- Festigkeit
Festigkeit, der Widerstand, den feste Körper der Zerstörung (Trennung oder Verschiebung ihrer Teile) durch äußere Kräfte (Belastungen) entgegensetzen (tropfbar flüssige und gasförmige Körper besitzen keine F.). Unter der Einwirkung äußerer Kräfte erleidet ein Körper stets Formänderungen, die vorübergehend oder bleibend sein können. Die (durch kleinere Kräfte erzeugten) vorübergehenden Formänderungen sind den wirkenden Kräften proportional; sie verschwinden wieder, sobald die Kräfte zu wirken aufhören, und der Körper nimmt vermöge der Elastizität (s.d.) des Materials seine ursprüngliche Form wieder an. Bei allmählicher und genügender Vergrößerung der Kräfte wird die Elastizitätsgrenze erreicht, nach deren Überschreitung die Formänderungen (z. B. Dehnung und gleichzeitige Kontraktion bei Zugbeanspruchung) bleibend werden, bis schließlich durch weitere Steigerung der äußern Kräfte bis zur Bruchgrenze die Zerstörung des Materials erfolgt. Durch die hierzu gerade erforderliche Belastung (Bruchbelastung) wird die Grenze der F. des Körpers bestimmt. Von großem Einfluß auf die F. ist die Wärme, besonders hohe Temperaturen (Glühhitze), bei denen das Material, z. B. Schmiedeeisen, erweicht und seine F. dann größtenteils verliert. Dieser Wärmeeinfluß macht sich z. B. geltend bei Dampfkesseln (Erglühen der Kesselbleche bei Wassermangel), Gebäuden (Einsturz nicht ummantelter Eisenkonstruktionen bei Feuersbrünsten) etc. Den durch die äußern Kräfte in einem Körper hervorgebrachten Formänderungen wirken nun innere Kräfte als Widerstände entgegen, die den äußern Belastungskräften das Gleichgewicht halten. Diese Widerstände sind abhängig von der Art und Weise, in der die äußern Kräfte auf den Körper einwirken, und es lassen sich nach der Art der Beanspruchung folgende Fälle unterscheiden: 1) Zugfestigkeit (absolute F.), Widerstand gegen Zerreißen, z. B. bei am obern Ende befestigten Drähten, Seilen, Ketten durch unten angehängte Lasten. 2) Druckfestigkeit, Widerstand gegen Zerdrücken (Zerquetschen); Beispiele: Unterlagsquader oder Platten für belastete Träger, Unterstützungsquader für Säulen, Steine in einer Mauer, auf die das Gewicht des darüber befindlichen Mauerwerkes drückt. 3) Biegungsfestigkeit (relative F.), Widerstand gegen Zerbrechung durch Kräfte, die senkrecht zur Längsachse (Stabachse) gerichtet sind; tritt z. B. auf bei einem einseitig eingespannten oder an den Enden unterstützten belasteten Balken. 4) Schub-, Scher-, Gleitungsfestigkeit, der Widerstand gegen das Abscheren (Abschieben) in einem Querschnitt, in dessen Ebene die angreifende Kraft wirkt; z. B. werden die Niete bei Blechverbindungen auf Abscherung beansprucht. 5) Zerknickungs- oder Strebfestigkeit, der Widerstand gegen seitliche Ausbiegung bei Körpern, deren Querschnitt klein im Vergleich zu ihrer Länge ist, und die in Richtung ihrer Längsachse Druckkräften ausgesetzt sind, wie dies z. B. bei Stützen und Säulen in Gebäuden, bei den gedrückten Gliedern der Fachwerksträger, bei den Kolben- und Schubstangen der Dampfmaschinen etc. der Fall ist. 6) Drehungs- oder Torsionsfestigkeit, der Widerstand gegen Verdrehung eines (meist stabförmigen) Körpers um seine geometrische Achse, hervorgerufen durch entgegengesetzt gerichtete Kräftepaare, z. B. bei zylindrischen Wellen. 7) Zusammengesetzte F. Verschiedene Widerstände treten hierbei zugleich auf, z. B. wird der Balken eines versteiften Trägers gleichzeitig auf Biegung und auf Druck beansprucht, eine Welle gleichzeitig auf Biegung und auf Verdrehung.
Den bei Einwirkung äußerer Kräfte auftretenden, auf die Flächeneinheit wirkenden innern Widerstand bezeichnet man als Spannung. Je nach der Größe nennt man: Tragfestigkeit diejenige Spannung, die der Elastizitätsgrenze entspricht, Bruchfestigkeit diejenige Spannung, bei der eine Zerstörung des Materials eintritt. Bei den Festigkeitsberechnungen spielt außerdem noch der Elastizitätsmodul des Materials eine höchst wichtige Rolle, für den vielfach folgende Erklärung gegeben wird: Elastizitätsmodul ist diejenige in der Achsenrichtung wirkende Spannung, bei der ein Stab um seine eigne Länge ausgedehnt oder zusammengedrückt würde, vorausgesetzt, daß die Elastizitätsgrenze dabei nicht überschritten würde, und daß das Material eine solche Formänderung überhaupt zuließe. Diese Voraussetzung trifft allerdings in Wirklichkeit bei den meisten Stoffen nicht zu (nur bei Gummi), daher ist obige Erklärung nicht ganz einwandfrei, indessen leicht faßlich. (Genauere streng wissenschaftliche Erklärung des Elastizitätsmoduls s. unten 1) u. 2), Zug-, bez. Druckfestigkeit.)
Statische Konstruktionen (Gebäude, Brücken, Schiffe, Dampfkessel, Maschinen etc.) müssen die nötige F. besitzen, d. h. ihre Teile müssen den auf sie wirkenden äußern Kräften (Belastungen, Stöße, Wasser- und Dampfdruck) dauernd Widerstand leisten können. Es muß also in allen solchen Fällen die Beanspruchung des Materials nicht nur weit unter der Bruchfestigkeit, sondern auch noch unterhalb der Tragfestigkeit bleiben (die Elastizitätsgrenze darf also nicht erreicht werden), da bei Eintritt bleibender Formänderungen ein Körper seine ursprüngliche Beschaffenheit nicht mehr besitzt, vielmehr schon als teilweise zerstört angesehen werden kann. Diejenige Spannung, die bei Bauausführungen auf die Dauer und mit Sicherheit dem Material zugemutet werden kann, nennt man die zulässige Spannung oder zulässige Inanspruchnahme. Das Verhältnis derselben zu der Bruchfestigkeit heißt der Sicherheitsgrad, der bei den Baukonstruktionen zu etwa 1/4 bis 1/6 für Eisen, zu 1/8 bis 1/10 für Holz und Stein angenommen wird. Über die zulässige Materialbeanspruchung bei Maschinenkonstruktionen sind eingehende Festigkeitsversuche angestellt von Wöhler, Spangenberg, K. v. Bach u. a. Die Wöhlerschen Versuche ergaben folgende Tatsachen: Der Bruch des Eisens läßt sich bei wiederholter Beanspruchung durch eine weit geringere Kraftwirkung erreichen, als bei einmaliger Beanspruchung möglich ist. Die Tragfähigkeit nimmt also ab, wenn die Belastung keine ruhende, sondern eine oft wechselnde ist. Die Abnahme der Tragfähigkeit ist um so größer, je größer der Unterschied der obern und untern Spannungsgrenze ist. Selbst bei sehr oft wiederholter Belastung wird das Eisen nicht zerstört, wenn die Beanspruchung auf ein gewisses Maß beschränkt bleibt. Für die Größe der zulässigen Inanspruchnahme sind also die Belastungsfälle zugrunde zu legen:
1) Die Belastung ist eine ruhende, unveränderliche.
2) Die Belastung wechselt beliebig oft zwischen den Grenzen Null und einem größten Wert (z. B. bei wiederholter Ausdehnung, bez. Zusammendrückung, wiederholter Biegung, wiederholter Drehung nach einer Richtung hin). Für die zulässige Inanspruchnahme sind hier nur zwei Drittel der für ruhende Belastung gültigen Werte zu setzen.
3) Die Belastung wechselt beliebig oft zwischen einem größten positiven und einem in absoluter Beziehung gleichgroßen negativen Wert (z. B. bei wiederholter Biegung und wiederholter Drehung nach entgegengesetzten Richtungen, sowie bei wiederholter Ausdehnung und darauffolgender Zusammendrückung). Bei diesem Belastungsfall darf für die zulässige Inanspruchnahme nur ein Drittel der für ruhende Belastung gültigen Werte eingesetzt werden.
In solchen Fällen, wo die Absicht vorliegt, die Form von Körpern dauernd zu verändern, wie beim Prägen, Schmieden, Walzen, Drahtziehen, muß die von den betreffenden Maschinen auszuübende Kraft über der Elastizitätsgrenze liegen, ohne jedoch die Bruchbelastung zu erreichen. Andre Arten von Maschinen haben geradezu den Zweck, die F. von Körpern zu überwinden, von diesen Körpern einzelne Teile abzutrennen oder sie ganz zu zerkleinern; das sind die verschiedenen Werkzeugmaschinen (Hobel-, Stoß-, Drehbänke, Bohr- und Fräsmaschinen) und die Zerkleinerungsmaschinen (Steinbrecher, Pochwerke). Hier muß die Belastung der Körper, d. h. die zerstörende Kraft der Maschinen, größer sein als die Bruchbelastung der Körper.
1) u. 2) Die Zugfestigkeit (absolute F.) und die Druckfestigkeit. Ein Körper wird auf Zug beansprucht, wenn er der Wirkung zweier entgegengesetzt nach außen gerichteter Kräfte ausgesetzt ist, z. B. in der Art, daß ein prismatischer Stab A (Fig. 1) oben festgehalten und unten durch ein Gewicht belastet ist. Beanspruchung auf Druck findet statt, wenn die beiden entgegengesetzten Kräfte von den Enden des Körpers nach der Mitte zu gerichtet sind; z. B. ein prismatischer Block B (Fig. 2) liegt auf einer Unterlage und hat ein Gewicht zu tragen.
Hat der durch eine Kraft P auf Zug beanspruchte Stab einen Querschnitt von Fqcm, so kann derselbe angesehen werden als bestehend aus F einzelnen Stäben von je 1 qcm. Ist nun k die zulässige Spannung des Materials, so kann jeder Einzelstab mit k, d er ganze Stab vom Querschnitt F daher mit kF kg belastet werden, also: P = kF. Hier kann man eine der drei Größen berechnen, sobald die andern beiden gegeben, bez. bekannt sind. Wenn z. B. die Belastung P gegeben ist, die ein Stab zu tragen hat, außerdem die zulässige Spannung k des Materials bekannt ist (vgl. Tabelle I u. II, S. 468), so findet man für den erforderlichen Querschnitt: F = P:k. Durch die Zugbelastung erfährt der Stab eine Verlängerung λ, die sich erfahrungsgemäß über die ganze Stablänge l verteilt, und zugleich eine Querzusammenziehung (Kontraktion). Die Erfahrung lehrt ferner, daß innerhalb der Elastizitätsgrenze die Verlängerung in demselben Verhältnis zu- oder abnimmt als die Belastung selbst, so daß z. B. bei ein und demselben Stabe 2 P die doppelte Verlängerung, 1/3 P nur den dritten Teil der Verlängerung erzeugen würde als P. Die Verlängerung ist danach proportional der Stablänge und der Belastung. Das Verhältnis der Verlängerung zu der ursprünglichen Stablänge bezeichnet man als Dehnung und drückt dieselbe entweder als Bruch mit dem Zähler 1 oder in Prozenten der ursprünglichen Länge aus (also z. B. die Dehnung beträgt 1/25 oder 4 Proz.). Die Dehnung ε wird hervorgebracht durch die Spannung k, und man nennt das Verhältnis:
den Dehnungskoeffizient, den umgekehrten (reziproken) Wert aber den Elastizitätsmodul E. Danach ist E = Pl/Fλ oder λ = Pl/FE. Z. B. erfährt eine schmiedeeiserne Stange von l = 200 cm Länge und F = 4 qcm Querschnitt, die durch P = 4000 kg belastet ist (bei E = 2,000,000), eine Verlängerung:
λ = 4000.200/4.2000000 = 0,1 cm.
Ganz ähnliche Verhältnisse finden bei der Druckbelastung statt. Die Druckkraft P erzeugt in einem Körper die Druckspannung k und die Verkürzung (negative Verlängerung) λ. Wenn jedoch der Körper bei einer bestimmten Druckbelastung im Verhältnis zu den Querdimensionen eine zu große Länge hat, so würde die Berechnung auf einfachen Druck nicht genügen, weil der Körper seitlich ausbiegen würde. Dann muß die Zerknickungsfestigkeit (s. unter 5) berücksichtigt werden.
Durch Ausglühen oder Anlassen wird die absolute F. der meisten Metalle vermindert. Seile von derselben Dicke sind im allgemeinen um so fester, je seiner die Drähte, die Hanf- oder die Flachsfäden, aus denen sie gefertigt, u. je weniger sie zusammengedreht sind. Durch das Zusammendrehen geraten die Drähte und Fäden schon in einen gespannten Zustand, der ihre F. beeinträchtigt. Auch durch das Teeren und Naßwerden werden die Taue und Stricke und durch das Rosten der Drahtseile wird die F. dieser Körper vermindert.
3) Die Biegungsfestigkeit (relative F.) kommt zur Geltung, wenn ein Körper der Wirkung von entgegengesetzt gerichteten Parallelkräften ausgesetzt ist. Dieser Fall liegt z. B. vor bei allen belasteten Balken (Fig. 3 u. 4). Der an seinem einen Ende fest eingespannte Balken (Fig. 30) wird durch die am andern Ende angehängte Last P gebogen. Dabei werden zwei benachbarte (vor der Biegung parallele) Querschnittsebenen in eine gegeneinander geneigte Lage gebracht.
Die obern Materialfasern des Balkens werden durch die Biegung verlängert, die untern verkürzt. Zwischen beiden muß sich daher eine (mittlere) Faserschicht N N befinden, die weder verlängert noch verkürzt, sondern nur gebogen wird. Diese heißt die neutrale Faserschicht. Die Verlängerungen, bez. Verkürzungen und folglich auch die diesen proportionalen Spannungen aller übrigen Fasern nehmen von der neutralen ab nach außen hin zu.
Jede dieser Spannungen bildet mit dem Abstand der zugehörigen Faser von der neutralen Schicht ein kleines Moment, und die Summe aller dieser Momentchen muß gleich dem Kraftmoment M sein, d. h. gleich dem Produkt der Kraft P und des Abstandes x derselben von der betreffenden Balkenstelle. Die Spannungen der einzelnen Fasern verhalten sich nun wie ihre Abstände von der neutralen Faserschicht, also nach Fig. 3b s:k = y:e oder s = ky/e. Das Momentchen der Spannung einer, Faser vom Querschnitt f ist daher = fky/ey = k/efy2 und die Summe derselben = k/e∑fy2. Den Ausdruck ∑fy2, d. h. Summe aller Flächenteilchen multipliziert mit dem Quadrat ihrer Abstände von der neutralen Faser, nennt man das Trägheitsmoment J. Danach ist: M = k/eJ = kJ/e. Der Bruch J/e, d. h. Trägheitsmoment, dividiert durch den Abstand der am weitesten von der neutralen entfernten Faser, heißt das Widerstandsmoment W. Die Trägheits- und Widerstandsmomente sind abhängig von der Form und Größe der Querschnitte, die Werte derselben findet man in jedem Ingenieur-Hand- oder Taschenbuch. Für ein Rechteck von der Höhe h und der Breite b ist in bezug auf die der Seite b parallele Schwerpunktsachse (neutrale Achse): J = bh3:12 und W = bh2:6. Mit Benutzung der obigen Bezeichnung lautet die allgemeine Biegungsgleichung: M = kW oder Kraftmoment = k x Widerstandsmoment. Die Spannung k, die größte von allen im Querschnitt vorkommenden, darf für Festigkeitsberechnungen die für das Material zulässige Grenze nicht überschreiten und zwar in keinem einzigen der Balkenquerschnitte. Man muß daher die gefährlichen Querschnitte aufsuchen, und das sind diejenigen, für welche die Kraftmomente am größten sind (also für Fig. 3a der Querschnitt dicht an der Einspannungsstelle); die für diese genügend befundenen Abmessungen reichen auch für die andern Querschnitte aus.
Ist der Balken prismatisch, d. h. von überall gleichem Querschnitt, so wird das Material nur in den äußersten Fasern der gefährlichen Querschnitte voll ausgenutzt, an allen übrigen Stellen des Balkens bleibt die Spannung unterhalb der zulässigen Grenze. Wird dagegen der Balken nicht prismatisch ausgeführt, sondern werden alle Querschnitte desselben so berechnet, daß die in ihnen auftretenden Maximalspannungen gleich sind, so bekommt man einen Träger von gleichem Biegungswiderstand. Bei diesem verhalten sich die Kraftmomente wie die Widerstandsmomente. Ist die Zug- und Druckfestigkeit ein und desselben Materials, z. B. des Holzes, des Gußeisens etc., verschieden, so muß die Tragfähigkeit eines Balkens mittels des kleinern jener beiden Werte berechnet werden. Die Tragfähigkeit eines Balkens vom rechteckigen Querschnitt ist seiner Breite (Abmessung f zur Kraftrichtung) und dem Quadrat seiner Höhe (Abmessung zu Kraftrichtung) direkt, seiner Länge indirekt proportional, wird also dargestellt durch die Formel: P = mbh2:l, in der m einen vom Material und von dem Belastungsfall abhängigen Zahlenwert bedeutet. In betreff des Belastungsfalles, also der Art, wie der Balken befestigt, bez. ausgelagert ist, und wie die Last einwirkt, gelten bei gleicher Balkenlänge und gleichem Balkenquerschnitt folgende Sätze: Ist der Balken an einem Ende horizontal fest eingespannt, am andern freien Ende durch eine Einzelkraft belastet (Fig. 30), so ist die Tragkraft = 1. Ist die Last über den ganzen Balken gleichmäßig verteilt, so ist die Tragkraft = 2. Sind beide Enden unterstützt und hängt die Last in der Mitte (Fig. 4), so ist die Tragkraft = 4. Sind beide Enden unterstützt und ist die Last gleichmäßig über die ganze Balkenlänge verteilt, so ist die Tragkraft = 8. Dieselbe Tragkraft hat der an beiden Enden eingemauerte Balken, wenn die Last in der Mitte hängt; ist sie aber in diesem Falle gleichmäßig verteilt, so ist die Tragkraft = 12, d. h. dieser letztere Balken würde eine Gesamtlast = 12 P tragen, während der in Fig. 30 skizzierte Balken nur P tragen kann. In betreff der Größe des Querschnittes bei sonst gleichen Verhältnissen gilt der Satz: Die Tragvermögen zweier Balken von gleicher Länge, aber von verschieden großen quadratischen oder runden Querschnitten verhalten sich zueinander wie die Huben der Seiten oder der Durchmesser dieser Querschnitte. Ein Balken von quadratischem Querschnitt trägt mehr, wenn er auf eine Seite, als wenn er auf eine Kante gestellt wird, bei rechteckigem Querschnitt mehr, wenn er auf die schmale, als wenn er auf die breite Seite gelegt wird, und zwar trägt er, wenn die eine Seite doppelt so breit ist wie die andre, eine doppelt so große Last, wenn man ihn auf die schmale, als wenn man ihn auf die breite Seite legt. Soll ein hölzerner Balken von rechteckigem Querschnitt und größtmöglicher Tragfähigkeit aus einem runden Baumstamm gezimmert werden, so muß das Verhältnis seiner Breite zu seiner Höhe wie 5:7 sein. Für die Tragfähigkeit schmiedeeiserner Träger ist ein I-förmiger, für diejenige gußeiserner Balken ist ein T-förmiger Querschnitt günstig. Die Gestalt des Querschnittes bei gleicher Größe desselben ist ebenfalls von Einfluß, und zwar ist die Tragkraft eines Balkens mit quadratischem Querschnitt geringer als die eines solchen mit rechteckigem Querschnitt, wenn letzterer Balken auf seiner schmalen Seite ruht. Ein hohler Balken trägt bei gleichem Querschnitt mehr als ein voller.
4) Die Schubfestigkeit oder der Widerstand gegen Abscheren hat den Kräften entgegenzuwirken, welche die gegenseitige Verschiebung der Teile eines Körpers zu bewirken streben, z. B. in der Weise, daß auf den vorspringenden Teil eines fest eingespannten Körpers C (Fig. 5) ein andrer scherblattartiger Körper eine Kraft P ausübt.
Bei genügender Kraftwirkung findet ein Abschieben oder Abscheren des Körpers C längs des über der Kante C liegenden Querschnittes statt. Ebenso kommt die Schubfestigkeit in Frage bei dem Stanzen oder Durchpunzen von Blechen behufs Herstellung der Nietlöcher. Die vor dem Abscheren entstehenden Spannungen liegen jetzt in der Richtung des Trennungsquerschnittes, während sie bei der Zug- und Druckfestigkeit senkrecht dazu standen. Die Beziehungen zwischen Belastung, Spannung und Querschnitt sind bei der Schubfestigkeit genau dieselben wie bei der Zug- und Druckfestigkeit. Die zulässige Schubspannung ist bei homogenem (nicht spaltbarem) Material etwa 4/5 der zulässigen Zug- und Druckspannung anzunehmen, wenn man von diesen den kleinern Wert einführt (bei Holz in der Spaltrichtung nur 1/6 k bis 1/8 k). Die Schubkräfte treten in jedem auf Biegung in Anspruch genommenen Balken auf, indem sie die Fasern desselben sowohl parallel als rechtwinklig zu seiner neutralen Achse übereinander zu verschieben suchen. Die horizontalen Schubkräfte sind den vertikalen direkt proportional, erreichen in den äußersten Fasern der gefährlichen Querschnitte (also an den Stellen, wo Mmax entsteht) ihr Minimum und in der neutralen Horizontalschicht an den Stellen, wo M = O ist (also beim Träger auf zwei Stützen über den Auflagern), ihr Maximum. Die vertikalen Schubkräfte eines beliebigen Vertikalschnittes ergeben sich aus der Differenz des lotrecht nach oben gerichteten Auflagerdruckes und des lotrecht nach unten wirkenden Gewichts, bez. der Belastung des zwischen dem Auflager und jenem Schnitt gelegenen Trägerstückes.
5) Die Zerknickungs- oder Strebefestigkeit kommt in Betracht bei längern stabförmigen Körpern, die ein gewisses Verhältnis ihrer Länge zu ihrer kleinsten Querschnittsabmessung überschreiten und bei hinreichender Belastung seitlich ausbiegen würden. Die Ausbiegung ist verschieden, je nachdem der belastete Stab 1) an einem Ende festgehalten, am andern frei (Fig. 6a) oder 2) an beiden Enden drehbar befestigt (Fig. 6b) oder 3) an beiden Enden festgehalten ist (Fig. 6 c). Bei gleichen Längen, Querschnitten und Stoffen verhalten sich die möglichen Belastungen dieser Stäbe wie 1/4:1:4. Meistens liegt der Fall Fig. 6b vor. Für diesen ist die Tragkraft: P = 1/n π2/l2. Hierin bezeichnet 1/n den Sicherheitsgrad, den man bei Schmiedeeisen = 1/5, bei Gußeisen = 1/7,5, bei Holz und Stein = 1/12,5 annehmen kann. Die Länge l ist in Zentimetern einzusetzen, der Elastizitätsmodul E ist aus der Tabelle (S. 469) zu entnehmen. Gewöhnlich ist P und l gegeben, während der Querschnitt des Stabes (Säule, Bleuelstange, Kolbenstange, Druckstrebe bei Fachwerksträgern etc.) gesucht wird.
Durch Auflösung der obigen Gleichung für J erhält man dann (π2 = ~ 10 gesetzt) für Schmiedeeisen, Gußeisen, Holz und Stein: J = 1/2Pl2/E, bez. = 3/4Pl2/E, bez. = 5/4Pl2/E. J ist das erforderliche Trägheitsmoment der Querschnittsfläche. Bei quadratischem Querschnitt mit der Seitenlänge a ist J = a4:12, bei rundem massiven Querschnitt mit dem Durchmesser D ist J = D4π:64, bei rundem hohlen Querschnitt (D äußerer, d innerer Durchmesser) ist J = (D4 – d4)π:64. Im letztern Fall ist d anzunehmen und D danach zu berechnen, z. B. für eine gußeiserne runde Hohlsäule sei P = 30,000 kg, l = 400 cm. Es wird dann: J = 3.30000.4002/4.1000000 = 3600 und bei d = 16 cm: D = ∜64J/π + d4 = ∜64.3600/3,14 + 164 = 19,4cm. Die Wandstärke der Säule wird: d = 1/2 (19,4 – 16) = 1,7 cm. Außer der Berechnung auf Zerknicken ist immer noch eine Berechnung auf Druck vorzunehmen, um festzustellen, ob die Druckspannung die zulässige Grenze nicht überschreitet, z. B. ist der Querschnitt der obigen Säule: F = (19,42 – 162)π:4 = 94,5 qcm, folglich: k = P:F = 30000:94,5 = 317 kg/qcm.
6) Die Torsionsfestigkeit oder der Widerstand gegen Verdrehen kommt namentlich bei Maschinenteilen, z. B. zylindrischen Wellen, in Betracht.
Fig. 7 veranschaulicht die Beanspruchung auf Torsion. Ein runder Stab A ist an seinem einen Ende festgehalten, am andern freien Ende wirkt das verdrehende Kraftmoment PR. Dadurch kommt die vorher gerade, der geometrischen Stabachse parallele, äußere Faser a b in die Lage a b' und der Radius c b der Endfläche in die Lage c b'. Der Winkel b c b', d. h. der Winkel, der die Verdrehung der äußersten Fasern mißt, heißt der Torsionswinkel φ. Bei der Verdrehung werden die einzelnen Querschnittsflächen des Stabes gegeneinander verschoben, die hierbei auftretenden Spannungen sind daher Schubspannungen. Bedeutet t die Schubspannung in den äußersten Fasern, E, den Schub-Elastizitätsmodul (s. Tabelle S. 469), so ist der Verdrehungswinkel: φ=2tl:E1d. Das Torsionsmoment PR ist proportional dem auf die geometrische Stabachse bezogenen Trägheitsmoment Je und umgekehrt proportional dem Durchmesser d, und wird dargestellt durch die Formel: PR=2tJc:d, und wenn für Jc der Wert d4π:32 eingesetzt wird: PR=d3πtt:16. Hieraus ergibt sich der Durchmesser d einer schmiedeeisernen Welle (bei t=365kg/qcm) zu:
Ist bei einer Welle das verdrehende Moment PR nicht direkt gegeben, sondern die Anzahl der zu übertragenden Pferdekräfte = N und die Anzahl der Umdrehungen in der Minute = n, so wird.
Lange dünne Wellen (sogen. Transmissionswellen) werden berechnet unter der Annahme, daß der Verdrehungswinkel ρ für 1m Länge 1/4° betragen soll. Der Durchmesser d ergibt sich dann zu:
Diese letzte Formel ist anzuwenden bei Wellen bis zu 20 cm Durchmesser, für stärkere Wellen ist die vorhergehende Formel maßgebend.
7) Zusammengesetzte F. kommt häufig vor, ist aber rechnerisch oft schwer zu berücksichtigen. Sehr gewöhnliche Fälle sind das gleichzeitige Auftreten von Biegung und Zug oder Druck, Biegung und Verdrehung. Auch bei der Berechnung von Gefäßwänden spielt die zusammengesetzte F. eine Rolle.
Herrscht in einem Gefäß der innere Druck p auf 1 qcm, so ist es zulässig, wenn p verhältnismäßig klein ist und folglich die Wandstärke im Verhältnis zur Lichtweite des Gefäßes nicht bedeutend wird, gleichförmige Spannungsverteilung anzunehmen. Unter dieser Annahme ist z. B. bei einem zylindrischen Gefäß mit gewölbtem Boden (Fig. 8) die Wandstärke δ zu berechnen nach:
wobei k die zulässige Inanspruchnahme des Materials bedeutet. Der Radius des gewölbten Bodens muß gleich dem Durchmesser des zylindrischen Teiles sein, damit gleiche Sicherheit vorhanden ist.
Bei Gefäßen mit sehr starkem innern Druck, bei denen die Wandstärke im Verhältnis zur Licht weite groß ausfällt, trifft die Annahme der gleichmäßigen Spannungsverteilung nicht mehr zu. Dies ist unter anderm der Fall bei zylindrischen stählernen Gefäßen für flüssige Gase, bei Kanonenrohren etc. Die Wandstärke ist alsdann zu berechnen nach der von C. v. Bach aufgestellten Formel:
z. B. wird für d=20cm, k=1000 kg auf 1qcm, p=200 kg auf 1 qcm
Die Spannung an der Innenwandung ist bei solchen Gefäßen, bez. Rohren stets bedeutend größer als außen, und es würden sich unter Voraussetzung homogenen Materials bei Überanstrengung zuerst Risse an der Innenseite zeigen. Diesem Übelstande kann man einigermaßen dadurch vorbeugen, daß man, wie es beispielsweise bei den Kruppschen Ringkanonen geschieht, die Rohre aus einzelnen Teilen zusammensetzt und auf das innere durchgehende Kernrohr besondere Ringe mit Schrinkmaß warm auszieht, so daß sie nach der erfolgten Abkühlung einen von außen nach innen gerichteten Druck auf das Kernrohr ausüben.
Vgl. Clebsch, Theorie der Elastizität fester Körper (Leipz. 1862); Winkler, Die Lehre von der Elastizität und F. (Prag 1868); Grashof, Theorie der Elastizität und F. (2. Aufl., Berl. 1878); v. Bach, Elastizität und F. (4. Aufl., das. 1902); Kurz, Taschenbuch der Festigkeitslehre (das. 1877); Keck, Elastizitätslehre (Hannov. 1893); H. Müller, Elementarhandbuch der Festigkeitslehre (Berl. 1875); Lauenstein, Die Festigkeitslehre, elementares Lehrbuch (8. Aufl., Stuttg. 1904); Klimpert, Elastizität und F. (das. 1888); Glinzer, Grundriß der Festigkeitslehre (2. Aufl., Dresd. 1898); Simerka, Elemente der Festigkeitslehre (2. Aufl., Pilsen 1891); Claussen, Statik und Festigkeitslehre (Berl. 1893); Rebber, Die Festigkeitslehre und ihre Anwendung auf den Maschinenbau (4. Aufl. von Hummel, Mittweida 1900).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.