Lufttemperatur

Lufttemperatur

Lufttemperatur (hierzu die »Temperaturkarte« mit Textblatt: Temperaturtafel und Niederschlagstafel, und die »Karte der Wärmeextreme«), der Wärmezustand der atmosphärischen Luft, der das Resultat aus der Erwärmung durch die Einstrahlung, der Abkühlung durch die Ausstrahlung in den Weltenraum und aus den durch die Bewegungsvorgänge der Atmosphäre (auf- und absteigende Luft, Mischung durch Wind) hervorgerufenen Änderungen des Wärmezustandes ist. Da eine Abnahme der Gesamtwärme der Erde in historischen Zeiten nicht bemerkt wurde, so ist anzunehmen, daß von der Sonne ebensoviel Wärme zugeführt, als durch die Ausstrahlung entzogen wird. Über die Ein- und Ausstrahlung vgl. Insolation.

Bevor die Sonnenstrahlen die Erdoberfläche treffen, haben sie die Atmosphäre durchlaufen; da aber letztere die leuchtenden Wärmestrahlen nur in geringem Maß absorbiert, sich selbst also nur wenig erwärmt, so wird die Erdoberfläche von dem größten Teil der leuchtenden Wärmestrahlen getroffen, durch deren Absorption erwärmt und wirkt dann ihrerseits wieder rückwärts auf die untern Luftschichten durch Wärmeleitung und durch Wärmestrahlung (dunkle Wärmestrahlen). Den größten Anteil an der Erwärmung der Luft hat die Wärmestrahlung der Erdoberfläche, viel weniger die Wärmeleitung und die Absorption der durch die Atmosphäre hindurchgegangenen leuchtenden Wärmestrahlen. Deshalb wird die L. ganz besonders von der Temperatur des Erdbodens abhängen und die Schwankungen der L. eine Folge der verschiedenen Erwärmung der Erdoberfläche sein. Letztere ist desto größer, je senkrechter die Wärmestrahlen ausfallen, weil ihr Weg durch die Atmosphäre dann kürzer ist und sie deshalb auch weniger Wärme durch Absorption in der Atmosphäre verlieren. Nach Arrhenius gelangen nur etwa 44 Proz. der Einstrahlungswärme an der Grenze der Atmosphäre zur Erde, etwa 31 Proz. werden von letzterer absorbiert und 25 Proz. reflektiert. Die auf diese Weise im Laufe eines Jahres der Erde zugeführte Wärme ist so bedeutend, daß sie, über die Erdoberfläche gleichmäßig verteilt, dazu ausreichen würde, eine Eisschicht von 31 m Höhe zu schmelzen. Außer von dem Ausfallswinkel ist die Erwärmung der Erdoberfläche auch noch abhängig von der Zeit, während der sie von den Wärmestrahlen getroffen wird, und von der Natur des Erdbodens selbst.

Weil die Temperatur der Luft durch die der Erdoberfläche bedingt ist und diese von der Richtung der Wärmestrahlen und der Dauer ihrer Wirksamkeit abhängig ist, diese letztern beiden aber periodischen Schwankungen unterworfen sind, die durch die tägliche Rotation der Erde um ihre Achse und die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne hervorgerufen werden, so muß sich diese Periodizität auch in dem Gang der L. geltend machen und zwar sowohl als eine tägliche wie auch als eine jährliche Periode. Bei der täglichen Periode nimmt die L. nach Sonnenaufgang durch die immer kräftiger wirkende Insolation mehr und mehr zu, und da die Erde auch noch, nachdem die Sonne bereits ihren höchsten Stand überschritten hat, mehr Wärme erhält, als sie durch Ausstrahlung verliert, so steigt die Temperatur, bis die Ausstrahlung anfängt das Übergewicht zu bekommen, d.h. bis ungefähr um 2 Uhr nachmittags. Von dieser Zeit an nimmt die L. ab und sinkt bis zum nächsten Sonnenaufgang oder vielmehr bis zu der Zeit, in der die Erwärmung durch die Sonnenstrahlen der Abkühlung durch Ausstrahlung das Gleichgewicht hält. Weil daher das Minimum der L. bald nach Sonnenaufgang eintritt, die Zeit dieses letztern aber im Laufe des Jahres sehr verschieden ist, so wird auch die niedrigste L. in den einzelnen Monaten zu sehr verschiedenen Zeiten eintreten. In unsern Breiten findet sie im allgemeinen im Januar zwischen 7 und 8 Uhr morgens und im Juli etwa um 4 Uhr morgens statt. Die Zeit, in der die L. ihr Maximum erreicht, verschiebt sich ebenfalls im Laufe des Jahres, indem es im Sommer etwas später als im Winter eintritt. Die Zeitdifferenz ist dabei aber für das Maximum viel geringer als für das Minimum. Der Unterschied zwischen den täglichen Extremen der L. (ihre Amplitüde) ist durchschnittlich im Sommer größer als im Winter, im S. größer als im N., auf dem Lande größer als auf dem Meere, im Tale größer als auf Bergen.

Die zweite Hauptperiode im Gange der L. ist die jährliche. Sie ist eine Folge der Bewegung der Erde um die Sonne und der Neigung der Erdachse gegen die Ebene der Ekliptik. Trotzdem jeder Punkt der Erdoberfläche während der Zeit eines Jahres in der Hälfte der Zeit der Einwirkung der Sonnenstrahlen ausgesetzt ist und in der andern nicht, so ist doch die Verteilung der Wärme auf der Erdoberfläche sehr verschieden, weil die Zeiten, in denen die Sonnenstrahlen wirksam sind, in den verschiedenen Breiten sehr verschieden verteilt sind. An den beiden Polen dauert die Einwirkung der Sonnenstrahlen ununterbrochen ein halbes Jahr und fällt dann im nächsten halben Jahr fort, während sich am Äquator das Jahr in ungefähr gleich lange Perioden von je 12 Stunden Tag und Nacht teilt. In den dazwischenliegenden Breiten unterscheiden sich die Tageslängen durch ihre verschiedene Dauer, und zwar ist in höhern Breiten der längste Tag länger und der kürzeste Tag kürzer als in niedrigern Breiten. Diese Verhältnisse bewirken eine sehr verschiedene Wärmeverteilung in der Zeit eines Jahres, und haben dazu geführt, die Erdoberfläche in fünf klimatische Zonen, zwei kalte, zwei gemäßigte und eine heiße, zu teilen. Die Abgrenzung der Zonen ist schwierig und nicht einheitlich geregelt; während Supan besonders die Jahresisothermen 0° und 20° zugrunde legt, Köppen dabei auch die Vegetationsverhältnisse berücksichtigt, geht man gewöhnlich von den Wende- und Polarkreisen aus (s. Erde, S. 908, und Klima). Danach umfaßt die heiße Zone 40 Proz., die beiden gemäßigten je 26 Proz. und die kalten Zonen nur je 4 Proz. der Erdoberfläche; die polaren Zonen treten somit gegenüber den andern erheblich zurück lediglich die Karten in Mercators Projektion lassen sie wichtiger erscheinen, als sie in Wirklichkeit sind.

Das Maximum der Jahrestemperatur fällt nicht mit der größten Sonnenhöhe und dem längsten Tage zusammen, sondern tritt erst im Juli (Januar auf der Südhalbkugel) ein, weil die Erde noch eine Zeitlang nach dem längsten Tage mehr Wärme empfängt, als sie durch Ausstrahlung verliert. Die Mittagshöhe der Sonne wird darauf niedriger, die Tageslänge kürzer, und deshalb nimmt dann auch die L. ab. Das Minimum der Jahrestemperatur tritt erst nach dem kürzesten Tage im Januar (Juli auf der Südhalbkugel) ein, weil die Erde anfangs noch mehr Wärme ausstrahlt, als sie von der Sonne empfängt; denn die Mittagshöhe der Sonne ist noch gering, also die Tageslänge noch kurz, und die Sonnenstrahlen treffen die Erdoberfläche schräg.

Zu einem Überblick über die Verteilung der L. über die Erdoberfläche benutzt man gewöhnlich die Jahres- und Monatsmittel der L. Je länger diese Beobachtungen fortgesetzt sind, desto weniger werden die erhaltenen Resultate durch die in einzelnen Jahren auftretenden Unregelmäßigkeiten beeinflußt, und desto mehr werden sie die wahren Mitteltemperaturen angeben. Derartige Beobachtungen liegen für eine große Anzahl von Orten vor; eine Reihe der typischsten enthält die auf dem Textblatt zur beifolgenden Karte abgedruckte Temperaturtafel. Noch besser gestatten einen schnellen Überblick die Isothermen und zwar zunächst die auf Grund der Jahresmittel der L. gezogenen Jahresisothermen, die auf der beifolgenden Karte dargestellt sind.

Aus dem Gange der Jahresisothermen ist ersichtlich, daß sie wesentlich von den Breitenkreisen abweichen. So liegt z. B. New York ungefähr 1° südlicher als Rom und hat doch eine um 5° niedrigere mittlere Jahrestemperatur. Überhaupt findet man, daß es bei gleicher geographischer Breite in Nordamerika stets kälter ist als in Europa, ebenso wie Asien in derselben nördlichen Breite kälter ist als Europa. Ferner zeigt der Verlauf der Jahresisothermen, daß die mittlere Jahrestemperatur auf dem Festland viel rascher gegen den Pol abnimmt als über den Meeren, und daß daher die Kurven über den Kontinenten näher aneinander gerückt sind. Besonders auffallend verlaufen die Jahresisothermen im nördlichen Teil des Atlantischen Ozeans, wo sie infolge der Einwirkung des Golfstroms und der vorherrschenden warmen Südwestwinde weit nach Norden vorspringen. Endlich sieht man auch, daß die kältesten Gebiete der Erde nicht mit dem Nordpol zusammenfallen, sondern nördlich von Nordamerika und von Asien zu suchen sind, und zwar innerhalb der Jahresisotherme von -20°. Diese Kältezentren nennt man die Kältepole.

So wichtig die Kenntnis der mittlern Jahrestemperatur ist, so ist sie doch nicht genügend, um ein richtiges Bild von den Temperaturverhältnissen eines Ortes zu geben, weil diese auch von der Verteilung der Wärme im Laufe des Jahres abhängig sind. Edinburg und Ulm haben z. B. dieselbe mittlere Jahrestemperatur 8,2°, und dabei ist in Edinburg die Mitteltemperatur des Juli 14,6° und die des Januars 3,0°, während die entsprechenden Werte für Ulm 18, 1° und -2,0° sind. Will man auch die Verteilung der Wärme im Laufe des Jahres bildlich darstellen, so verbindet man entweder die Orte mit gleicher mittlerer Sommertemperatur und die mit gleicher mittlerer Wintertemperatur und erhält dadurch im ersten Fall die Isotheren und im zweiten die Isochimenen, oder man entwirft Karten mit Monatsisothermen, von denen die für den Januar und für den Juli als den kältesten und den wärmsten Monat besonders wichtig sind und daher, wie auch auf unsrer Karte geschehen ist, am häufigsten gezeichnet werden.

Die Monatsisothermen haben vor den Jahresisothermen den Vorzug, daß sie die Temperaturverteilung in den verschiedenen Formen des Klimas sowie den Unterschied zwischen Land- und Seeklima (Kontinental- u. ozeanisches oder Insel- oder Küstenklima) erkennen lassen. In der Nähe des Meeres findet man kühle Sommer und verhältnismäßig warme Winter, während im Innern der großen Kontinente heiße Sommer und strenge Winter vorherrschen. Daß die verschiedenen Temperaturverhältnisse, wie sie in den Monatsisothermen zum Ausdruck gelangen, einen wesentlichen Einfluß auf die Vegetation ausüben müssen, liegt auf der Hand. In Sibirien, z. B. in Jakutsk, wo die mittlere Jahrestemperatur -11,2° und die mittlere Januartemperatur -42,8° beträgt, gelangt während des kurzen, aber heißen Sommers (die Mitteltemperatur des Juli ist 18,8°) Getreide zur Reise, trotzdem der Boden in einer Tiefe von 1 m beständig gefroren bleibt. Dagegen ist in Island bei einer höhern Jahrestemperatur und bei einer unbedeutenden Winterkälte an Getreidebau nicht mehr zu denken, weil die niedrige Sommerwärme nicht ausreicht, dasselbe zur Reise zu bringen. Ebenso gedeiht in Ungarn vorzüglicher Wein, obgleich seine Winter kälter sind als im nördlichen Schottland, wo selbst Obstbau nicht mehr möglich ist. Im Januar liegt das intensivste Kältezentrum in Nordsibirien (Werchojansk hat -51,2° im Monatsmittel) und das höchste Wärmezentrum auf demselben Meridian im Innern Australiens (Monatsmittel 32°). Im Juli ist eine 0°-Isotherme nur in der Nähe des Nordpols und südlich von 50° südl. Br. zu finden, wogegen Isothermen von über 32° in der Sahara, Vorderasien und in Südkalifornien (Death Valley 39° im Julimittel) auftreten.

Wäre die Erde eine Kugel mit völlig gleicher Oberfläche (also ohne Unterschied oder mit gleichmäßiger Verteilung von Land und Wasser, Berg und Tal), so müßten alle Orte desselben Breitenkreises, da sie eine gleiche Einstrahlungswärme erhalten, auch gleiche L. besitzen. Die unter dieser Voraussetzung berechneten Temperaturen stellen das solare Klima dar. Danach müßten die Isothermen den Breitenkreisen parallel laufen. Das tun sie aber nicht, eben weil die Erdoberfläche Land und Wasser, Berg und Tal, Luft- und Meeresströmungen aufweist. Berechnet man nun aus den Mitteltemperaturen aller auf dem gleichen Breitenkreise liegenden Orte die Durchschnittstemperaturen der einzelnen Breitenkreise, so erhält man folgende Werte nach Spitaler und Batchelder:

Tabelle

Bildet man aus dieser »hemisphärischen« Temperatur das Mittel aus den Werten der gleichen Breitengrade beider Halbkugeln, so erhält man die »holosphärischen« Durchschnittstemperaturen. Da aber die in obiger Tabelle von 10 zu 10° fortschreitenden Breitenkreise sehr ungleiche Erdzonen abgrenzen, so hat v. Bezold, indem er den Sinus der Breite zugrunde legte, die Mitteltemperaturen derjenigen Breitenkreise abgeleitet, zwischen denen Zonen gleicher Erdoberfläche liegen;. für das Jahr ergibt sich dann:

Tabelle

Bei dieser Darstellung tritt die große Bedeutung der Tropenzone und die geringe der Polarzone für den Wärmehaushalt der Erde klar hervor.

Berechnet man dann für jeden Ort die Abweichung seiner Mitteltemperatur von der seines Breitenkreises, so erhält man die thermische Anomalie. Diese Werte können dann in eine Karte eingetragen und die gleichen unter ihnen nach Art der Isothermen durch Kurven verbunden werden, die Isanomalen heißen. Für das Jahr sind sie auf der beifolgenden Karte dargestellt. Danach sind Europa, Vorder- und Südasien, Afrika, Australien und Südamerika zu warm, Ost- und Nordasien sowie Nordamerika größtenteils zu kalt. Ganz besonders begünstigt ist Nordwesteuropa und hier zumal die norwegische Küste, die bis zu 10° positive Anomalie hat, wogegen in Nordsibirien die Gegend von Werchojansk eine ebenso große negative Anomalie hat; noch extremer sind die Verhältnisse im Januar, wo die Anomalien im selben Sinne wie im Jahr mehr als 20° erreichen, wogegen im Juli nicht einmal die 10°-Isanomale vorkommt.

Zeitweise Ausnahmen von der Wärmeverteilung, wie sie aus den vieljährigen Mitteln folgt, kommen häufig vor, doch treten größere Abweichungen nicht lokal auf, sondern sind gleichzeitig über größere Gebiete der Erdoberfläche verbreitet. Eine zu große Kälte oder zu große Wärme ist nie gleichzeitig auf der ganzen Erde vorhanden, sondern jedes in einer Gegend auftretende Extrem findet sein Gegengewicht in einer entgegengesetzten Abweichung in andern Gegenden. Gleichartige Witterungsverhältnisse sind häufiger in der Richtung von N. nach S. als von W. nach O., und oft steht die Witterung in Europa im Gegensatz zu der in Nordamerika oder in Sibirien, was seinen Grund darin hat, daß der Charakter der Witterung davon abhängt, ob die südwestliche oder nordöstliche Windrichtung vorherrscht (s. Aktionszentren der Atmosphäre). Da aber dieselbe Windrichtung nicht gleichzeitig über der ganzen Hemisphäre vorzukommen pflegt, sondern entgegengesetzte Luftströme nebeneinander wehen, so werden auf demselben Breitenkreis abwechselnd positive und negative Abweichungen häufiger vorkommen als auf demselben Meridian. Das Mittel der Abweichungen der Temperaturverhältnisse von den aus vieljährigen Beobachtungen gewonnenen Mitteln nannte man früher nach Dove ihre mittlere Veränderlichkeit. Diese ist unter den Tropen am geringsten und wächst in den gemäßigten Zonen mit der Annäherung an die kalten Zonen. Die Nähe bedeutender Gebirge erhöht die Veränderlichkeit besonders in den Sommermonaten. Im Seeklima ist die Veränderlichkeit gering und nimmt mit der Entfernung von den Küsten nach dem Innern der großen Kontinente anfangs zu und dann wieder ab. Außer dieser mittlern Veränderlichkeit hat Hann noch die interdiurne Veränderlichkeit eingeführt und dadurch die unregelmäßigen Temperaturschwankungen, von denen das organische Leben beeinflußt wird, und die man im allgemeinen als »Veränderlichkeit der Temperatur« bezeichnet, zum Ausdruck gebracht. Unter interdiurner Veränderlichkeit wird dabei verstanden das Mittel aus den Temperaturdifferenzen von einem Tage und dem nächstfolgenden. Je nachdem diese Differenzen für die Tage eines Monats oder eines Jahres gebildet werden, erhält man die normale Veränderlichkeit der Temperatur für den betreffenden Monat oder für das betreffende Jahr. Nach Hanns Untersuchungen hat die interdiurne Veränderlichkeit für ein Jahr ihren größten Wert (etwa 31/2°) im Innern von Nordamerika, ungefähr unter 50° nördl. Br., und nächstdem in Westsibirien (etwa 3°), während ihr kleinster Wert in Europa am Mittelmeer (1°) und sonst am Äquator zu suchen ist. In Norddeutschland schwankt die interdiurne Veränderlichkeit zwischen mehr als 2° in den Gebirgsgegenden und 1,1° auf den Nordseeinseln; für die eigentliche nord deutsche Tiefebene liegt sie zwischen 1,6 und 1,8°. Die jährliche interdiurne Veränderlichkeit nimmt ebenso wie die mittlere Veränderlichkeit mit der Entfernung vom Meere nach dem Innern der Kontinente und mit der Erhebung von den Ebenen nach den Gebirgen hin zu. Außergewöhnliche Witterungsverhältnisse einzelner Jahre pflegt man auch bildlich darzustellen, indem man die Punkte gleicher Abweichung durch Kurven verbindet. Diese sind von Dove Jsametralen genannt und von ihm dazu benutzt worden, ein Bild über die Wärmeverteilung in Europa im Laufe einiger ungewöhnlicher Winter zu geben.

Die mittlern Jahres-, Monats- und Tagestemperaturen geben für die Wärmeverhältnisse nur ein unvollkommenes Bild, da ja hier die wirklichen Schwankungen in der täglichen und jährlichen Periode nicht zum vollkommenen Ausdruck gelangen. Vergleicht man z. B. eine Küstenstation mit einer kontinental gelegenen, so kann es vorkommen, daß beide gleiche Jahres- und zum Teil gleiche Monatstemperaturen aufweisen, aber wie sehr verschieden können nicht der Gang und die Schwankungen der L. sein! So haben Helgoland und Braunschweig gleiche Jahresmittel (8,5°) und doch beträgt die durchschnittlich höchste Temperatur auf Helgoland 27° und in Braunschweig 32°, umgekehrt die durchschnittlich tiefste dort -8°, hier -17°, die mittlere Jahresschwankung mithin in Helgoland 35°, in Braunschweig aber 49°. Diese Unterschiede steigern sich um so mehr, je maritimer die eine und je kontinentaler die andre Vergleichsstation ist. Sie sind für das Klima, besonders aber für die Vegetationsverhältnisse von einschneidender Bedeutung. Hiernach geben die Temperaturextreme in der jährlichen Periode ein außerordentlich wichtiges klimatisches Element, das noch durch die Monats- und Tagesschwankungen zweckmäßig ergänzt werden kann, weil diese ein Maß dafür abgeben, welchen Temperaturunterschieden das organische Leben, namentlich der Mensch, in kürzern Zeiträumen ausgesetzt ist.

Man erhält die mittlern absoluten Jahresextreme für einen Ort, wenn man bei einer längern Beobachtungsreihe aus den in jedem Jahre beobachteten höchsten und niedrigsten Ständen des Thermometers das Mittel nimmt. Die absoluten Temperaturextreme geben an, welche höchsten und niedrigsten Temperaturen gelegentlich einmal vorkommen können. Diese Werte nähern sich um so mehr der Wirklichkeit, je länger die Beobachtungsreihe war.

In bei folgenden kartographischen Darstellungen sind die mittlern absoluten Jahresextreme der Wärme für die ganze Erdoberfläche übersichtlich dargestellt worden. Eine Reduktion der Temperaturangaben auf den Meeresspiegel ist hier aus verschiedenen Gründen nicht angewendet worden. Für manche Gegenden liegt nur ein sehr dürftiges Material vor, so namentlich für das Innere Afrikas und Südamerikas sowie für die Polargegenden. Streng genommen sind ferner die benutzten Zahlenwerte nicht ganz vergleichbar, weil sie sich auf verschiedene Jahresreihen beziehen, abgesehen davon, daß der Einfluß der Ausstellung der Thermometer nicht zu unterschätzen ist.

Die Temperaturmaxima haben eine viel gleichmäßigere Verteilung als die Minima, namentlich über den Meeren. In einer breiten Zone zu beiden Seiten des Äquators, beide Wendekreise meist noch umschließend, steigt das Temperaturmaximum über 30°, während es nach N. und S. verhältnismäßig langsam abnimmt, auf der Nordhemisphäre in der Nähe des 65., auf der Südhemisphäre in der Nähe des 50. Breitengrades 20° erreichend. Dagegen wachsen die Maxima in den Kontinenten nach dem Innern hin rasch an und steigern sich in den zentralen Teilen zu außerordentlich hohen Werten. In den Wüstengebieten Afrikas und Vorderasiens sowie im Innern Australiens und im südlichen Nordamerika (Arizona) hat man durchschnittlich jedes Jahr Normaltemperaturen von etwa 45° zu erwarten, wobei die höchsten Temperaturen bis zu 50° ansteigen. Dabei sei bemerkt, daß alle Temperaturen im Schatten gemessen sind. Weiter nach N. und S. hin sinken die Maximaltemperaturen immer mehr herab, im hohen Norden unter 10°. Die Seehöhe stumpft (wie die Meeresnähe) die Maxima ab. So beträgt auf der Schneekoppe (1603 m) das mittlere Jahresmaximum 23°, während es in den benachbarten Niederungen etwa 33° erreicht.

Viel mehr charakteristische Zuge zeigen die mittlern absoluten Jahresminima, wobei die Gegensätze von Meer und Land entschieden ausgeprägter hervortreten. In den tropischen Gebieten der Ozeane liegen umfangreiche, westostwärts gerichtete Zonen, in denen die niedrigsten Jahrestemperaturen durchschnittlich nicht unter 20° herabsinken; nach N. hin verschärfen sich die Minima rasch, weniger schnell nach S. hin, wie es auch der Verteilung von Land und Meer auf beiden Hemisphären entspricht. Dabei tritt der Einfluß der warmen Golfströmung sehr deutlich hervor. Ebenso wie die Maxima, so verschärfen sich die Minima nach dem Innern der Kontinente hin. Bemerkenswert ist die Verschärfung der Minima in solchen Gebieten, die durch Gebirgszüge gegen das Eindringen der Seeluft geschützt sind und vielfach trocknes klares Wetter haben, so im westlichen Nordamerika, in Südasien, in Schweden und auf der Balkanhalbinsel.

Auf der nördlichen Hemisphäre in der Nähe des Polarkreises gibt es drei Gebiete, in denen die Jahresminima außerordentlich tief sind (Kältepole der Erde), und zwar im östlichen Sibirien an der Jana, wo man sich durchschnittlich auf ein Minimum unter -60° gefaßt machen kann, während es gelegentlich -68° erreicht oder noch tiefer herabsinkt. Ein andrer, weniger intensiver Kältepol liegt in Nordamerika in der Gegend des Bärensees (mittleres absolutes Jahresminimum unter -50°, absolutes Minimum etwa -58°). Ein dritter Kältepol, der dem sibirischen wenig nachgeben dürfte, befindet sich im Innern Grönlands, wo Jahresminima jedenfalls unter -60° vorkommen dürften. Wichtig ist auch der Verlauf der Nullinie auf beiden Halbkugeln, da sie das Gebiet einschließen, in dem durchschnittlich nie, selten gelegentlich die L. unter den Gefrierpunkt sinkt.

Einen wesentlichen Einfluß auf die L. übt die Erhebung über den Meeresspiegel aus. Im allgemeinen gilt das Gesetz, daß, je größer die Hohe, desto geringer die L. ist. Weil die Luft in der Nähe der Erdoberfläche durch diese erwärmt wird, sie selbst aber ein schlechter Wärmeleiter ist, so wird die Temperatur der höhern Luftschichten nicht mehr direkt durch die Erdoberfläche erhöht, sondern die erwärmte Luft, die durch Ausdehnung leichter geworden ist, steigt empor und führt ihre Wärme den höhern Schichten zu. Allein diese Wärme macht sich in den höhern Regionen nicht durch eine Temperaturerhöhung geltend, da die Luft bei ihrem Aufsteigen unter einen geringern Druck kommt, sich deshalb ausdehnt und mit dieser Ausdehnung wegen der dabei geleisteten Arbeit eine Temperaturabnahme verbunden ist. Abgesehen von dem Einfluß, den die Abhänge der Gebirge sowie überhaupt Unregelmäßigkeiten der Erdoberfläche ausüben, müßte in der freien Atmosphäre die Temperatur von trockner Luft für 100 m Erhebung um 1° sinken. In Wahrheit nimmt aber die L. nach Gebirgsstationen in Mitteleuropa für je 100 m Erhebung ab:

Tabelle

und in der freien Atmosphäre:

Tabelle

Hier beträgt die L. rund:

Tabelle

Ist für einen Ort die Höhe und das Gesetz der Temperaturabnahme für zunehmende Höhe bekannt, so kann berechnet werden, welche Temperatur der betreffende Ort haben müßte, wenn er in der Höhe der Meeresoberfläche liegen würde. Dies nennt man: die Temperatur des Ortes auf die Meeresoberfläche reduzieren. Auf diese Weise sind alle Beobachtungen, die zur Zeichnung der Isothermen benutzt sind, auf den Meeresspiegel reduziert und dadurch die lokalen Einflüsse, die Gebirge und Hochebenen auf die Temperatur ausüben, beseitigt worden. Als Abweichung davon, daß die Temperatur in größerer Höhe niedriger ist, ist früher ausnahmsweise die Tatsache beobachtet, daß es auf den Höhen wärmer als in den Tälern war; dies wurde mit dem Ausdruck Temperaturumkehr bezeichnet. Später, als die Beobachtungen auf Höhenstationen und auf wissenschaftlichen Luftreisen häufiger wurden, hat man gefunden, daß die Temperaturumkehr gar nicht so selten auftritt, als man früher glaubte, und daß sie durchaus nicht allein in Gebirgen vorkommt. Namentlich kommt die Temperaturumkehr in den Antizyklonen vor, in denen hoher Luftdruck herrscht, der Himmel klar zu sein pflegt und sich die untern Luftschichten, besonders wenn der Erdboden mit Schnee bedeckt ist, durch Strahlung stärker abkühlen als die höher gelegenen. Diese Temperaturumkehr tritt in Norddeutschland am häufigsten in ca. 800 m Höhe ein. Besondere Erwähnung verdient die Tatsache, daß sich in 10–14 km meist eine Luftschicht findet, in der die Temperatur mit der Höhe nicht abnimmt; eine Erklärung für diese »isotherme Schicht« läßt sich noch nicht geben. Überhaupt ist zu beachten, daß die Atmosphäre selten eine gleichmäßige Temperaturschichtung, wohl aber oft linsen- oder keilförmige Einschiebungen anders temperierter Luft zeigt. Die Jahresschwankung der Temperatur wird zwar nach oben hin wesentlich kleiner (14,4° in 6 km und 10° in 10 km Höhe), aber man hat noch nicht die Schicht erreicht, in der sie verschwindet. Die niedrigsten in der freien Atmosphäre gemessenen Temperaturen sind -84,9° in 9720 m (über Wien) und -85,6° in 14,800 m (über Boston).

Die Frage, ob säkulare Änderungen in den Temperaturverhältnissen größerer Gebiete auftreten, ist oft erörtert worden. Abgesehen von den Abweichungen, welche die Flora und Fauna in den verschiedenen geologischen Perioden gegen die heutige zeigen, und die auf eine wesentliche Temperaturänderung schließen lassen, war man auch für die historischen Zeiten früher fast ausschließlich auf die Erscheinungen im Tier- und Pflanzenleben und deren Änderungen angewiesen. Aus der Tatsache z. B., daß in Palästina heute noch der Weinstock und die Dattelpalme nebeneinander gedeihen, wie es in den biblischen Zeiten der Fall war, schließt Arago, daß sich das Klima von Palästina in den letzten 3000 Jahren nicht wesentlich geändert haben kann, weil die Nordgrenze der Dattelpalme mit der Südgrenze des Weinstocks zusammenfällt. Unzweifelhaft steht fest, daß in nördlichen Gegenden manche Pflanzen im Laufe der Zeit ausgestorben sind, wie die Birke, die früher auf Island, auf den Shetlandinseln und in Lappland in ganzen Wäldern vorkam, dort verschwunden ist; doch kann man aus einzelnen derartigen Tatsachen ebensowenig wie daraus, daß durch das Anwachsen von Eismassen, wie an der Ostküste von Grönland, Landstriche, die früher bewohnt waren, unbewohnbar geworden sind, auf eine säkulare Veränderung in den Temperaturverhältnissen schließen. Die längsten Beobachtungsreihen der L. umfassen nur wenig mehr als 200 Jahre und lassen keinerlei dauernde Veränderungen erkennen. Dagegen haben die Schwankungen der Gletscher, Niederschläge und Wasserstände der Seen periodische Schwankungen der L. als möglich erwiesen (Klimaschwankungen, s. Klima, S. 138).

Hygienisches. Das Wohlbefinden des Menschen ist, soweit klimatische Faktoren in Frage kommen, hauptsächlich abhängig von der Temperatur der Luft in Verbindung mit ihrem Feuchtigkeitsgehalt (s. Luftfeuchtigkeit). Trockne Hitze beschleunigt, da sie gleichzeitig den Sauerstoff in einem bestimmten Volumen Luft vermindert, die Atmung wie den Puls; die Hauttätigkeit regt sie zu den höchsten Leistungen an, sie vermindert das Bedürfnis nach stoffersetzenden Nahrungsmitteln, während sie gleichzeitig den Durst und die Gallenabsonderung erhöht. Die Muskelenergie setzt sie ebenso herab wie die geistige Schaffenstätigkeit, steigert dagegen die empfindenden Funktionen bis zur Überempfindlichkeit und führt endlich durch Überreizung zur Apathie. Für die Wirkungen der feuchten Hitze ist die Behinderung der Kohlensäure- und der Wasserabgabe das entscheidende Moment, daher die Erschwerung des Atmens bei erhöhter Zahl der Atmungen und der Beschleunigung des Pulses, das Stocken der Hauttätigkeit und der sonstigen Wasserausscheidung, die Verminderung der Luft, Nahrung aufzunehmen, die Trägheit der Ortsbewegung, das Absinken der Nerventätigkeit. Trockne Kälte macht die Atemzüge seltener und tiefer, den Herzschlag bei verminderter Häufigkeit kräftiger, sie macht die Haut zusammenschrumpfen und beschränkt die Abgabe von Wärme und Wasser durch die Haut. Gleichzeitig erhöht sie bei Steigerung der sonstigen Wasserabgabe das Bedürfnis nach substantieller Nahrung, regt die Blutbildung bei verminderter Gallenabsonderung stark an und begünstigt die volle Entfaltung der Muskelkräfte. Feuchte Kälte erleichtert zwar die Sauerstoffeinfuhr und die Ausführung der Kohlensäure, wirkt aber durch Behinderung der Wasserausscheidung aus den Lungen und durch die Haut ungünstig auf die Herztätigkeit. Da hierbei der Wassergehalt des Blutes gesteigert wird, werden auch die Aufnahme der Nahrungsstoffe, die Energie der Muskeln und des Nervenlebens ungünstig beeinflußt.

Vgl. die Literatur bei Artikel »Meteorologie«; ferner van Bebber, Mittlere und absolute Wärmeextreme in Europa (in der Monatsschrift »Himmel und Erde«, Jahrg. 1892) und Die Verteilung der Wärmeextreme über die Erdoberfläche (in »Petermanns Mitteilungen«, 1893); v. Bezold, Zur Thermodynamik der Atmosphäre (Sitzungsberichte der Berliner Akademie der Wissenschaften, 1888–1900) und Über klimatologische Mittelwerte für ganze Breitenkreise (ebenda 1901); Hann in der »Meteorologischen Zeitschrift«, 1902, S. 260.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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