- Messīna [2]
Messīna, Hauptstadt der gleichnamigen ital. Provinz (s. oben), nach Palermo die bedeutendste Stadt Siziliens, zugleich einer der hervorragendsten Handelsplätze Italiens und wichtige Festung, liegt malerisch am Fuß des Peloritanischen Gebirges, an der Meerenge von M. (s. den folgenden Artikel), an den Eisenbahnen M.-Catania und M.-Palermo sowie an den Dampfstraßenbahnen M.-Barcellona und Giampilieri-M.-Faro und steigt von der Küste amphitheatralisch gegen die Abhänge der bebauten Berge hinan. Eine sichelförmige, durch Anschwemmung entstandene Landzunge bildet ein wohlgeschütztes und tiefes Hafenbecken. Auf der Landzunge erheben sich im S. die (zur Abtragung bestimmte) Zitadelle, zwei Leuchttürme und an der Nordspitze das Fort San Salvatore. Die Höhen westlich von der Stadt werden von den Forts Gonzaga und Castellaccio gekrönt. Die nach dem Erdbeben von 1783 zum großen Teil neuerbaute Stadt hat schöne Plätze, breite, mit Lavaquadern gepflasterte Straßen mit Springbrunnen, ansehnliche Kirchen und elegante Paläste. Der Corso Cavour teilt sie in die See- und die Hügelstadt. Parallel mit dieser Straße laufen in der Seestadt die über 1,5 km langen, mit schönen Palästen gezierten Straßen Via Garibaldi und Corso Vittorio Emanuele, letzterer längs des Hafens, mit einem Neptunbrunnen von Montorsoli (1557) und herrlicher Aussicht. Die schönsten Plätze sind die Piazza del Duomo mit einem monumentalen Marmorbrunnen, von Montorsoli (1551), und die Piazza dell' Annunziata mit dem Denkmal Don Juan d'Austrias (1572). Die bedeutendsten unter den mehr als 80 Kirchen sind die aus der Normannenzeit (1197) stammende, in späterer Zeit vielfach veränderte Kathedrale, mit Marmorfassade, drei gotischen Portalen, antiken Säulen von ägyptischem Granit, Mosaiken aus dem 14. Jahrh. und prunkvollem Hochaltar; Santa Annunziata dei Catalani, die älteste Normannenkirche der Stadt, neuerdings restauriert; San Francesco (13. Jahrh.) und San Gregorio (16. Jahrh.). Ferner sind zu nennen: das Stadthaus (1829), die Villa Rocca Guelfonia (an der Stelle der alten Normannenburg) mit herrlicher Aussicht, das Bürgerspital (aus dem 16. Jahrh.), die Markthalle, das große Theater Vittorio Emanuele (von 1850), die Paläste Brunaccini, Grano u. a. Die Zahl der Einwohner beträgt (1901) 93,672, mit Einschluß des ausgedehnten Gemeindegebiets 149,778. Die Industrie, im ganzen nicht bedeutend, besteht hauptsächlich in Seidenspinnerei und -Weberei, Gerberei, Verfertigung von Korallenarbeiten und Essenzen aus Limonen, Orangen etc. sowie Seefischerei. Von größerer Wichtigkeit sind Schiffahrt und Handel. Der Hafen ist einer der schönsten und sichersten aller Länder und faßt 1000 Schiffe. An seinem Südende liegt der Bahnhof. 1902 sind im Hafen von M. 3427 handelstätige Schiffe von 1,970,755 Ton. ein- und 3422 Schiffe von 1,971,439 T. ausgelaufen. Von dem gesamten Tonnengehalt der eingelaufenen Schiffe kommen auf den internationalen Verkehr 377,205, auf den Küstenverkehr 1,593,550 T. 2706 der eingelaufenen Schiffe mit 1,218,873 T.
Gehalt gehörten der italienischen Flagge, 721 Schiffe mit 751,882 T. einer fremden Flagge an. Unter den letztern waren am stärksten die englische (mit 262,343 T.), die österreichisch-ungarische (mit 252,175 T.) und die deutsche (mit 128,203 T.) vertreten. Der Warenverkehr zur See betrug 1902: 311,180 T. im Wert von 65,3 Mill. Lire. In der Einfuhr (Wert: 21,2 Mill. Lire) sind die wichtigsten Artikel: Weizen, Steinkohle, Fische, Bauholz, Bausteine, Petroleum, Eisen, Stahl, rohe Häute und Leder, Farb- und Gerbstoffe; in der Ausfuhr (Wert: 44,1 Mill. Lire): Agrumen (Orangen, Zitronen, Zedrat), Orangenessenz, Weinstein und Weinhefe, Zedrat- und Zitronensaft, Olivenöl, Mandeln, Nüsse und Haselnüsse, Gips, Kalk, Bimsstein. M. hat eine 1549 gegründete Universität mit vier Fakultäten und pharmazeutischer Schule, ein Priesterseminar, Lyzeum, Gymnasium, zwei technische Schulen, ein technisches Institut, eine nautische Schule, ein Militärkollegium, eine Akademie für Wissenschaften und Künste und ein Kunstmuseum (mit Gemälden Antonellos von M. und mehrerer Meister der Messineser Malerschule des 16. und 17. Jahrh.). Es ist Sitz des Präfekten, eines Erzbischofs, eines Appellhofs, Handelstribunals, eines deutschen sowie mehrerer andrer auswärtiger Konsulate und hat eine Frauenstrafanstalt. Schöne Punkte in der Umgebung sind der Friedhof, das Kapuzinerkloster und der Leuchtturm an der Punta del Faro (s. d.).
Geschichte. M. hieß wegen der Form der den Hafen umschließenden Landzunge im Altertum Zankle (d. h. Sichel) und wurde nach 735 v. Chr. von der südlich gelegenen Stadt Naxos und von euböischen Kolonisten gegründet. Der Ort wurde bald so blühend, daß er selbst Kolonien (Himera und Mylä) aussenden konnte. Nach 493 eroberte Anaxilas von Rhegium, ein Messenier, die Stadt und nannte sie Messana (Messene). Sie hob sich durch lebhaften Handel und Schifffahrt, bis sie 396 von den Karthagern zerstört wurde. Dionysios begann den Wiederaufbau der Stadt. Nach der Vertreibung Dionysios' II. auf kurze Zeit frei geworden, fiel M. schon 312 wieder in die Hände des Agathokles. Nach dessen Tode bemächtigte sich der Stadt um 284 ein Hause Mamertiner (s. d.), nach denen sie Mamertina genannt wurde. Die Raubzüge der neuen Bewohner wurden 264 die nächste Veranlassung zum Ausbruch des ersten Punischen Krieges. Die Stadt ging darauf in die Hände der Romer über und teilte nach dem Untergang des weströmischen Reiches die Schicksale Siziliens. 831 ward M. von den Sarazenen erobert, 1038 von den Griechen auf einige Zeit wiedergewonnen, 1061 aber von den Normannen den Sarazenen endgültig entrissen. Dem in Palermo ausgebrochenen Aufstand der Sizilianischen Vesper schloß sich M. 28. April 1282 an. 1674 erhob sich die Stadt gegen die harte spanische Regierung; die Aufständischen riefen die Franzosen zu Hilfe, die 1676 die Spanier in einer großen Seeschlacht besiegten. Aber schon 1678 mußten die Franzosen die Stadt wieder räumen. 1713 ward M. von dem Herzog von Savoyen besetzt, 1718 wieder von den Spaniern erobert, 1719 von den Kaiserlichen und 1735 abermals von den Spaniern eingenommen. Eine furchtbare Pest entvölkerte 1743 die Stadt, das Erdbeben von 1783 legte sie halb in Trümmer, und 1823 ward sie durch Überschwemmung verwüstet. In den Unruhen 1. und 2. Sept. 1847 kam es zum Straßenkampf zwischen Volk und Militär. Neue Aufstände und blutige Kämpfe erfolgten 1848, wo die Stadt mehrmals vom Kastell Terranuova aus bombardiert wurde. Im Oktober ward M. von den neapolitanischen Truppen besetzt. Bei der von Garibaldi geleiteten Insurrektion von 1860 war M. die letzte Stadt, in der sich die Neapolitaner behaupteten; die Zitadelle ward sogar erst 12. Febr. 1861 übergeben. Vgl. Salomone, Le provincie siciliane, Bd. 3 (Acireale 1888).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.