- Lüneburg [2]
Lüneburg, Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks in der preuß. Provinz Hannover sowie des ehemaligen Fürstentums Lüneburg und Stadtkreis, an der schiffbaren Ilmenau, 17 m ü. M., hat im Innern zahlreiche altertümliche Häuser, während die mit schonen Gärten gezierten Vorstädte ein modernes Aussehen zeigen.
Die ehemaligen Festungswerke sind meist verschwunden. Unter den Plätzen sind der Markt und der sogen. Sand die schönsten. L. hat 4 Kirchen, darunter eine katholische, außerdem eine Synagoge. Die evangelischen Kirchen, in den letzten Jahrzehnten sämtlich restauriert, sind: die Michaeliskirche (aus dem 15. Jahrh., mit den Begräbnisstätten der lüneburgischen Fürsten), die fünfschiffige Johanniskirche (die älteste, aus dem 14. Jahrh., im reinsten gotischen Stil ausgeführt, mit 113 m hohem Turm) und die Nikolaikirche (aus dem 15. Jahrh., mit großartigem Mittelschiff und 107 m hohem Turm). Sonstige bemerkenswerte Gebäude sind: das am Marktplatz liegende altertümliche Rathaus mit restaurierter Gerichtslaube (die Decken- und Wandgemälde sind von Münchener Künstlern wiederhergestellt), großem Fürstensaal, alten Bildnissen, Glasmalereien und Schnitzwerken etc. (von dem ehemals in demselben aufbewahrten Silbergerät [s. Lüneburger Silberschatz] sind gute galvanoplastische Nachbildungen hier aufgestellt worden); die großen Gebäude des ehemaligen Michaelisklosters (jetzt Seminar und Landgericht); das alte Kaufhaus etc. L. hat ein Denkmal Kaiser Wilhelms I. und ein Kriegerdenkmal. Die Zahl der Einwohner beträgt (1900) mit der Garnison (Dragonerregiment Nr. 16) 24,693 Seelen, davon 873 Katholiken und 130 Juden. L. hat eine große, schon seit 906 benutzte Saline, mit Solbad verbunden, ein fiskalisches Gipswerk auf der westlichen Seite der Ilmenau in den bis 56 m ansteigenden Höhen (Schildstein, Kalk- und Zeltberg), ein Eisenwerk, Zement-, Tapeten- und Böttcherwarenfabrikation, eine Haartuchweberei und Roßhaarspinnerei, eine chemische Fabrik, eine Kunstmühle, Wachsbleicherei, ansehnliche Kunst- und Handelsgärtnerei etc. Der Handel, unterstützt durch eine Handelskammer und eine Reichsbanknebenstelle, ist bedeutend in Wein, Getreide, Holz, Heu, Stroh, Wolle, Wachs etc. Bekannt sind auch die Lüneburger Bricken (Neunaugen). Für den Eisenbahnverkehr ist die Stadt Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Lehrte-L., L.-Buchholz, Wittenberge-L. und Büchen-L. L. hat ein Gymnasium, ein Realgymnasium, ein evang. Schullehrerseminar, Präparandenanstalt, Handelsschule, Museum, Stadtbibliothek von 36,000 Bänden, Provinzialirrenanstalt, Strafanstalt etc. und ist Sitz einer Regierung, eines Landratsamts (für den Landkreis L.), einer Berginspektion, eines Hauptsteueramts und einer Oberförsterei. Zum Landgerichtsbezirk L. gehören die zwölf Amtsgerichte zu Bergen, Bleckede, Celle, Dannenberg, Isenhagen, Lüchow, L., Medingen, Neuhaus a. E., Soltau, Ülzen und Winsen a. L. Nahebei die Domäne Lüne mit evang. Kirche und Fräuleinstift in einem ehemaligen Kloster. – Die Altstadt von L. lag zwischen einer natürlichen Feste, dem Kalkberg, bis 1371 Residenz der braunschweig-lüneburgischen Herzoge, und einer wegen ihres reichen Salzgehalts bis heute wertvollen Saline. Als sich die Stadt, begünstigt durch den Untergang des nahen Bardowiek unter Heinrich dem Löwen (1189), ausdehnte, trat eine Vereinigung mit dem Archidiakonatssitz Modestorpe an der Ilmenau ein. Die älteste Urkunde des wertvollen Stadtarchivs von 1228 überläßt den Salzbegüterten die Wahl des Sodmeisters, des obersten Beamten der Saline; die älteste Bestätigung des Stadtrechts ist von 1247. Als Mitglied der Hansa hatte L. als Bindeglied zwischen dem wendischen und sächsischen Städteverein besondere Bedeutung. Das gute Verhältnis der Stadt zu den Landesherren wurde nach dem Aussterben der ältern Linie des Fürstenhauses (1369) gestört, aber L. entschied den Erbfolgekrieg zugunsten der Herzoge von Sachsen-Wittenberg. Das Welfenschloß auf dem Kalkberg wurde zerstört, die Bürgerschaft schlug einen Überfall des Herzogs Magnus von Braunschweig in der Ursulanacht 1371 blutig zurück. Als Magnus' Söhne ihr Land zurückeroberten, wahrte L. seine Selbständigkeit und erwarb in den beiden folgenden Jahrhunderten trotz vieler Differenzen mit den Herzogen und trotz einer schweren Krisis im sogen. Prälatenkriege (1450–57) Macht und Wohlstand. Ohne sonderliche Kämpfe wurde 1530 die Reformation eingeführt. Das letzte Viertel des 16. Jahrh. bedeutete für die Stadt den Höhepunkt ihres Ansehens; dann ging es bergab. Im Dreißigjährigen Kriege wurde L. durch Herzog Georg von Braunschweig-Lüneburg eingenommen, die vom Rat notgedrungen aufgenommene schwedische Besatzung kapitulierte. Der Kalkberg blieb fortan als Zwingfeste in der Gewalt des Herzogs; L. war auf die Stufe einer einfachen Landstadt herabgesunken. Der wirtschaftliche Niedergang, gefördert durch eine völlig veraltete Ausnutzung der Salzquelle, wurde immer fühlbarer; nur der Frachttransport behielt noch eine gewisse Bedeutung, da die Waren bis L. auf der Ilmenau verschifft, von hier aus aber zu Wagen ins Binnenland geführt wurden. In der französisch-westfälischen Zeit hatte L., wie ganz Hannover, unerschwingliche Lasten zu tragen; am 2. April 1813 fand in und vor der Stadt das erste siegreiche Treffen der Verbündeten am linken Elbufer statt. Nach der Mitte des 19. Jahrh. ist für die Stadt eine neue Blüte angebrochen. Vgl. Volger, Urkundenbuch der Stadt L. (Lüneb. 1872–77, 3 Bde.); Bodemann, Die ältern Zunfturkunden der Stadt L. (Hannov. 1883); Reinecke, Lüneburgs ältestes Stadtbuch und Verfestungsregister (das. 1903); Jürgens, Geschichte der Stadt L. (das. 1891); »Des Propstes Jak. Schomaker Lüneburger Chronik« (hrsg. von Th. Meyer, das. 1904); Volger, Lüneburger Blätter (Neudruck, Lüneb. 1902); »Jahresberichte des Museumsvereins für das Fürstentum L.« (das. 1878 ff.); »Lüneburger Museumsblätter« (das. 1904 ff.).
Der Regierungsbezirk Lüneburg (s. Karte »Hannover«) umfaßt 11,343 qkm (206,01 QM.), hat (1900) 472,598 Einw. (davon 455,571 Evangelische, 14,397 Katholiken und 992 Juden), 42 auf 1 qkm, und besteht aus den 16 Kreisen:
Über die betreffen den Reichstagswahlkreise des Regierungsbezirks s. Karte »Reichstagswahlen«.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.