Lahor

Lahor

Lahor (Lahore), Hauptstadt der britisch-ind. Provinz Pandschab und des gleichnamigen Distrikts (9526 qkm mit [1901] 1,162,109 Einw.), unter 31°54´ nördl. Br., 1,5 km südlich vom Rawifluß, 254 m ü. M., Knotenpunkt der Bahnen nach Delhi, Multan, Radschputana und Peschawar, hat mit den Vorstädten und dem östlich gelegenen Garnisonsort Mian Mir (1901) 202,964 Einw. (119,601 Mohammedaner, 70,196 Hindu, 7023 Sikh, 5558 Christen), darunter nur 82,968 weibliche. Die von einer Backsteinmauer mit 13 Toren und von Gärten an Stelle der frühern Gräben umgebene Stadt ist auf den Trümmern der alten, viel größern Residenz des Großmoguls aufgebaut, so daß sie die umgebende Ebene weit überragt, hat eine Zitadelle mit Magazinen und Werkstätten, enge, winklige Straßen, aber noch prachtvolle Bauten aus der Zeit der alten Mogulkaiser (viele derselben wurden von den Sikh aus Religionshaß zerstört), wie der alte Mogulpalast Hasaribagh, später Residenz Randschit Singhs, Schahdura oder das Mausoleum des Kaisers Dschehangir mit 20 m hohen Minaretts an den vier Ecken, die Dschami-Madschid (»Große Moschee«), mit vier Minaretts aus rotem Sandstein, dann Schah Dschahans Schalimar (»Haus der Freude«), eine der berühmtesten Gartenanlagen der Welt, mit drei Terrassen und 450 Springbrunnen. Das einst prachtvolle Mausoleum Anarkallis ist zur englischen Garnisonkirche umgewandelt; doch wurde neuerdings auch eine große Kathedrale erbaut. L. ist Sitz der obersten Provinzbehörden, der Pandschab-Universität, des Oriental College, einer medizinischen, juristischen, tierärztlichen Schule und verschiedener andrer Lehranstalten, einer gelehrten Gesellschaft (Andschuman+Pandschab) und hat ein reichhaltiges Museum. Durch Anlage einer Wasserleitung und Kanalisation hat L. in jüngster Zeit sehr gewonnen. Das einzige erhebliche Industrieprodukt sind Gold- und Silbertressen; der Handel beschränkt sich fast ganz auf Befriedigung des Lokalbedarfs. – L. wurde im 1. Jahrh. n. Chr. durch einen König Lawa gegründet. In der Zeit der Regierung der Hindukönige war es meist Teil des Reiches Kaschmir. Nachdem 979 und 988 Fürst Dschaipâl von L. Sabuktegin, den Herrn von Ghasni, vergeblich bekämpft hatte, wurde es 1001, 1013 und 1021 von dem Ghasnawiden Mahmud genommen, und nach der nochmaligen Einnahme von 1152 durch Chusrau Schah war es Residenz der Ghasnawiden. 1186 fiel es dem Ghoriden Ghiyas ed-dîn Mohammed zur Beute; 1221 und 1241 ward es von den Mongolen geplündert, die 1297 hier durch den Khudschi Mohammed Schah eine Niederlage erlitten, aber die Stadt 1429 wiedereroberten. 1524 wurde hier der Kaiser Ibrahim Lodhī von Dehli durch Baber von Kabul besiegt. Seit 1526 gehörte L. zum Reiche der Großmoguls und wetteiferte an Pracht und Lebhaftigkeit des Verkehrs mit Dehli. 1716 und 1764 fiel es in die Hände der Sikh, die es zu ihrer Residenz erhoben; in den 40er Jahren des 18. Jahrh. war L. in den Händen der Mahratthen. 1798 wurde der Sikh Randschit Singh durch den Schah von Afghanistan von neuem mit der Provinz L. belehnt. Am 22. Febr. 1846 wurden die Stadt, die Zitadelle und ein Teil des Residenzpalastes von der britischen Armee besetzt und 9. März hier ein Friede mit dem zehnjährigen Maharadscha Dhulib Singh geschlossen. Am 29. März 1849 wurde die Einverleibung Lahors und des ganzen Pandschab in das britisch-indische Reich verkündet. Unter der englischen Herrschaft wurde die alte Stadtmauer teilweise abgetragen, das Fort jedoch verteidigungsfähiger gemacht. Den östlichen Teil des Verwaltungsdistrikts L. durchzieht der Hauptgraben des 1849 begonnenen und 1871 mit einem Aufwand von 25 Mill. Mk. fertiggestellten Bari-Doabkanals, durch den die Wasser der Rawi über die Felder verteilt und reiche Ernten an europäischem Getreide und indischen Hülsenfrüchten erzielt werden.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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