällen gesellt sich eine wässerige Ausschwitzung im Brustfellsack hinzu (Pleuritis exsudativa); es sammelt sich Flüssigkeit im Brustkorb, welche die Lungen zusammendrückt und dadurch die Atmung behindert. Dabei wird der Brustkorb ausgedehnt, die Zwischenrippenräume werden abgeflacht oder gar nach außen gewölbt. Durch Beklopfen läßt sich genau die Höhe des Wasserstandes im Brustraum ermitteln; je mehr derselbe steigt, deslo schwächer werden die Atmungsgeräusche, und die leidende Brusthälfte hebt und senkt sich nicht mehr bei der Ein- und Ausatmung. In 7–9 Tagen kann die Flüssigkeit in großer Menge abgesondert sein, sie bleibt dann zuweilen einige Tage stehen und wird im günstigen Fall wieder allmählich aufgesogen. Geschieht dies nicht innerhalb der nächsten 8–10 Wochen, so verliert die Lunge die Fähigkeit, wieder Luft einzuatmen und bleibt für immer verödet. Gewöhnlich bilden sich dann durch Faserstoffgerinnung starke Schwarten, die später schrumpfen und zu einer Einziehung der befallenen Seite, ja zur Verkrümmung der Wirbelsäule führen können. Die Aufsaugung gebraucht meist mehrere Wochen, währenddessen verliert sich das Fieber, es stellt sich Appetit ein, der Urin wird reichlicher und der Atem freier. Die Lunge dehnt sich wieder aus, verwächst aber häufig, nachdem sie das Rippenfell erreicht hat, durch feste Bindegewebsmassen mit der Brustwand. Ist 3) die Ausschwitzung nicht wässerig, sondern eiterig, so tritt hohes Eiterfieber mit morgendlichen Senkungen und abendlichen Steigerungen auf, der Kräfteverfall ist schleuniger, die Gefahr um vieles größer. Bei rechtzeitiger Einleitung der Behandlung ist die Heilung die Regel. Wird die Eiteransammlung chronisch (Eiterbrust, Empyema Pyothorax), so endet die Krankheit nicht selten tödlich. Bricht der Eiter nach der Lunge oder Luftröhre oder nach außen durch, so entsteht eine Brustfellfistel (Thoraxfistel. empyema necessitatis). 4) Die tuberkulöse B. kann wässerig, blutigwässerig oder eiterig sein. Die Differentialdiagnose gegenüber den andern Formen ist durch den Tierversuch (Verimpfen der Flüssigkeit auf Meerschweinchen) möglich. Ost finden sich aber gleichzeitig tuberkulöse Veränderungen der Lungen, welche die Diagnose erleichtern. Die Behandlung der trocknen Form besteht in Ruhighaltung der betreffenden Brusthälfte durch Verbände, Anwendung ableiten der und schmerzstillender Mittel. Ist eine reichliche wässerige Ansammlung oder Eiter in der Brusthöhle vorhanden, so muß unverzüglich die Flüssigkeit entleert werden. Dies geschieht entweder durch Abzapfen mittels eines eingestochenen Trokars (Punktion) oder durch Einschnitt in einen Zwischenrippenraum (Thorakocentese) oder durch Entfernung eines Rippenstückes (Rippenresektion). Die sogen. rheumatischen Brustfellentzündungen werden oft durch innerliche Gaben von Salizylsäure geheilt.

Auch bei den Haustieren kommen die oben aufgezählten Formen der B. vor. Seltener entsteht sie bei Pferden und Hunden selbständig als Folge von Erkältung (rheumatische B.), meist plötzlich mit starkem Fieber, Schüttelfrost, erschwertem und schmerzhaftem Atmen. Häufiger gesellt sich die B. zu Lungenentzündungen (s. Brustseuche und Lungenseuche). Die exsudative B. liefert meist wässerige, gerinnselhaltige Flüssigkeit, die bei Pferden in kurzer Zeit auf 20–50 Liter anwachsen kann. Zur Behandlung der frischen B. empfehlen sich reizende Einreibungen auf die Brustseiten (5proz. Senfspiritus). Bei Flüssigkeitsansammlung ist auch an Pferden der Bruststich (Thorakocentese) auszuführen. Über tuberkulöse B. des Rindes (Perlsucht) s. bei Tuberkulose. Ortlich beschränkte B. (infolge von Rippenbrüchen etc.) verläuft oft unmerklich. Die allgemeine akute B. ist stets lebensgefährlich und bedarf zeitiger Behandlung.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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