- Nîmes
Nîmes (spr. nīm'), Hauptstadt des franz. Depart. Gard, 46 m ü. M., am Südabhang einer Hügelkette in einer fruchtbaren Ebene gelegen, Knotenpunkt der Lyoner Bahn, hat hübsche Boulevards, welche die alten Stadtmauern ersetzen, einen schönen Hauptplatz (Esplanade) mit monumentaler Fontäne (Statuen von Pradier), eine öffentliche Anlage (Promenade de la Fontaine), Denkmäler des Kaisers Antoninus Pius, des Dichters Reboul und des Afrikareisenden P. Soleillet, ferner an hervorragenden Gebäuden eine Kathedrale Notre-Dame und St.-Castor, eine Kirche St.-Paul (1840–50 im romanischen Stil erbaut) mit Fresken von Flandrin, die gotischen Kirchen Ste. – Perpétue (1864) und St.-Baudile (1870–75), eine große reformierte Kirche, einen Justizpalast mit korinthischer Säulenhalle, ein Zentralgefängnis (1687 als Zitadelle erbaut), ein Theater und ein allgemeines Krankenhaus. Die Stadt zählt (1901) 77,042 (als Gemeinde 80,605) Einw. (darunter etwa 16,000 Protestanten). Die Industrie umfaßt insbes. die Fabrikation von Teppichen und Tischdecken, Schals und Möbelstoffen, Seidenhüten und Seidenhandschuhen, Foulards, Schnüren und Borten, Nähseide und Wirkwaren, Konfektion von Herrenkleidern, Gerberei, Schuhfabrikation und die metallurgische Industrie, welch letztere namentlich Eisenbahnmaterial liefert. Die Hauptgegenstände des regen Handels sind: Wein und Branntwein, Seide und Kolonialwaren. Von Unterrichts- und Bildungsanstalten besitzt N. ein Lyzeum, ein katholisches Priesterseminar, eine Lehrer- und eine Lehrerinnenbildungsanstalt, eine Musikschule, eine städtische Bibliothek (80,000 Bände und 200 Manuskripte), ein Museum für Kunst und Altertümer, ein Naturalienkabinett, eine Akademie und mehrere andre wissenschaftliche Gesellschaften. N. ist Sitz des Präfekten, eines Bischofs und eines reformierten Konsistoriums, eines Appellhofs, eines Assisengerichts, eines Handelsgerichts, einer Ackerbau- und einer Handelskammer, einer Börse und einer Filiale der Bank von Frankreich. Für den Lokalverkehr besteht eine Pferdebahn. Stadt und Umgegend sind reich an Denkmälern aus dem römischen Altertum, darunter das berühmte wohlerhaltene Amphitheater (les Arènes), das eine Längenachse von 103 m und eine Höhe von 22 m hat, 24,000 Zuschauer faßte und gegenwärtig zu verschiedenen Aufführungen, auch zu Stiergefechten, benutzt wird (s. Tafel »Architektur V«, Fig. 1 u. 2), wahrscheinlich unter Antoninus Pius erbaut; ferner die sogen. Maison carrée, ein trefflich erhaltener Tempel (25 m lang, 12 m breit und 12 m hoch) im korinthischen Stil aus der Zeit des Augustus, in dem sich jetzt das Altertümermuseum befindet; der Dianatempel, ein Nymphäum aus der Zeit des Augustus, die Tour Magne, ein 30 m hoher, achteckiger Turm, das Augustustor und die Porte de France; Reste antiker Stadtmauern; das Wasserbassin, dem früher durch den Aquädukt Pont du Gard (s. Gard) das Wasser zugeführt wurde (gegenwärtig wird die Stadt durch einen Kanal aus der Rhone mit Wasser versorgt); Skulpturwerke, Inschriften u.a. N. ist Geburtsort von I. Nicot, der die Tabakpflanze in Frankreich einführte, des Volksdichters Reboul, der Staatsmänner Guizot und Crémieux, der Schriftsteller Ernest und Alphonse Daudet und des Afrikareisenden P. Soleillet. – N. hieß bei den Kelten Nemausus (»Heiligtum, Tempel«) und war Hauptstadt der Volcae Arecomici in der Provincia Narbonensis. 465 n. Chr. ward sie von den Westgoten, 507 von den Franken, 725 von den Sarazenen erobert und bis zu Pippins Zeiten behauptet. Nachdem N. zum fränkischen Reiche gekommen, regierten daselbst »vicecomites« (Vicomtes), die unter den Herzogen von Septimanien standen. Im 10. Jahrh. machten sich diese unabhängig und führten seitdem den Titel Grafen. Nachdem der König von Aragonien als Lehnsherr N. an sich gezogen, eroberte es 1226 König Ludwig VIII. von Frankreich, und 1259 trat es Jakob von Aragonien an Ludwig IX. förmlich ab. Im 16. Jahrh. war N. eine der Hauptstädte der Hugenotten; trotz aller Friedensversuche herrschte seitdem ein schroffer Gegensatz zwischen den katholischen und protestantischen Einwohnern, der oft zu blutigen Kämpfen und in den Zeiten der Reaktion zu Verfolgungen der Protestanten führte, so 179 lu. 1815, wo die royalistischen Bandes Verdets in N. grausame Gewalttaten verübten, und 1830. Vgl. Ménard, Histoire de la ville de N. (Nîmes 1875, 7 Bde.); Germer-Durand, Découvertes archéologiques faites à N. 1869–1872 (das. 1870–76,5 Hefte) und Inscriptions antiques de N. (Toulouse 1895); Pieyre, Histoire de la ville de N. depuis 1830 (Nîmes 1886–88, 3 Bde.); Bazin, N. gallo-romain (das. 1892); Boulenger, Les Protestants à N. an temps de l'Edit de Nantes (Par. 1904); Peyre, N., Arles et Orange (kunstgeschichtlich. das. 1903).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.