- Essex [3]
Essex, engl. Adelstitel, der vom 12.–16. Jahrh. nacheinander von den Familien Mandeville, Fitzpiers, Bohun und Bourchier geführt ward. Heinrich VIII. verlieh ihn 1539 seinem Günstling Thomas Cromwell (s.d.), später dem Bruder seiner sechsten Gemahlin, William Parr, von dem er 1572 auf die Familie Devereux überging. Dieser gehören an:
1) Walter Devereux, Viscount von Hereford, gest. 22. Sept. 1576, unterdrückte unter Elisabeth den Aufstand der Grafen von Northumberland und Westmorland und ward 1572 zum Grafen von E. und Ritter des Hosenbandordens ernannt. 1573 unternahm er eine Expedition gegen das aufständische Irland, die aber bei dem Mangel an Unterstützung aus der Heimat keinen großen Erfolg hatte.
2) Robert Devereux, Graf von, Sohn des vorigen, geb. 10. Nov. 1567, gest. 25. Febr. 1601, ward 1584 am Hof eingeführt, wo die Königin alsbald dem schönen, hochbegabten Jüngling ihre Aufmerksamkeit schenkte. 1585 begleitete er seinen Stiefvater, Lord Leicester, nach Holland, zeichnete sich in der Schlacht bei Zütphen aus und ward zum General der Kavallerie und bei seiner Rückkehr nach England zum Großfstallmeister ernannt. Nach Leicesters Tod (1588) ward er der Königin erklärter Günstling. In demselben Jahre mit einem Kommando gegen die spanische Armada betraut, nahm er gegen den Willen der Königin 1589 an dem Kriegszug teil, durch den Norris und Francis Drake den Dom Antonio wieder auf den portugiesischen Thron setzen wollten. Trotzdem behauptete er sich in Elisabeths Gunst. 1591 erhielt er den Oberbefehl über das Korps, das die Königin zur Unterstützung Heinrichs IV. nach Frankreich sandte, ward 1593 Mitglied des Geheimen Rats, unternahm 1596 mit dem Admiral Howard einen Handstreich auf Cadiz, wodurch England in Besitz reicher Beute gelangte, ohne daß jedoch der Platz behauptet werden konnte, und ward 1597 Großmeister der Artillerie. Elisabeths Verhältnis zu E. wechselte zwischen Gnade, Eifersucht und Leidenschaft, während E. selbst keine eigentliche Neigung für die alternde Königin empfand. Sein Unabhängigkeitssinn trieb ihn, sich von der Herrschaft einer Frau zu emanzipieren: sie hat ihm einmal in der Aufwallung über seine unehrerbietige Haltung einen Backenstreich gegeben, er darauf aus Schwert gegriffen; auch in seinen Briefen wechselt der Ausdruck der Unterwürfigkeit mit Äußerungen des Widerstrebens. 1599 wurde E. zum Statthalter von Irland ernannt, um den Aufstand des Grafen von Tyrone niederzuschlagen. Da aber seine Streitkräfte hierzu nicht ausreichten, schloß er mit den Aufständischen einen Vertrag, eilte gegen den ausdrücklichen Befehl der Königin im September 1599 nach London zurück und drang ungestüm bis in ihr Schlafgemach, um sich gegen die Anschuldigungen seiner Gegner zu verteidigen. Die Königin nahm ihn zuerst gnädig auf, ließ ihn dann aber verhaften und ihm den Prozeß machen, worauf er 5. Juni 1600 zum Verlust seiner Ämter und zum Arrest auf unbestimmte Zeit verurteilt wurde. Freigelassen, knüpfte er, als seine Versuche, sich Elisabeth wieder zu nähern, erfolglos blieben, geheime Verbindungen in Schottland an und suchte im Februar 1601 einen Aufstand in London zu erregen, wurde aber gefangen genommen, zum Tode verurteilt und, als Elisabeth nach anfänglichem Zögern 24. Febr. das Todesurteil bestätigt hatte, am folgenden Tag enthauptet. Die Erzählung von dem Ring, den ihm Elisabeth früher geschenkt haben soll mit der Weisung, ihr denselben, wenn sie ihm einst zürnen sollte, zu senden, und den die mit der Übergabe an Elisabeth von E. beauftragte Gräfin Nottingham unterschlagen habe, ist unhistorisch. E.' tragisches Ende ward vielfach dichterisch behandelt, so von dem Engländer J. Banks (1682), 1856 von Laube in dem Trauerspiel »Graf E.« und 1860 von K. Werder (»Politik und Liebe«).
3) Robert Devereux, Graf von, Sohn des vorigen, geb. 1591, gest. 14. Sept. 1646, wurde 1603 in den Besitz der Würden und Güter seines Vaters wieder eingesetzt. 1620 trat er in die Dienste des Kurfürsten von der Pfalz, schloß sich, 1621 nach England zurückgekehrt, im Parlament der Opposition an und befehligte 1624 ein für die niederländischen Provinzen in England geworbenes Regiment. Von Karl I. zum Vizeadmiral ernannt, unternahm er 1625 eine erfolglose Expedition gegen die Spanier und einen Feldzug in den Niederlanden. 1640 unterzeichnete er die Petition an den König um Berufung eines Parlaments und übernahm, als es zwischen diesem und dem König zum Bruch kam, obwohl ohne militärische Begabung, den Oberbefehl des Parlamentsheeres. In den Schlachten bei Edgehill (23. Okt. 1642) und Newbury (19. Sept. 1643) siegte er, mußte aber im September 1644, nachdem sein Heer in Cornwallis kapituliert hatte, fliehen und legte den Oberbefehl nieder. Da mit ihm die Familie der Devereux erlosch, so ging der Titel E. 1661 auf das Haus Capel (Capell) über. Der erste Graf von E. aus diesem Haus, Arthur, geb. im Januar 1631, wurde 1683 wegen angeblicher Teilnahme an einer Verschwörung gegen Karl II. in den Tower gebracht, wo man ihn nach wenigen Tagen mit durchschnittener Kehle fand. Jetziger Graf von E. ist seit 10. Sept. 1892 George Devereux de Vere Capell, geb. 1857. Vgl. Walter Bourchier Devereux, Life and letters of the Earls of E. 1540–1646 (Lond. 1852, 2 Bde.).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.