- Chevalier [2]
Chevalier (spr. schwalljē), 1) Michel, franz. Nationalökonom, geb. 13. Jan. 1806 in Limoges, gest. 28. Nov. 1879 in Montpellier, besuchte die polytechnische Schule in Paris, von 1825 an eine bergmännische Bildungsanstalt und erhielt kurz vor der Julirevolution eine Anstellung als Ingenieur im Norddepartement. Nachdem er aus Gesundheitsrücksichten sein Amt niedergelegt hatte, schrieb er, dem Saint-Simonismus zuneigend, mehrere Artikel in die Saint-Simonistischen Blätter »Organisateur« und »Globe«. Nach dem Ausbruch des Zerwürfnisses zwischen Bazard und Enfantin folgte er dem letztern 1832 nach dessen Niederlassung (»la Retraite«) zu Ménilmontant und lieferte für das »Livre nouveau«, eine Art Simonistischen Testaments, eine »Esquisse de géologie poétique«. Als die Gesellschaft Enfantins wegen Gefährdung der öffentlichen Sittlichkeit unter Anklage gestellt wurde, ward auch C. zu einjähriger Hast verurteilt. Noch vor Beendigung derselben wieder freigelassen, wandte er sich praktischern Studien zu und bereiste 1833–35 im Auftrage der Regierung Nordamerika, Mexiko und Cuba, um das dortige Kanal- und Straßenbauwesen kennen zu lernen. Über diese Reise lieferte er in das »Journal des Débats« interessante Berichte, die 1836 gesammelt u. d. T.: »Lettres sur l'Amérique du Nord« (4. Aufl., Par. 1842, 2 Bde.; deutsch, Leipz. 1837, 4 Bde.) erschienen. Im Frühjahr 1837 nach England gesandt, um über die ausgebrochene Handelskrisis zu berichten, erhielt er durch einen Sturz aus dem Wagen eine Kopfwunde, zu deren Heilung er die Pyrenäenbäder besuchen mußte. Sein Augenmerk war fortan vornehmlich auf Hebung des Eisenbahnwesens wie überhaupt der wirtschaftlichen Interessen seines Vaterlandes gerichtet. 1836 wurde er zum Ritter der Ehrenlegion, 1838 zum Staatsrat im außerordentlichen Dienst, 1840 zum Professor der Nationalökonomie am Collège de France und 1841 zum Oberingenieur des Bergbaues ernannt. Vom Depart. Aveyron 1845 in die Kammer abgeordnet, vertrat er hier den Freihandel und wurde deshalb nicht wieder gewählt. Nach dem Staatsstreich vom 2. Dez. 1851 wurde er Staatsrat im ordentlichen Dienst, 1860 Senator. An dem Abschluß des englisch-französischen Handelsvertrags von 1860, den er mit seinen britischen Gesinnungsgenossen Cobden und Bright vorbereitete, nahm er einen hervorragenden Anteil, wie er überhaupt im Senat wie in der Presse nachdrücklich für den Freihandel eintrat. Demgemäß bekämpfte er auch nach dem Sturz des Kaiserreichs die von Thiers angebahnte Handelspolitik. Von seinen frühern Schriften sind noch hervorzuheben: »Des intérêts matériels en France« (1837, 7. Aufl. 1843; deutsch, Stuttg. 1838); »Histoire et description des voies du communication aux Etat-Unis« (1840–42, 2 Bde.); die »Essais de politique industrielle« (1843); »Cours d'économie politique« (Bd. 1 u. 2,1842–44; Bd. 3: »La monnaie«, 1850; 2. Aufl., 1855–66, 3 Bde.; Bd. 1 u. 2, deutsch von Horn: »Zwölf nationalökonomische Vorträge«, Leipz. 1856); »L'isthme de Panama, suivi d'un aperçu sur l'isthme de Suez« (1844). Nach der Revolution von 1848 bekämpfte er besonders die sozialistischen Theorien von Louis Blanc in den »Questions de travailleurs« (deutsch von Hauser, Aachen 1848) sowie in der »Revue des Deux Monds« und im »Journal des Débats«. Eine Reihe der in diesen Zeitschriften veröffentlichten Artikel erschien gesammelt unter den Titeln: »Lettres sur l'organisation du travail« (1848) und »Questions politiques et sociales« (1852). Er war Delegierter bei den Weltausstellungen in London (1862) und Paris (1867) und leitete die Veröffentlichung der umfangreichen Berichte über die letztere (1868, 13 Bde.), deren Einleitung von Horn ins Deutsche übersetzt wurde (»Die Weltindustrie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts«, Leipz. 1869).
2) Sulpice, franz. Zeichner, s. Gavarni.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.