Legierungen

Legierungen

Legierungen (v. lat. ligare, ital. legare, »binden«, Beschickungen, Alligationen), Verbindungen oder Mischungen von zwei oder mehreren Metallen miteinander (die L. der Metalle mit Quecksilber nennt man Amalgame), kommen in der Natur nur selten vor und werden gewöhnlich durch Zusammenschmelzen der betreffenden Metalle erhalten. Die L. besitzen stets metallischen Habitus und sind bis auf mehrere Amalgame starr. In neuerer Zeit rechnet man zu den L. auch Lösungen von Metalloiden in Metallen, z. B. von Kohlenstoff oder Phosphor in Eisen, von Antimon in Blei, von Arsen in Kupfer. In diesem Sinne kann man die L. betrachten als erstarrte Lösungen verschiedener Körper ineinander, und unter dem Mikroskop erscheinen sie als mehr oder weniger innige Gemenge chemisch und physikalisch verschiedener Bestandteile. Beim Zusammengießen geschmolzener Metalle findet oft bedeutende Wärmeentwickelung statt, als Zeichen, daß dabei ein chemischer Prozeß verläuft. Gießt man z. B. 70 Teile geschmolzenes Kupfer zu 30 Teilen geschmolzenem Zink, so erhöht sich die Temperatur so stark, daß ein Teil der Mischung umhergeschleudert wird. Man kann Metalle in den verschiedensten Verhältnissen zusammenschmelzen; aber die L. sind nicht immer einfache Gemische, sondern enthalten oft eine oder mehrere chemische Verbindungen der Metalle untereinander, die, ganz allgemein mit überschüssigem Metall zusammengeschmolzen, darin gelöst sind. Aus geschmolzenen L. kristallisieren bisweilen die als chemische Verbindungen zu betrachtenden L. heraus, z. B. aus geschmolzenem Kupferzinn eine zinnarme rote oder eine zinnreiche weiße Legierung. Eine Legierung von wenig Silber und viel Blei zerfällt beim Erstarren in reines Blei und silberreicheres Blei. Bei L. aus Metallen von sehr ungleicher Schmelzbarkeit, in denen das leicht schmelzbare Metall überwiegt, kann dieses bei niedriger Temperatur abfließen, während das schwer schmelzbare mit einem geringen Teil des erstern verbunden zurückbleibt (Kienstock beim Seigerprozeß); ähnlich verdampft der größte Teil eines flüchtigen Metalls, aber ein Teil desselben wird von dem nicht flüchtigen Metall hartnäckig zurückgehalten, so daß man Kupfer durch Erhitzen von Zink, Arsen oder Quecksilber nicht vollständig befreien kann. Auch aus Amalgamen kristallisieren oft bestimmte L. Dies Verhalten der L. macht in der Praxis besondere Maßregeln zur Verhütung der Entmischung erforderlich; anderseits benutzt man es zur Gewinnung und Reinigung von Metallen. Beim Erstarren verhalten sich L. im allgemeinen wie Salzlösungen. Beim Erstarren einer Legierung von 20 Proz. Kupfer und 80 Proz. Silber scheidet sich von 815° an Silber aus, bis der noch flüssige Teil 28 Proz. Kupfer enthält; dann erstarren Kupfer und Silber zugleich bei 778° zu einem innigen Gemenge, einer eutektischen Mischung. Bei L. mit mehr als 28 Proz. Kupfer scheidet sich zuerst Kupfer aus. Hieraus ergibt sich nun, daß L. mit mehr als 28 Proz. Kupfer als Gefügebestandteile größere Kupferausscheidungen enthalten, die in eutektische Mischung aus Silber- und Kupferkristalliten eingebettet sind. L. mit 28 Proz. Kupfer bestehen dagegen nur aus eutektischer Mischung, und solche mit mehr als 72 Proz. Silber enthalten in eutektischer Mischung größere Silberausscheidungen. Dies wird durch die mikroskopische Untersuchung bestätigt. Bei der Untersuchung von L. mit sehr geringem Silber- oder Kupfergehalt zeigt das Mikroskop eine homogene Masse. Eutektische Mischung tritt erst sichtbar hinzu, wenn die Legierung mindestens 1 Proz. Silber oder Kupfer enthält. Daraus kann geschlossen werden, daß das aus silber-, bez. kupferreichern L. sich zuerst ausscheidende Metall weder reines Silber noch reines Kupfer ist, sondern eine kleine Menge des andern Metalls gelöst enthält. Aus manchen L. scheidet sich beim Erstarren ein isomorphes Gemisch der beiden Bestandteile aus, wie z. B. bei Goldsilberlegierungen. In diesem Fall trennt sich die Legierung beim Erstarren nicht in ihre Grundbestandteile, vielmehr haben in jedem Augenblick der Erstarrung der bereits festgewordene und der noch flüssige Teil gleiche Zusammensetzung. – Der Schmelzpunkt der L. liegt niedriger, als die Rechnung unter Berücksichtigung der Schmelzpunkte ihrer Bestandteile ergibt, und beim langsamen Erstarren geschmolzener Legierung bleibt ein eingetauchtes Thermometer wiederholt zeitweilig stationär, entsprechend den Erstarrungspunkten einzelner chemischer Verbindungen, die sich nach und nach kristallinisch ausscheiden. Die Farbe der Legierung entspricht nicht immer der nach ihren Bestandteilen zu erwartenden Mischfarbe (gelbes Messing aus rotem Kupfer und weißem Zink); Härte und spezifisches Gewicht sind meist größer als die der einzelnen Metalle, das Leitungsvermögen für Wärme und Elektrizität aber ist geringer. Ein dehn- und streckbares Metall wird durch Legieren mit einem weniger dehnbaren nicht zäher, verliert aber oft durch Zusatz eines spröden Metalls seine Dehnbarkeit. Durch Hämmern, Strecken und Walzen werden Festigkeit und Dehnbarkeit mancher Legierung erhöht. Gegenüber chemischen Einwirkungen verhalten sich die L. teilweise wie Mischungen (Säure entzieht dem Messing Zink, Ammoniak löst Kupfer); an der Luft aber halten sich die L. meist besser als die einzelnen Metalle, eine Legierung aus 3 Teilen Blei und 1 Teil Zinn verbrennt indes an der Luft unter starker Lichtentwickelung. Zwei Metalle können je nach den Mischungsverhältnissen sehr verschiedene Produkte geben, und der praktische Wert der L. besteht darin, daß man die Eigenschaften der Metalle durch gewisse, oft sehr geringe Zusätze nach Bedürfnis abändern, gewissermaßen neue Metalle schaffen kann. Antimon, Nickel, Wismut, Gold und Silber werden in der Technik fast nur in L. benutzt.

Zur Darstellung der L. schmelzt man zuerst das strengflüssigste Metall, läßt es bis nahe zu seinem Erstarrungspunkt erkalten, setzt das leichtflüssigere oder die vorher für sich zusammengeschmolzenen leichtflüssigen zu, erhitzt nach jedesmaligem Zusatz etwas stärker und rührt mit einem gedörrten Holzstab (nicht Eisen) um. Durch Umschmelzen werden die L. gleichmäßiger, aber bei häufigerm Umschmelzen ändern sich ihre Eigenschaften wesentlich. Überhaupt werden letztere von der Bereitungsart zum Teil stark beeinflußt, so daß die Kenntnis der Zusammensetzung einer Legierung allein nicht immer zu ihrer Nachahmung genügt. Bisweilen stellt man L. durch Schmelzen eines Metalls mit dem Oxyd eines andern unter Zusatz von Kohle dar. Auch stellt man L. dar durch Einwirkung der Dämpfe eines Metalls auf ein andres (Messing aus Kupfer und Zinkdämpfen). Auch auf galvanischem Wege kann man L. erhalten, z. B. einen Bronze- oder Messingüberzug auf andern Metallen. L. finden in der Technik vielseitigste Verwendung: Messing, Bronze, Glockengut, Geschützmetall, die Lagermetalle, Neusilber, Britanniametall, zahlreiche Zinnlegierungen, Letternmetall, Spiegelmetall, Amalgame besitzen unbegrenzte Nutzbarkeit. Die Entmischung bei langsamer Abkühlung benutzt man beim Entsilbern des Bleies (Pattinsonieren) und zum Reinigen des Zinnes. Man benutzt L. auch als Thermometer, indem man durch allmähliche Veränderung der Mischungsverhältnisse eine Reihe von L. darstellt, deren Schmelzpunkte regelmäßig um eine bestimmte Anzahl Grade voneinander abweichen. Bringt man Proben solcher L. in einen geeigneten Apparat, z. B. in einen Ofen, so kann man dessen Temperatur aus der Zahl der geschmolzenen und der nicht flüssig gewordenen L. beurteilen. Bei Dampfkesseln dient eine Legierung von bestimmtem Schmelzpunkt als Sicherheitsapparat. Vgl. Bischoff, Das Kupfer und seine L. (Berl. 1865); Krupp, Die L. (2. Aufl., Wien 1894); Ledebur, Die L. in ihrer Anwendung für gewerbliche Zwecke (2 Aufl., Berl. 1898); Knab, Traité des alliages et des dépôts métalliques (Par. 1892); Wüst, Legier- und Lötkunst (Weim. 1895); Dürre, Die Metalle und ihre L. im Dienste der Heere und Kriegsflotten (Hannov. 1895); Brannt, The metallic alloys (Lond. 1896); Hiorns, Mixed metals (2. Aufl., das. 1901); Guillet, Étude théorique des alliages métalliques (Par. 1904); Buchetti, Les alliages métalliques (das. 1905); Sack, Bibliographie der Metallegierungen (Berl. 1903). Über die gesetzlichen Bestimmungen s. Feingehalt.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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