Rumänen

Rumänen

Rumänen (Români), im ethnographischen Sinn auch Walachen genannt s. »Völker- und Sprachenkarte« bei Europa [Bd. 6, S. 180] und »Ethnographische Karte von Österreich-Ungarn« (Bd. 15, S. 178 f), wohnen in ihrer Hauptmasse im Königreich Rumänien, das jetzt etwas über 6 Mill. Bewohner zählt, wovon aber etwa 600,000 Nichtrumänen (Juden, Bulgaren, Sekler und Tschango, Russen, Deutsche, Tataren, Gagautsi, Türken, Griechen, Zigeuner, Armenier) abzurechnen sind. Am buntesten ist das Völkergemisch in der Dobrudscha, wo aber jetzt schon die Rumänen die absolute Majorität bilden, am reinsten ist die Bevölkerung in der Kleinen Walachei. Auffallend ist der große Prozentsatz von Fremden in Bukarest und in den Donaustädten, in der Moldau überwiegt sogar in der Mehrzahl der Städte das jüdische Element. In Rußland, im Gouv. Bessarabien, ist der Norden und das Zentrum ganz vorwiegend rumänisch, auch in den Gouvernements Cherson, Jekaterinoslaw und Taurien gibt es genug R., deren Zahl im ganzen auf 11/2 Mill. kommen kann. In Ungarn ist das Banat und Siebenbürgen vorwiegend rumänisch, auch im Arader Bezirk und in der Maramaros sind sie zahlreich, die Statistik zähst 1900, 2,800,000 R., das ist 14,5 Proz. der gesamten Bevölkerung; dazu kommen noch 229,000 R. in der Bukowina, wo sie ebenso wie im nördlichen Ungarn Terrain an die Ruthenen, bez. Magyaren verlieren, wenn auch sonst das Wachstum der Volksmenge ganz bedeutend zunimmt, und sie die Serben, Deutschen und Magyaren sich leicht assimilieren oder doch verdrängen. Nach S. über die Donau haben sich die R. mächtig verbreitet, so in Serbien, das nach der amtlichen Statistik (Bd. 13, 1899) namentlich im NO. des Landes 160,167 R. zählt, denen aber noch 36,490 zuzuzählen sind, die bereits Serbisch sprechen, also im ganzen gibt es dort 196,657; außerdem leben 8595 Rumänisch sprechende Zigeuner in Serbien. In Bulgarien wohnen R. in kompakter Masse im Widiner Bezirk, vom Timok bis Widin, dann längs der Donau von Akčar bis Nikopol, ferner in Turtukaia und bei Silistria; ihre Gesamtzahl betrug nach der amtlichen Statistik von 1900: 80,000 Seelen. Die Gesamtzahl aller R. beträgt also über 10,200,000 Seelen, wovon fast die Hälfte außerhalb des Nationalstaates wohnt. Über die übrigen Stämme, die nach der Sprache den R. zuzurechnen sind, siehe unter Rumänische Sprache, woselbst auch das nötigste über die Herkunft gesagt ist.

Es ist auffallend, daß trotz der intensiven Mischung mit andern Nationen sich ein leicht zu unterscheidender rumänischer Typus erhalten hat, der dem römischen gewiß nicht fernsteht, was nicht der Fall sein könnte, wenn die rumänische Nation sich aus romanisierten Daciern in Dacien gebildet hätte, das ja die Römer aufgegeben hatten. Die brünetten, schwarzäugigen, untermittelgroßen R. mit dem elastischen Gange heben sich scharf von Magyaren, Russen und Deutschen ab; unter den Bulgaren freilich kommt derselbe Typus häufig genug vor, aber doch ist meist, namentlich bei den Frauen, die breitere Gesichts- und plumpere Körperform der Bulgaren ein leichtes Unterscheidungsmittel. Von Charakter ist der rumänische Bauer außerordentlich heiter, sorglos und witzig, geduldig und demütig, freilich auch diebisch und lügnerisch, doch das sind die Folgen der seit Jahrhunderten auf ihm lastenden Knechtschaft, die auch heute noch andauert; daher erklärt sich auch sein Mißtrauen allem Unbekannten gegenüber. Da, wo Aussicht auf Besserung der Lage ist, kann man, wie das oft geschieht, den R. durchaus nicht faul nennen, er hält zäh am Hergebrachten, nur mit Schwierigkeit ist er zu Änderungen in seinen Lebensgewohnheiten und Arbeitsmethoden zu bewegen. Es ist das um so auffallender, als er sich einer sehr raschen Auffassungskraft und großen Intelligenz erfreut. Das sieht man auch darin, daß die erst vor wenigen Jahren auf Initiative von Volksschullehrern eingerichteten Volksbanken einen ganz ungewöhnlich raschen Aufschwung genommen haben, so daß deren bereits über 1800 im Lande vorhanden sind, die jetzt unter Aussicht der Regierung stehen und für die Bauern ein Segen sind. Der Bauer begnügt sich mit Mamaliga, einem Brei aus Maismehl und Wasser und Salz, dazu Zwiebel, Obst oder Käse; seltener kommen Bohnen und Kraut auf seinen Tisch, Fleisch fast gar nicht, eher noch Fisch und Speck. Aber er trinkt gern, auch über den Durst. Seine Wohnung und seine Geräte und Möbel sind äußerst primitiv; in der Donauebene leben viele noch heute in Hütten, die in die Erde eingegraben sind, sogen. Bordei. Einfach ist seine Kleidung. Das Hemd mit Gürtel und Leinenhose bei dem Manne, Hemd und Schürze bei der Frau genügen ihnen vollständig in der warmen Jahreszeit. In der Festtagskleidung freilich wird oft ein ziemlich großer Luxus entfaltet, doch ist die Tracht der meisten Gegenden vollständig voneinander verschieden. Trotz des obligatorischen Schulunterrichts besteht die große Masse des Volkes noch aus Analphabeten; die Religion hat wenig Einfluß auf sie ausgeübt, sie ist ihr etwas Äußerliches; krasser Aberglaube ist überall, selbst in den Städten, noch verbreitet. Für das politische Leben hat der Bauer wenig Sinn, er wählt auf Kommando, daher auch die überwältigende Mehrheit der jeweiligen Regierungspartei. In den Städten ist das Leben vollständig abweichend: da herrschen Luxus und Eleganz und Verschwendungssucht bei Bürgern und Beamten. Die reichen Bojaren, die Großgrundbesitzer, verbringen ihre Zeit lieber im Ausland als in der Heimat, viele sprechen lieber Französisch als ihre Muttersprache. In der jüngern Generation macht sich jetzt eine Gegenströmung geltend, die vor allem national sein will und auch erkannt hat, daß in der sozialen, kulturellen und materiellen Hebung des Bauernstandes die Zukunft des Landes liegt. Vgl. das sehr instruktive Werk von De Martonne, La Valachie (Par. 1902); ferner: Vlahuţā, La Roumanie pittoresque (Bukarest 1903); Benger, Rumänien, ein Land der Zukunft (Leipz. 1896).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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