Jagemann

Jagemann

Jagemann, 1) Christian Joseph, Gelehrter, geb. 1735 in Dingelstedt, gest. 4. oder 5. Febr. 1804 in Weimar, wurde für den Mönchsstand bestimmt, entfloh jedoch, aus dem Augustinerkloster zu Erfurt nach Konstanz gebracht, vor Ablegung des Klostergelübdes nach Dänemark, wo er eine Hauslehrerstelle annahm. Nach zwei Jahren söhnte er sich mit seinen Eltern aus und machte eine Pilgerfahrt nach Rom. Dort erhielt er den Befehl, in Santo Spirito zu Florenz die päpstliche Dispensation abzuwarten, die nach mehreren Jahren gewährt wurde. Hier trieb er italienische Literatur und war Weltgeistlicher und Beichtvater der Deutschen. 1774 wurde er zum Direktor des katholischen Gymnasiums in Erfurt ernannt und 1775 von der Herzogin Amalie von Weimar als Privatbibliothekar nach Weimar berufen, wo er zum Protestantismus übertrat und sich verheiratete. J. hat sich um die Verbreitung der italienischen Literatur in Deutschland verdient gemacht. Unter seinen vielen Schriften nennen wir die »Geschichte der freien Künste und Wissenschaften in Italien« (nach Tiraboschi, Leipz. 1777–81, 5 Bde.), das »Magazin der italienischen Literatur und Künste« (Weimar u. Halle 1780–85,8 Bde.), die »Italienische Sprachlehre« (Leipz. 1792) und das »Dizionario italiano-tedesco e tedesco-italiano« (Weißenfels 1790–91, 4 Bde.; Leipz. 1803).

2) Henriette Karoline Friederike, Schauspielerin, Tochter des vorigen, geb. 25. Jan. 1777 in Weimar, gest. 10. Juli 1848 in Dresden, ward in Mannheim unter Iffland und Josepha Beck für die Bühne ausgebildet, war 1792–96 Mitglied des dortigen Nationaltheaters, hierauf von 1797 am Theater m Weimar angestellt und entwickelte sich hier sowie auf Kunstreisen zu einer der hervorragendsten tragischen Schauspielerinnen und Sängerinnen ihrer Zeit. Der Großherzog Karl August schenkte ihr mit seiner Gunst das Rittergut Heigendorf und erhob sie 27. Jan. 1809 zur Frau v. Heygendorff. Sie gewann bald einen mächtigen Einfluß, insbes. auf die weimarische Bühne, so daß selbst Goethe ihr das Feld räumte. Nach dem Tode Karl Augusts zog sie sich von der Bühne zurück. Ein Sohn von ihr und Karl August war der sächsische Generalmajor Karl Wolfgang v. Heygendorff (gest. 17. Febr. 1895 in Dresden).

3) Ferdinand, Maler, Bruder der vorigen, geb. 1780 in Weimar, bildete sich in Wien und Paris, von wo er 1805 in die Heimat zurückkehrte, ging 1806 nach Rom, nahm später an den Befreiungskriegen teil und starb als Hofrat und Professor 1820 in Weimar. Seine besten Werke sind: die Bildnisse von Karl August, Goethe, Wieland u. a.; Schiller auf der Totenbahre; Luther auf dem Reichstag zu Worms.

4) Ludwig von, Kriminalist, geb. 13. Juni 1805 in Gerlachsheim, gest. 11. Juli 1853 in Achern, ward, nachdem er verschiedene Stellungen im Justizdienste bekleidet hatte, 1843 Ministerialrat im Justizministerium, wo ihm die Leitung der Strafanstalten übertragen wurde. Er unternahm Studienreisen nach England, Frankreich und Belgien, richtete nach seiner Rückkehr die Strafanstalt Bruchsal nach dem System der Einzelhaft ein und veröffentlichte seine Erfahrungen in der Schrift »Zur Begründung und Verwirklichung des Grundsatzes der Einzelhaft in Strafgefängnissen« (Frankf. 1848; auch in der »Zeitschrift für deutsches Strafverfahren«, neue Folge, Bd. 5). 1847 bis 1849 war er Generalauditeur im Kriegsministerium und schrieb in dieser Stellung: »Die Militärstrafen im Lichte der Zeit« (Erlang. 1849). Sein Hauptwerk ist das »Handbuch der gerichtlichen Untersuchungskunde« (Frankf. 1838–41, 2 Bde.). Er begründete 1840 mit Nöllner die »Zeitschrift für deutsches Strafverfahren« (1840–47) und 1849 den »Gerichtssaal« (Erlang.).

5) Eugen von, bad. Staatsmann, geb. 1849 in Karlsruhe, studierte die Rechte, machte den französischen Krieg 1870/71 im 2. badischen Dragonerregiment mit, wurde badischer Staatsanwalt, später Ministerialrat und 1893 Gesandter in Berlin und Vertreter Badens im Bundesrat. Er schrieb: »Die Daraufgabe (Arrha)« (Berl. 1878) und gab mit F. v. Holtzendorff das »Handbuch des Gefängniswesens« (Hamb. 1888, 2 Bde.) heraus. Auf den internationalen Gefängniskongressen in Rom, Petersburg und Paris leitete er die Sektion für die prophylaktischen Bestrebungen. 1903 siedelte er nach Heidelberg über, wo er zum ordentlichen Honorarprofessor an der Universität ernannt wurde. Seine als solcher gehaltenen Vorträge über die deutsche Reichsverfassung (gesammelt, Heidelb. 1904) erregten Widerspruch.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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