- Wappen
Wappen (franz. Armes, engl. Arms, ital. Arme; hierzu Tafel »Wappen I-IV« mit Text beilage: »Wappen und Landesfarben sämtlicher Länder«), ursprünglich die ganze Rüstung, an der man im Heer einen Gewaffneten vom andern unterschied. Seit dem Ende des 12. Jahrh. die Bezeichnung für Schild- und Helmzeichen, also für Waffenauszeichnungen, die im Felde von den Heerführern wie von den einzelnen Rittern zur Unterscheidung voneinander und zur Erkennung getragen wurden. Anfangs diente neben dem Schild auch die Fahne als Träger des Abzeichens, weshalb die Fahne selbst »Zeichen« genannt wird. Der Schild als Träger des Wappens tritt im letzten Viertel des 12. Jahrh. in den Vordergrund. Nur die Herren mit ritterlichem Gefolge hatten ursprünglich ein eignes W. (in den Liedern jener Zeit »Sonderwappen« genannt), während die Ritter des letzten Heerschildes einen uniformen, mit dem W. ihres Herrn gekennzeichneten Schild führten und darum Einschildritter genannt wurden. Erst gegen das Ende des 13. Jahrh. kam es auf, daß sich diese Leute eigne W. erwählten. Die mit der Zeit erblich gewordenen W. nennt man Geschlechtswappen, die auf Besitztümer ritterbürtiger Familien übertragenen W. Herrschaftswappen, woraus sich später die Landeswappen entwickelten. Etwa eine Generation nach der Einbürgerung der Topfhelme (etwa 1230) trat ein selbständiges und erbliches Helmzeichen zu dem W. Um 1260 wurde es Sitte, die beiden Embleme zu einem Gesamtbild zu vereinigen, indem man dem gelehnten Schilde den Helm aufstülpte. Aber erst gegen den Schluß des 14. Jahrh. galten, wie noch heute, Schild und Helm (s. d.) als notwendige Bestandteile des Wappens. In der Folgezeit wurden die W. durch Hinzufügung der Thronzelte, Wappenmäntel (s. d.), Rangkronen (s. Krone), Wappensprüche oder Devisen (s. d.) erweitert und bereichert. Die Hinzufügung von Schildhaltern (s. d., wilden Männern, Löwen, Leoparden, Hirschen etc.) und Ordenszeichen wurde ebenfalls erst in späterer Zeit (seit dem 16. Jahrh.) gewöhnlich. Bald nach 1200 wurde es üblich, zwei und mehrere W. vereint zu führen. Bei der Vereinigung von zwei W. geschah dies dadurch, daß man jedes W. halbierte und je die Hälfte des einen Wappens mit der Hälfte des andern im Schilde zusammenfügte (sogen. monogrammatische Vereinigung). Auf diese Weise entstanden die seltsamsten Figurenverbindungen, z. B. ein Tier halb Löwe, halb Adler, desgleichen die zahlreichen halben Adler, die überall, wo sie heute noch vorkommen, auf eine Wappenvereinigung deuten. Eine andre Art der Vereinigung von zwei W. ist die Verschränkung im quadrierten Schild (écartelé), so daß jedes Bild zwei Felder, die einander schräg gegenüberliegen, einnimmt. Das älteste der auf solche Art quadrierten W. ist das spanische, das schon im 13. Jahrh. aus Kastilien und Leon geviert ist. Demnächst folgte König Johann von Böhmen, der 1323 Böhmen und Luxemburg quadriert führte; England quadrierte seinen Schild 1337 mit Frankreich. Diese Neuerung bürgerte sich ziemlich rasch ein, und in den nächsten Jahrhunderten herrschte bis zum kleinen Adel herab eine förmliche Sucht nach quadrierten W. Daraus entstanden die vielfeldigen W., die gleichsam eine heraldische Übersicht über den wirklichen und vermeintlichen Besitz eines großen Hauses sind. W., die den Anspruch oder die erbliche Berechtigung auf einen Besitz kennzeichnen sollen, nennt man Anspruchs- oder Erbschaftswappen. Man teilte den Schild in so viele Felder, als Einzelwappen unterzubringen waren; ungerade Zahlen wurden durch Einfügung von Mittelschildern u. dgl. ausgeglichen. Bei solchen komplizierten W. wurde von der Verschränkung abgesehen. Zur Unterscheid ung abgeteilter Linien oder zur Kennzeichnung jüngerer Geburt und unechter Abkunft dienen die sogen. Beizeichen (s. d.).
Das Wesentliche jedes Wappens sind: das Bild und die Farben (Tinkturen, s. Heraldische Farben). Die Bilder sind teils dem Wappenwesen eigentümlich (s. Heroldsfiguren), teils gemeine (natürliche und künstliche). Von den Sinnbildern der Religion bis zu Gegenständen des täglichen Gebrauchs sind alle erdenklichen Dinge im Wappenwesen vertreten (vgl. Gemeine Figuren). Die Vorstellungen, die den W. zugrunde liegen, sind allgemeiner Natur; eigentümlich ist dem Wappenwesen nur die Hieroglyphe, die ihre Eigenart durch die Notwendigkeit erhalten hat, in einem engen Raum eine weithin erkennbare Darstellung zu geben. Solche W., deren Bilder den Namen des Besitzers angeben, z. B. Fuchs, Wolf, oder ihn durch Verbindung von mehreren Gegenständen versinnlichen, wie z. B. ein Stern auf einem Felsen: Sternfels, eine Henne auf einem Berg: Henneberg, nennt man redende oder Namenwappen (s. d.). Gewöhnlich teilt man die W. in 1) Familien-o der Geschlechtswappen, 2) Gemeinschaftswappen (von Ländern, Städten, Bistümern, Stiftern, Zünften u. dgl.) und 3) Amtswappen, die mit gewissen Würden in Verbindung stehen, z. B. früher mit den Erbämtern des römischen Reiches. Nach der Art ihrer Entstehung kann man die W. auch in Urwappen, d. h. solche, die zur Zeit, als die W. aufkamen, entstanden und von da ab weitergeführt wurden, und in Briefwappen, die durch ein Diplom von seiten des Staatsoberhaupts (seit dem 14. Jahrh.) verliehen wurden, teilen. In Preußen und Bayern heißt die Behörde, der die Ausstellung der W. obliegt, das Heroldsamt (s. d.). Die vereinigten W. eines Ehepaares nennt man Allianz- oder Heiratswappen (s. Allianzwappen). Das W. des Mannes steht heraldisch gewöhnlich rechts, das der Frau links. Auch die W. der Erzbischöfe und Bischöfe sind zumeist vereinigte W. (aus dem W. des Stifts und dem Familienwappen). Eine Darstellung der im Wappenwesen geltenden Rechtssätze (Wappenrecht) gab F. Hauptmann in dem Werke »Das Wappenrecht« (Bonn 1896). Weiteres über die kunstgerechte Beschreibung der W., über die ältern Wappenbücher und die heraldische Literatur im allgemeinen s. im Art. »Heraldik«.
Über die Zusammensetzung der gegenwärtig geführten Länderwappen s. die Textbeilage zu beifolgenden Tafeln. Vgl. Heyer v. Rosenfeld, Die Staatswappen der bekanntesten Länder der Erde (10. Aufl., Frankf. a. M. 1895); E. v. Schmidt, Die W. aller regierenden Fürsten und Staaten (das. 1869); Ströhl, Deutsche Wappenrolle (Stuttg. 1897, 22 Tafeln) und Österreichisch-ungarische Wappenrolle (3. Ausg., Wien 1899, 23 Tafeln); Hildebrandt, Album der deutschen Reichs- und Staatswappen, Flaggen und Kokarden (Leipz. 1895, 25 Tafeln); Gritzner, Landes- und Wappenkunde der brandenburgisch-preußischen Monarchie (Berl. 1894); die Wappentafeln von M. Ruhl (9. Aufl., Leipz. 1908, 16 Tafeln); Ströhl, Russisch-europäische Wappenrolle (im heraldischen Jahrbuch »Adler«, Wien 1902); Gründel, Wappensymbolik (Leipz. 1907); Stückelberg, Das W. in Kunst und Gewerbe (2. Aufl., das. 1906). – Über Städtewappen s. den besondern Artikel.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.