- Dannecker
Dannecker, Johann Heinrich von, Bildhauer, geb. 15. Okt. 1758 in Waldenbuch bei Stuttgart, gest. 8. Dez. 1841 in Stuttgart, wurde seit 1771 in der Karlsschule gebildet und zwei Jahre später in die Bildhauerableitung aufgenommen, wo er den Unterricht Le Jeunes genoß. Seit 1780 Hofbildhauer, war er für die Ausschmückung der herzoglichen Schlösser mit Genien, Kindern und Karyatiden tätig. Einen engen Freundschaftsbund schloß er während dieser Zeit mit Schiller, Zumsteeg und dem Bildhauer Scheffauer. 1783 besuchte er mit Scheffauer Paris, wo er in Pajous Atelier arbeitete, und ging 1785 mit ihm nach Rom, wo das Studium der Antike und namentlich der Umgang mit Canova auf ihn einwirkten. Auch Herder und Goethe lernte er hier kennen. In Rom entstanden seine ersten Marmorwerke, die Statuen des Bacchus und der Ceres, jetzt im königlichen Schloß zu Stuttgart. 1790 kehrte er ins Vaterland zurück. Anfangs mußte er sich als Professor der bildenden Künste an der Karlsakademie den Anordnungen des Herzogs fügen und viele Zeit mit Anfertigung von Skizzen und Entwürfen für den Herzog hinbringen. Doch gestalteten sich seine Verhältnisse immer günstiger, je höher sein Künstlerruhm stieg, so daß die hervorragendsten Personen von ihm porträtiert wurden. Zu seinen Schülern gehören F. Distelbarth, F. S. Zwerger, H. Imhoff, Wagner u. v. a. Die letzten Jahre seines Lebens wurden getrübt durch Geistesschwäche, die sich bis zum Verlust des Gedächtnisses steigerte, weshalb er 1839 die Direktion der Kunstschule niederlegte. D. gehört zu den Bildhauern, die durch engen Anschluß an die Antike die plastische Kunst ihrer Zeit neu zu beleben suchten. Nur fand er zu monumentaler Betätigung wenig Gelegenheit. Das erste Werk Danneckers nach seiner Heimkehr von Rom war ein Mädchen, das um einen Vogel weint. Um 1795 entstanden: Psyche, die von dem Flußgott halbtot aus dem Wasser getragen wird, und Hektor, der den Paris der Weichlichkeit beschuldigt. 1797 vollendete er die erste Büste Schillers nach der Natur und in Lebensgröße (in der Bibliothek zu Weimar). Eine zweite kolossale Büste in carrarischem Marmor, ein geniales Werk, das er in seinem Atelier zurückbehielt, befindet sich, leider von dem schwachsinnig gewordenen Künstler selbst in dem herrlichen Lockenschmuck verstümmelt, im Dannecker-Kabinett des Museums zu Stuttgart; eine dritte Büste Schillers fertigte D. für den damaligen Kronprinzen Ludwig von Bayern. 1804 führte er das Grabmal des Grafen Zeppelin in Marmor aus (im Park zu Ludwigsburg). 1806 begann D. die in zahlreichen Kopien später weitverbreitete, nackte Ariadne auf dem Panther (im Bethmannschen Garten zu Frankfurt a. M.), ein Werk, das ihn mehr als andre seiner Schöpfungen volkstümlich gemacht hat. Zu derselben Zeit fertigte D. das Modell zu der Wasser- und Wiesennymphe am Bassin des obern Sees der Stuttgarter Anlagen und eine Statuette des Amor mit gesenktem Pfeil und Bogen. 1814 führte er das Modell zur Psyche für den englischen General Murray aus. Um diese Zeit faßte D. die Idee zu einer Christusstatue, die er acht Jahre lang mit sich herumtrug, bis ihm ein Traumgesicht das Urbild zu seinem Ideal zeigte. Das 1818 vollendete Werk versinnbildlicht Christus als den Mittler zwischen Gott und dem Menschen, indem er spricht: »Durch mich geht der Weg zum Vater«. Der Heiland deutet mit der Rechten auf sich selbst, mit der Linken zum himmlischen Vater. Das Werk wurde (1824 in Marmor vollendet) von der Kaiserin von Rußland für die neue Kirche in Moskau erworben; eine zweite Ausführung in Marmor, vom Künstler 1831 vollendet und von energischerm Ausdruck, befindet sich in der Thurn und Taxisschen Gruftkirche in Regensburg. Außer diesen Werken schuf D. noch das Grabmonument der Erbprinzessin Ida von Oldenburg, die Statue des Evangelisten Johannes, 1826 für die Begräbniskapelle auf dem Rothenberg gearbeitet, ferner eine Reihe Reliefs, bekannt als »Danneckers Traum«. D. steht zwischen Canova und Thorwaldsen; es fehlte ihm die geniale schöpferische Kraft, dafür aber war ihm im vollen Maß eine sein fühlende, harmonisch ausgeglichene Natur verliehen. Seine Hauptvorzüge sind das warme, sinnige Leben, das er aus seinem eignen Reichtum auf seine Gebilde übertrug, das zarte Naturverständnis, das sich bei ihm vom höchsten geistigen Ausdruck im Menschenantlitz bis zu den eigentümlichsten Gebärden des Tieres erstreckt, und der liebevolle technische Fleiß, von dem seine Werke Zeugnis geben. 1888 wurde ein Denkmal für D. von Curfeß auf dem Schloßplatz in Stuttgart enthüllt. Eine Auswahl seiner Werke, mit Biographie, wurde von Grüneisen u. Wagner (Hamb. 1841) herausgegeben. Vgl. Beyer-Boppard, Danneckers Ariadne (Frankf. a. M. 1902).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.