- Fulbe
Fulbe (Einzahl Pulo; bei den Mandingo Fulah, bei den Haussa Fellani, bei den Kanuri Fellata), ein durch Mittelafrika weitverbreitetes Volk unbekannter, wahrscheinlich hamitischer Abstammung (Morel, »Affairs of West Africa«, Lond. 1903, hält die F. für Abkömmlinge der Hyksos). Das Gebiet, in dem die F. zerstreut leben und meist das herrschende Volk sind, reicht vom Senegal im W. bis Dar Für im O. und von Timbuktu im N. bis Joruba und Adamáua im S. (s. Karte bei »Guinea«). Am zahlreichsten sind sie in ihren Stammlandschaften Futa Toro, Bondu und Futa Dschallon im W., von wo sie als Eroberer und Träger des Islams ausgingen. Die Gesamtzahl der F. mag 6–8 Mill. betragen. Nach ihrem Körperbau kann man sie in die braunen oder roten und die schwarzen F scheiden; die erstern stammen meist aus Sokoto, die letztern aus Bornu und Adamáua. Im allgemeinen haben sie in ihren Gesichtszügen durch die häufig adlerartige Nase, den sein geformten Mund, das lange, meist seidenartige und nur bei den F. von Futa Dschallon wollartige Haar, endlich durch die meist lichte Hautfärbung große Ähnlichkeit mit den Südeuropäern und sind auch im übrigen schön und kräftig gebaut. Auch ihre geistige Befähigung, Offenheit, Zuverlässigkeit und Bestimmtheit des Charakters, endlich ihr Selbstgefühl, das sich durch eine edle, stolze und ernste Haltung kundgibt, verleihen den F. eine bedeutsame Stellung. Von allen sie umgebenden Völkern das ungebildetste, nahmen die F. schnell alles von den ihnen unterworfenen Völkern an und vervollkommten manchmal die ihnen bekannt gewordenen Künste. Wo sie aber bei ihrer Urbeschäftigung, der Viehzucht, blieben, sind sie noch heute, was sie vor Jahren waren und stehen selbst in dieser primitiven Beschäftigung andern Völkern weit nach. So wissen sie wohl Butter, aber nicht Käse zu bereiten. Ihre Sprache ist in lautlicher und grammatischer Beziehung reich entwickelt. Charakteristisch ist die Bildung des Plurals am Nomen, teilweise auch am Verbum, durch Veränderung der anlautenden Konsonanten; so ist Fulbe der Plural von Pul; Kado, »Sklave«, wird im Plural zu Habe. Die Natur dieser Veränderungen hängt davon ab, welcher der beiden Arten der Substantiva ein Wort angehört, der Klasse der menschlichen Wesen oder der Klasse der Tiere und Dinge. Nach Bleek und Lepsius ist die Sprache der F. naher mit der Nachbarsprache der Woloffen, entfernter mit den Bantusprachen Südafrikas (s. Bantu) verwandt, die eine teilweise analoge Einteilung der Substantiva besitzen; nach Faidherbe und Fr. Müller dagegen steht sie isoliert da. Vgl. Reichardt, Grammar of the Fulbe language (Lond. 1876); Faidherbe, Grammaire et vocabulaire de la langue Poul (2. Aufl., Par. 1882); Guiraudon, Manuel de la langue Foule (das. 1894); Krause, Beitrag zur Kenntnis der fulischen Sprache (in den »Mitteilungen der Riebeckschen Nigerexpedition«, Bd. 1, Leipz. 1884); Vohse, Proben der Fulah-Sprache (in der »Zeitschrift für die afrikanischen Sprachen«, Bd. 1, 1888).
Im J. 1802 machte der Fulbescheich Uthmân dan Fodio (gest. 1817) der politischen Einzelstaaterei der Haussastaaten (s. Haussaländer) ein Ende, indem er sie zu einem einheitlichen Sultanate zusammenschweißte. Im Laufe der Jahrhunderte vorher hatten sich die F., einst als bedeutungslose Rinderhirten wenig beachtet, vermöge ihrer höhern geistigen Spannkraft, die mit einer leidenschaftlich geübten Erfüllung der religiösen Gebote gepaart war, von ihren ursprünglichen Sitzen am obern Senegal aus ostwärts durch den Sudân bis über den Tschadsee hinaus verbreitet; den Eroberungskrieg gegen die auch mohammedanischen, aber gleichgültigen Haussa faßten sie als Glaubenskampf auf und führten ihn demgemäß durch. Nach der Unterwerfung blieben die Verhältnisse der nunmehrigen Provinzen im ganzen unverändert; nur wurden die alten Haussadynastien nunmehr durch fulbische Fürsten ersetzt. Über den Einzelstaaten aber türmte sich als Neuheit die das Ganze umspannende Kaisermacht auf, die ihren Sitz in dem neuerbauten Sokoto nahm, von der das Fulbesultanat denn auch den Namen erhalten hat. Die fulbischen Provinzfürsten verwalten ihre Länder selbst und bekunden ihre Vasallität lediglich durch Heeresfolge und Jahrestribut an Sokoto. Hinsichtlich der Schicksale der einzelnen Fulbestaaten (Kano, Katsena, Gobir, Kebi, Zaria, Bautschi) seit 1817 und der Sultane von Sokoto nach Uthmân dan Fodio (gegenwärtig regiert seit Sommer 1902 Tsâhirn, ein Urenkel des Reichsgründers) s. die betreffenden Artikel. Vgl. Mischlich und Lippert, Beiträge zur Geschichte der Haussastaaten (in den »Mitteilungen des Seminars für orientalische Sprachen zu Berlin«, 1903).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.