- Handelspolitik
Handelspolitik, der Inbegriff der Grundsätze, nach denen der Staat seine Interessen auf dem Gebiet des Handels wahrt. Die von ihm zu ergreifenden Maßregeln, die immer auf geschichtlich gewordene Zustände Rücksicht zu nehmen haben, verfolgen teils den Zweck, den Handel direkt und indirekt zu heben und zu fördern, teils sind sie auf Beschränkungen desselben gerichtet. Eine verschiedene Stellung nehmen in der H. Innen- und Außenhandel ein. Der Innenhandel wurde früher vielfach durch Binnenzölle, persönliche Berechtigungen, wie Stapel-, Umschlagsrechte etc., beschränkt. Heute sind diese Schranken fast alle gefallen, die Kulturländer haben für den Binnenhandel meist den Gedanken der Handelsfreiheit verwirklicht. Beschränkungen, die heute bestehen, dienen teils dem Interesse der Sittlichkeit, Sicherheit und Gesundheit (z. B. die Bestimmungen über den Handel mit Gift, Branntwein, Dynamit, gebrauchten Sachen, über Rückkaufsgeschäfte, Hausierwesen etc.), teils dem einer gleichmäßigen Besteuerung (Bestimmungen über Wanderhandel, Warenauktionen etc.), teils auch dem einer allgemeinen, für den Handel selbst nötigen Ordnung (Meß-, Markt-, Börsenordnung etc.). Zur Pflege und Förderung des Handels dienen die Einrichtung von Handelsgerichten nebst entsprechender Berücksichtigung der besondern Bedürfnisse des Handels in der Rechtsordnung, von Handelskammern, Handelsschulen, Ausstellungen etc., dann insbes. alle Maßregeln und Anstalten, die eine Hebung und Sicherung des Verkehrs herbeiführen. Die auf den Außenhandel gerichtete H. erstrebt teils Sicherung und Wahrung der heimischen Interessen im Ausland (konsularische Vertretungen, Handelsverträge), teils die Erhaltung und Hebung der eignen Industrie durch Beschränkungen (Einfuhrzölle, Einfuhrverbote; vgl. Merkantilsystem, Freihandel und Zölle) oder durch Beschaffung von Mitteln, deren der Handel zu seiner Entwickelung bedarf (Handelsstatistik, Exportmusterlager, Konsulatsberichte etc.). Eine wichtige Rolle für den Handel spielen die Transportmittel (Eisenbahnen, deren Tarifgestaltung, Eisenbahnfrachtrecht, Schiffahrt). Dann kann von hoher Bedeutung für ihn eine gesunde Kolonialpolitik sein, wenn dadurch Handelsbeziehungen mit fremden großen Absatzgebieten angebahnt und dauernd unterhalten werden. Vgl. »Die H. der wichtigern Kulturstaaten in den letzten Jahrzehnten« (Bd. 49–51 u. 57 der »Schriften des Vereins für Sozialpolitik«, Leipz. 1891–93); »Beiträge zur neuesten H. Deutschlands« (ebenda, Bd. 90–92,1900–01) und »Österreichs« (Bd. 93, 1901); Grunzel, Handbuch der internationalen H. (Wien 1898) und System der H. (Leipz. 1901); van der Borght, Handel und H. (das. 1900); Helfferich, Handelspolitik (das. 1901); Zimmermann, Die H. des Deutschen Reiches vom Frankfurter Frieden bis zur Gegenwart (2. Aufl., Berl. 1901); Schippel, Grundzüge der H. (das. 1902); Artikel H. im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, Bd. 4 (2. Aufl., Jena 1900).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.