- Knospe
Knospe, bei den Tieren ein Teil des Körpers, woraus ein neues Individuum hervorgeht und mit dem elterlichen Tier in Zusammenhang bleibt, oder sich von ihm loslöst (s. Fortpflanzung, S. 794). Im Gegensatz zum Ei besteht die K. aus vielen Zellen, und zwar beider oder dreier Keimblätter (s. d.), wenn es sich um ein dreischichtiges, d. h. mit Mesoderm versehenes Tier handelt. Die Fortpflanzung durch Knospen, die Knospung, ist eine Art der ungeschlechtlichen Vermehrung (s. Fortpflanzung) und kommt bei Wirbellosen, besonders bei niedern Formen (Schwämmen, Cölenteraten) häufig vor, findet sich aber auch noch bei den Moostierchen und Manteltieren. Sie führt sehr oft zur Bildung von umfangreichen Kolonien (z. B. bei den Korallen); das durch Knospung erzeugte Junge braucht dem elterlichen Tier nicht zu gleichen, so erzeugen die festsitzenden Hydroidpolypen durch Knospung frei schwimmende Quallen. Von der Teilung unterscheidet sich die Knospung hauptsächlich dadurch, daß die Teilstücke nicht wie dort ungefähr gleich, sondern die K. viel kleiner und unvollkommener organisiert ist als das Elterntier.
In der Botanik ist K. (Auge, Gemma) das Jugendstadium eines Pflanzensprosses, in dem die wesentlichsten Teile bereits angelegt, aber noch nicht entwickelt sind. Man unterscheidet an der K. die Knospenachse, die an ihrer Spitze den zur Neubildung befähigten Vegetationspunkt (s. d., Knospenherz, Stammscheitel) trägt, und die Blattanlagen (Fig. 3). Die letztern sind entweder alle noch im unentwickelten Zustand vorhanden (nackte Knospen, z. B. bei Rhamnus, Viburnum), oder ein Teil derselben am Knospengrund hat sich zu schuppenförmigen Niederblättern (Knospenschuppen, Knospendecken, squamae s. perulae, tegmenta) umgebidet, welche die zartern Teile der K. schützend umhüllen. Der Schutz, den die Knospenschuppen gegen starke Abkühlung und Austrocknung gewähren, wird häufig noch durch einen Überzug der K. von Harz, Gummi, Wachs u. dgl. oder durch Haarbewuchs erhöht. Bisweilen wird die K. auch ganz oder teilweise von dem stehenbleibenden Blattgrund eines Blattes eingehüllt (Interpetialarknospen, z. B. Robinia Philadelphus u. a.). Die Ausgestaltung der K. ist einerseits von der gegenseitigen Lage der Blätter (Deckung, aestivatio, foliatio, praefoliatio), anderseits von der Lagerung der Teile des einzelnen Blattes (Knospenlage, vernatio) abhängig. Bezüglich der erstern unterscheidet man die offene Deckung (aestivatio aperta), wenn sich die Blattränder in der K. nicht berühren, die klappige Deckung (ae. valvata), wenn die Blattränder wie die Klappen einer Kapsel aneinander liegen, und die dachige Deckung (ae. imbricata), wenn die Blattränder übereinander greifen.
Das einzelne Blatt ist bezüglich seiner Knospenlage entweder flach (vernatio plana) oder längs der Mittelrippe zusammengelegt (v. conduplicata), längs mehrerer Nerven gefaltet (v. plicata), verschieden gerollt (v. involuta, revoluta, convoluta, circinata) oder zerknittert (v. corrugata). Nach der Lage, welche die K. am Sproß einnimmt, unterscheidet man die Terminalknospe (gemma terminalis, Gipfel-, Haupt- oder Endknospe), die die Sproßspitze einnimmt (Fig. 1 bei g), und Seitenknospen (gemmae laterales, Fig. 1 bei s), die seitlich an der Sproßachse in der Achsel eines Blattes angelegt werden und in bezug darauf als Achselknospen (gemmae axillares) bezeichnet werden. In der Regel steht in der Achsel eines Blattes, das in seiner Beziehung zu der K. als Deckblatt (Trag-, Stütz-, Mutterblatt) bezeichnet wird, eine einzige Achselknospe, doch finden sich gelegentlich, z. B. bei Lonicera, Gleditschia u. a., noch eine oder mehrere neben oder über derselben; diese werden Neben- oder Beiknospen (gemmae accessoriae) genannt. Die Achselknospen bedingen die Verzweigung des Hauptsprosses, Stämme, die keine Seitenknospen entwickeln (die meisten Palmen, Zykadeen, Baumfarne), bleiben unverzweigt. Anderseits schlägt bei manchen Pflanzen die Gipfelknospe regelmäßig fehl, und die zunächst darunter folgende Seitenknospe setzt den Zweig fort, z. B. bei der Linde, Ulme, Heinbuche, Haselnuß; bei Syringa (Fig. 2) endigt der gipfelknospenlose Zweig mit zwei gegenständigen Seitenknospen. Eigentliche Gipfelknospen haben z. B. Eiche, Roßkastanie, Pappel, Ahorn. Knospen, die nicht in regelmäßiger Abhängigkeit von der Blattstellung angelegt werden, sondern regellos an ältern Pflanzenteilen auftreten, werden als Adventivknospen (gemmae adventitiae) bezeichnet. Dahin gehört der Wurzelausschlag (Wurzelbrut), d. h. Knospen, die an den Wurzeln von Pappeln, Sauerkirschen und auch bei manchen krautartigen Pflanzen, wie Taraxacum, Sonchus u. a., auftreten. Auch die aus dem Überwallungswulst des stehenbleibenden Stumpfes gefällter Erlen, Pappeln etc. hervorbrechenden Sprosse (Stockausschlag) sind auf Adventivknospen zurückzuführen. Dagegen gehen die an ältern Teilen der Baumstämme sich bildenden Laubtriebe meist aus schlafenden Augen (Schlafaugen) hervor, d. h. aus regelmäßig angelegten Achselknospen, die, auf frühem Entwickelungsstadium stehen bleibend, von der Stammrinde überwallt wurden und erst nach jahrelanger Ruhe zur Entwickelung kommen. Je nach der Art des Sprosses, der aus der K. hervorgeht, unterscheidet man: Blattknospen (gemmae foliiparae), die zu einem blütenlosen Laubtriebe werden, und gemischte Knospen (gemmae mixtae, Fruchtaugen, Tragknospen), die Anlagen von Laubblättern und Blüten enthalten. Als Blütenknospe (alabastrum) wird die noch geschlossene Einzelblüte bezeichnet. Ein besonderes biologisches Verhalten zeigen die Winterknospen (hibernacula) mancher einheimischen Wasserpflanzen, wie Myriophyllum, Utricularia, Potamogeton u. a., indem sie sich von der Sproßachse loslösen und zu Boden sinken, um im Schlamm am Grunde der Gewässer, gegen Frost geschützt, zu überwintern, während der sie erzeugende Sproß zugrunde geht. Vgl. Simon, Die Knospen der bekanntesten deutschen Laubholzbäume und Sträucher (Marburg 1902).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.