- Wärmestrahlung
Wärmestrahlung, die Fortpflanzung der Wärme durch Strahlung, wie man sie gegenüber einem heißen Körper empfindet, ohne mit demselben in unmittelbare Berührung zu kommen. Die Wärmestrahlen pflanzen sich in gerader Linie durch die Luft fort, sind aber keine Wärme, sondern Elektrische Wellen (s. d., und Ausstrahlung von Wärme, Licht etc.) und wirken deshalb erst dann erwärmend, wenn sie auf einen Körper treffen, der sie in sich aufnimmt (absorbiert); man sieht z. B. die Eisblumen an den Fensterscheiben unter der Einwirkung der vom Ofen ausgehenden Wärmestrahlen bereits schmelzen, wenn auch die Temperatur der Zimmerluft noch unter dem Gefrierpunkt ist.
Diese unsichtbaren Strahlen, die von jedem warmen Körper ausgehen, werden von Spiegeln zurückgeworfen, von Prismen und Linsen gebrochen, an rauhen Flächen zerstreut und absorbiert nach denselben Gesetzen wie die Lichtstrahlen. Stellt man z. B. zwei große Hohlspiegel (Fig. 1) einander gegenüber und bringt in den Brennpunkt des einen eine erhitzte eiserne Kugel, so werden die von ihr ausgehenden Strahlen unter sich parallel auf den andern Spiegel zurückgeworfen und von diesem in seinem Brennpunkte gesammelt; ein dahin gebrachtes Thermometer, dessen Kugel durch Überziehen mit Ruß zur Aufnahme der Wärmestrahlen fähig gemacht worden, steigt, und das Radiometer (s. d.) gerät in lebhafte Umdrehung, wenn man es in diesem Brennpunkt aufstellt. Eine Sammellinse entwirft von der heißen Kugel jenseits ein unsichtbares Wärmebild, dessen Dasein mittels des Radiometers leicht nachgewiesen werden kann. Entwirft man im verdunkelten Zimmer mittels eines Prismas ein Sonnenspektrum (s. Dispersion), so dreht sich das Radiometer, wenn man es vom violetten Ende des Spektrums nach dem roten Ende hin verschiebt, mit steigender Geschwindigkeit und fährt fort sich zu drehen, wenn man es über das rote Ende hinausbringt. Das Sonnenlicht enthält also Strahlen, die weniger brechbar sind als die roten Lichtstrahlen; diese ultraroten Strahlen sind für unser Auge unsichtbar, offenbaren sich aber durch ihre beträchtliche Wärmewirkung.
Die unsichtbaren Strahlen, die ein warmer, fester oder flüssiger Körper, etwa Kohle, aussendet, werden durch ein Prisma weniger stark gebrochen als die roten Strahlen (Wärmespektrum) und sind demnach von derselben Natur wie die ultraroten Strahlen der Sonne; mit steigender Erwärmung wächst nicht nur die Stärke der Ausstrahlung, sondern es kommen bald auch zu jenen dunkeln Strahlen immer höher brechbare, leuchtende Strahlen hinzu, der heiße Körper wird sichtbar, erglüht (s. Ausstrahlung von Wärme etc. und Photometrie). Zwischen den dunkeln Wärmestrahlen und den Lichtstrahlen besteht an sich kein andrer Unterschied als der stufenweise Unterschied der Brechbarkeit. Die Unsichtbarkeit jener wie die Sichtbarkeit dieser ist nicht in dem Wesen der Strahlen, sondern in der Beschaffenheit unsers Auges begründet, das zur Wahrnehmung der ultraroten Strahlen nicht befähigt ist. Diese sind uns unmittelbar nur durch den Gefühlssinn als Wärme wahrnehmbar, die hellen Strahlen dagegen wirken gleichzeitig auf die Gefühlsnerven als Wärme, auf das Auge als Licht. Jeder Lichtstrahl ist zugleich auch ein Wärmestrahl. Licht und strahlende Wärme sind als Wirkungen ein und derselben Ursache nicht an sich, sondern nur für uns, als Empfindungsformen voneinander verschieden. Derselbe einheitliche Strahl ruft in uns, je nach der Nervenbahn, durch die der von ihm hervorgebrachte Eindruck zu dem Sitz unsers Bewußtseins geleitet wird, bald Licht-, bald Wärmeempfindung hervor, ähnlich wie eine angeschlagene Stimmgabel in unserm Ohr eine Tonempfindung, in der berührenden Hand aber das Gefühl des Schwirrens hervorruft.
Als seines Mittel zum Nachweis und zur Erforschung der W. dient ein Bolometer (s. d.) oder eine Thermosäule (s. Thermoelektrizität) in Verbindung mit einem Galvanometer.
Mellonis Thermomultiplikator (Fig. 2) besteht aus einer thermoelektrischen Säule P, deren berußte Endflächen zum Auffangen der Strahlen einerseits mit einer zylindrischen (a), anderseits mit einer kegelförmigen Ansatzröhre (b) versehen sind, und einem sehr empfindlichen Galvanometer (Multiplikator) M, mit dem die Thermosäule durch die Klemmschrauben x, y und die Leitungsdrähte g, h in Verbindung steht. Die von der Lampe L ausgestrahlte Wärme gelangt durch das Loch des Metallschirms 8 zu einer Endfläche der Thermosäule und erregt einen thermoelektrischen Strom, der eine um so größere Ablenkung der Magnetnadel des Galvanometers hervorbringt, je kräftiger die Strahlung ist. Thermosäule, Lampe, Schirm und ein zum Tragen der zu untersuchenden Gegenstände (r) bestimmtes Tischchen sind längs einer Messinglinie d f beliebig verstellbar. Mittels des Thermomultiplikators oder des Bolometers kann man, besonders bei Verwendung im Vakuum, wobei Wärmeverluste tunlichst vermieden werden, z. B. die Wärmewirkung der verschiedenen Gegenden des Sonnenspektrums messend verfolgen; man findet, daß dieselbe noch über das rote Ende hinaus wächst und erst im ultraroten Gebiet ihren größten Wert erreicht. Berücksichtigt man jedoch, daß durch die Wirkung des Prismas die stärker brechbaren Strahlen verhältnismäßig weiter auseinander gebrochen werden als die weniger brechbaren, und bringt den Vorteil, der den letztern hierdurch zuwächst, wieder in Abzug, so ergibt sich, daß die gelben und grüngelben Strahlen zwischen D und E, die unserm Auge als die hellsten erscheinen, zugleich auch die wärmsten sind. Dies trifft indes nur für Sonnenstrahlen zu oder allgemein für Körper, die eine Temperatur von ca. 6000° haben. Die Strahlung gewöhnlicher Lichtquellen von ca. 2000° hat ihre größte Intensität im Gebiete der dunkeln Wärmestrahlen, und die Wärme der sichtbaren Strahlen bildet nur einen sehr kleinen Teil der Gesamtstrahlung. Für Körper unter 400° ist die sichtbare Strahlung so schwach, daß sie weder auf das Auge noch auf die Thermosäule wirkt, wie intensiv auch die Gesamtstrahlung sein mag. Auch durch Konzentration der Strahlung mittels Spiegeln, Linsen etc. kann man übrigens nie eine höhere Temperatur erzielen, als die des strahlenden Körpers, so daß man in gewissem Sinne von der Temperatur der Wärmestrahlen sprechen kann, obschon sie in Wirklichkeit keine Wärme sind.
Die Durchlässigkeit verschiedener Körper ist wie für helle Strahlen, so auch für dunkle Wärmestrahlen sehr verschieden. Reine Luft läßt die Sonnenstrahlen, dunkle wie helle, fast vollständig durch sich hindurchgehen; sie wird daher von ihnen nur unbedeutend erwärmt (die gesamte Atmosphäre absorbiert nur etwa 1/3 der Sonnenstrahlung); die höhern Luftschichten, obgleich sie die Sonnenstrahlen aus erster Hand empfangen, bleiben dennoch so kalt, daß selbst in der heißen Zone die Gipfel der Hochgebirge mit ewigem Schnee bedeckt sind. Die Erwärmung der Atmosphäre erfolgt zum weitaus größern Teil nicht unmittelbar durch die Sonnenstrahlen, sondern mittelbar durch die erhitzte Erdoberfläche, die ihre durch Einsaugung der Strahlen erworbene Wärme zunächst den sie berührenden untern Luftschichten mitteilt; indem diese, leichter geworden, emporsteigen, führen sie die Wärme auch den höhern Luftschichten zu. Weder das Wasser, noch die Wolken, noch irgend welche Bestandteile der festen Erdrinde sind so durchlässig wie die Luft. Alle verschlucken (absorbieren) einen größern oder geringern Anteil der sie treffenden Sonnenstrahlen und erwärmen sich dadurch. Melloni nannte Körper, welche die dunkeln (ultraroten) Wärmestrahlen in ähnlicher Weise durchlassen wie durchsichtige Körper die leuchtenden Strahlen, diatherman; atherman dagegen solche, welche die dunkeln Wärmestrahlen absorbieren. Steinsalz läßt alle dunkeln Wärmestrahlen (ebensogut wie die hellen) durch und verhält sich demnach zu ihnen wie ein farblos durchsichtiger Körper gegenüber den Lichtstrahlen; der für Licht ebenso durchsichtige Alaun dagegen ist für ultrarote Strahlen undurchlässig. Andre Körper absorbieren bestimmte Partien aus dem ultraroten Gebiete des Spektrums und verhalten sich also den dunkeln Wärmestrahlen gegenüber ähnlich wie gefärbte durchsichtige Körper, die nur Lichtstrahlen von gewisser Farbe durchlassen, andersfarbige aber absorbieren. Melloni bezeichnete dieses Verhalten als Wärmefärbung oder Thermochrose.
Ein bestrahlter Körper erwärmt sich um so höher, je vollständiger er die auf ihn fallenden Strahlen verschluckt oder je weniger er davon durch diffuse Zurückwerfung wieder zurückgibt; dunkle Körper erwärmen sich daher bei gleicher Bestrahlung höher als helle. Dunkel gefärbte Ackererde wird unter dem Einfluß der Sonnenstrahlen stärker erwärmt als weißlicher Kalkboden. Kienruß, der alle Strahlenarten fast vollkommen absorbiert und ebendarum schwarz aussieht, wird durch Bestrahlung stärker erwärmt als irgendein andrer Körper, wirklich vollkommene Absorption findet aber nur in einem bis auf eine enge Öffnung für den Eintritt der Strahlen ringsum geschlossenem, innen geschwärztem Hohlraum statt, der deshalb absolut schwarzer Körper heißt. Die Körper, welche die Wärmestrahlen am besten einsaugen, strahlen umgekehrt ihre Wärme auch am leichtesten wieder aus: das Ausstrahlungsvermögen wächst in demselben Verhältnis wie das Absorptionsvermögen, ist also am größten für einen absolut schwarzen Körper. Heißes Wasser z. B. erkaltet in einem rußigen Topf rascher als in einem blanken. Es versteht sich von selbst, daß nur Strahlen, die in einen Körper eindringen, von ihm absorbiert werden und ihn erwärmen können. Ein glatt polierter Körper, der schon an seiner Oberfläche einen Teil der Strahlen zurückwirft, erwärmt sich bei gleicher Bestrahlung weniger, als wenn man ihm eine rauhe Oberfläche gibt, welche die Strahlen, ehe sie dieselben zerstreut, bis zu einer gewissen Tiefe eindringen läßt. Anderseits wird ein warmer Körper seine Wärme reichlicher ausstrahlen, wenn seine Oberfläche matt als wenn sie poliert ist, weil an der glatten Oberfläche ein Teil der aus dem Innern des Körpers kommenden Wärmestrahlen wieder nach innen zurückgeworfen wird. In einer blank geputzten metallenen Kaffeekanne hält sich daher das Getränk längere Zeit heiß, als wenn das Äußere der Kanne unrein ist. Daß das Ausstrahlungsvermögen eines Körpers seinem Absorptionsvermögen gleich sei, folgt übrigens schon aus Prevosts Prinzip des beweglichen Gleichgewichts der Wärme. Jeder Körper sendet Wärmestrahlen aus und empfängt solche von den umgebenden Körpern. Hat er mit diesen gleiche Temperatur erreicht, so ändert sich erfahrungsgemäß seine Temperatur nicht mehr, obgleich die gegenseitige Zustrahlung fortdauert. Dies ist aber nur dann möglich, wenn er in gleicher Zeit ebensoviel Wärme aufnimmt wie ausstrahlt.
Für die Abkühlungsgeschwindigkeit, d. h. die Abnahme der Temperatur pro Sekunde, gilt das Newtonsche Gesetz, daß in gleichen Zeiten die Temperatur immer um denselben Bruchteil der anfänglichen Temperatur (in der betreffenden Zeit) sinkt. Da die Abkühlungsgeschwindigkeit gleich der pro Sekunde verlornen Wärmemenge dividiert durch das Produkt von Gewicht und spezifischer Wärme ist, kann sie zur Ermittelung des letztern dienen.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.