- Manchester [2]
Manchester (spr. männtschester), Stadt (city) und Grafschaft im nordwestlichen England, liegt am Fuße des südlichen Abhanges einer Hügelkette, die sich von Oldham her zwischen die Täler des Irwell und des Medlock drängt, und deren letzte Spitze, Kersall-Moor, die Rennbahn der Stadt bildet. Das eigentliche M. dehnt sich auf dem linken Ufer des Irwell aus, zwischen diesem Fluß und den beiden kleinern Irk und Medlock, die sich hier in jenen ergießen. Außer diesem eigentlichen M. umfaßt die Grafschaft M. im O. Rusholme und Teile der Kirchspiele Gorton und Withington, ferner Openshaw und Ardwick, im S. Chorlton, einen Teil von Moß Side, Hulme, im N. Bradford, Newton, Beswick, Cheetham, Crumpsall, Moston, Harpurhey, Blackley und einen Teil von Droylsden. In diesem Umfang hat die Grafschaft M. 52,3 qkm mit (1901) 543,872 Einw. Wenn man die auf dem rechten Irwellufer belegene Stadt und Grafschaft Salford (zu der auch die Orte Pendleton und Broughton gehören) hinzurechnet, hat die Doppelstadt M.-Salford auf 73,4 qkm eine Bevölkerung von 764,829 Seelen (Zunahme gegen 1891: 61,322 Seelen). Nächst London ist M. demnach die volkreichste Stadt von England. Die Straßen sind im allgemeinen unregelmäßig, eng und unbequem; in neuerer Zeit wurde jedoch viel zu ihrer Verschönerung getan.
Das Zentrum mit seinen Hauptstraßen, wie Market Street, enthält den ausgedehnten kaufmännischen Bezirk, fast nur aus Kontoren und Warenhäusern bestehend und mit den prächtigsten Läden geziert; die Vorstädte, größtenteils von Arbeitern bewohnt, dehnen sich nach allen Richtungen aus und haben viele schöne Häuser, große Gärten der reichen Kaufleute und Fabrikanten, besonders in Chorlton und Ardwick und auf den Höhen von Cheetham Hill, Broughton und Pendleton. Fünf öffentliche Parke liegen an den äußern Grenzen der Stadt. Eine 1857 vollendete Wasserleitung versieht die Stadt aus dem 25 km entfernten Longdendate mit Wasser; da sie aber bei den zahlreichen Fabriken dem Bedürfnis nicht genügt, so hat die Stadt 1885–94 neue Wasserwerke am Thirlemere in Cumberland angelegt. Von den zahlreichen Kirchen ist die protestantische Kathedrale im gotischen Stil mehr ihres Alters wegen (sie stammt aus dem 15. Jahrh.) als aus sonstigen Gründen merkwürdig und wird an Stattlichkeit bei weitem von der neuen katholischen Kathedrale in Salford übertroffen. Dem Reichtum der Stadt entspricht die Pracht einiger ihrer öffentlichen Bauten. Das 1868–77 in gotischem Stil mit einem Aufwand von mehr als 1 Mill. Pfd. Sterl. erbaute neue Rathaus, mit 73 m hohem Uhrturm und Fresken zur Geschichte der Stadt von Madox Brown, ist wohl das schönste Gebäude dieser Art in England. Ihm steht ebenbürtig zur Seite der von demselben Architekten, A. Waterhouse, 1864 errichtete Gerichtshof (Assize Court). Auch die neue Börse und das Generalpostamt, beide im italienischen Renaissancestil 1869, bez. 1884 errichtet, die im lombardo-venezianischen Stil 1856 erbaute Free trade Hall (Freihandelshalle, 6000 Personen fassend), an Stelle der kleinen Halle errichtet, in der einst Cobden und Bright ihre freihändlerischen Ansichten verfochten, und das 1884 neuerbaute Owens College in Oxford Street, das 1887 durch die Beyer-Laboratorien und ein naturhistorisches Museum ergänzt wurde, sind stattliche Bauten. Denkmäler sind zahlreich. Eine Statue Prinz Alberts steht auf dem Albert Square, daneben die von Bischof Fraser, John Bright und Oliver Heywood; diejenige Cobdens an der Börse, während vor dem großen Krankenhaus (Royal Infirmary) die Bildsäulen von Wellington, Peel, Dalton und Watt aufgestellt sind. M. ist mehrs Handels-als Fabrikstadt, doch ist auch die Zahl der Fabriken, namentlich in den Vorstädten, recht bedeutend. In M. (mit Salford) waren 1901 von der männlichen Bevölkerung von mehr als 10 Jahren 86,3 Proz., von der weiblichen von mehr als 10 Jahren 39,1 Proz. erwerbstätig. Davon arbeiteten 27,159 Personen (davon 20,276 weibliche) in Baumwollfabriken, 7330 in Kattundruckereien, Bleichen und Appreturwerken, 29,018 in Maschinenbaustätten, 5213 in Werkzeug- und Waffenfabriken, 3403 beschäftigten sich mit der Herstellung von Fahrrädern und Wagen, 1137 mit der Glas- und Porzellanfabrikation, 5434 mit der Fabrikation von Chemikalien, Öl und Seife. Außerdem sind noch bedeutend die Fabrikation von Gummi- und Guttaperchawaren, wasserdichten Stoffen, Modeartikeln, Papierwaren, Hüten, Tabak etc. Unter den dem Handel gewidmeten Anstalten sind zu nennen: die Börse, die Kornbörse, das Zollamt, zehn bedeckte Markthallen und ein Viehmarkt. M. hat einen Hafen und nimmt seit der Vollendung des großen Schiffskanals nach Liverpool einen hervorragenden Platz unter den Seehäfen Englands ein. Im Seehandel betrug der Wert der Einfuhr (Baumwolle, Getreide, Erze und Metalle), der sich seit 1896 verdreifacht hat, 1903: 20,014,086 Pfd. Sterl., der der Ausfuhr britischer Produkte (besonders Baumwollgarn und -Gewebe, Maschinen) 8,805,813 Pfd. Sterl., von ausländischen und Kolonialprodukten 439,885 Pfd. Sterl. Zum Hafen gehörten 1903: 70 Seeschiffe von 51,371 Ton. 1903 liefen 3077 Schiffe von 1,516,391 T. ein, 3152 von 1,576,951 T. aus. M. ist Sitz eines deutschen Konsuls. Unter den zahlreichen Wohltätigkeitsanstalten nimmt das bereits erwähnte Royal Infirmary den ersten Rang ein. Ferner gibt es kleinere Krankenhäuser, eine Augenklinik, ein Irrenhaus, eine Blindenanstalt, ein Taubstummeninstitut, Waisenhäuser, mehrere Versorgungshäuser, öffentliche Badeanstalten, ein Krematorium (s. Tafel »Leichenverbrennung«) etc. Seit 1880 ist M. Sitz der Victoria University, der das 1851 aus einem Legat des Freidenkers John Owens (gest. 1846) daselbst gegründete Owens College, ferner seit 1884, bez. 1887 das University College in Liverpool und das Yorkshire College in Leeds an gehören. Owens College umfaßt eine Abteilung für Kunst und Wissenschaft und eine medizinische Schule; 1902/03 wurde es von 1190 Studierenden, darunter 210 Frauen, besucht. Ihm schließen sich an theologische Schulen der Methodisten, Independenten, Baptisten und Katholiken; ferner eine 1515 gestiftete Lateinschule, das 1651 gegründete Chetham College (eine Knabenschule mit wertvoller Bibliothek), eine Gewerbeschule, ein Handwerkerinstitut, eine Kunstschule und zahlreiche Arbeiterbildungsvereine. M. war eine der ersten Städte Englands, die Freibibliotheken ins Leben riefen, und zählt deren jetzt 12 mit über 200,000 Bänden. Ein städtisches Museum liegt im Peel Park bei Salford, ein Gewerbemuseum im Queen's Park; Kunstsammlungen befinden sich in der ehemaligen Royal Institution, einem schönen Gebäude im klassischen Stil, im städtischen Kunstmuseum (Ancoats Hall) und im Whitworth-Institut, das auch einen öffentlichen Park besitzt. Ferner bestehen hier botanische und zoologische Gärten. Unter den Vereinen verdienen Erwähnung der Physikalische Verein (1781 gegründet), die Gesellschaft für Naturgeschichte (mit Museum), geologische, geographische und statistische Gesellschaften, ein Kunstverein und zahlreiche Klubs, unter denen das »Athenäum« (mit Bibliothek und Bildungskursen) das größte Ansehen genießt. Die deutsche Kolonie (2000 Seelen stark) unterhält einen blühenden Schillerverein. Öffentlicher Unterhaltung dienen ferner 5 Theater, ein Zirkus, große Konzertlokale, die Bellevue Gardens im SO. der Stadt, die Pomonagärten (wo auch Pferde- und Viehausstellungen stattfinden) und der Alexandrapark mit Aquarium. – M., wahrscheinlich das Mancunium der Römer, kommt im Domesdaybuch Wilhelms des Eroberers als Mancestre vor, woraus dann M. ward. Das Schloß zu M. war damals Mittelpunkt einer Baronie, die bis 1347 der Familie Gresley gehörte und dann auf die Familie Delaware vererbte. M. erhielt 1301 städtische Rechte und wird im 14. und 15. Jahrh. als eine gewerbfleißige Stadt geschildert, wo mit großer Emsigkeit Leinen- und Wollzeuge gefertigt wurden. Die Zahl der Einwohner betrug 1719 nur 8000, 1759 bereits 20,000 und 1851: 303,382 Seelen. Vgl. Whittaker, The history of M. (2. Aufl., Lond. 1773, 2 Bde.); Reilly, History of M. (das. 1861); Procter, Memorials of byegone M. (das. 1879); Saintsbury, M. (in den »Historic towns«, das. 1887); Mortimer, Mercantile M. past and present (Manch. 1896); Tait, Mediaeval M. and beginnings of Lancashire (Lond. 1904); Hayes, Reminiscences of M. (das. 1905).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.