Walachei

Walachei

Walachei, das südlichere der zum Staate Rumänien vereinigten Donaufürstentümer, wird begrenzt im O. und S. durch die Donau gegen die Dobrudscha und Bulgarien, im NW. durch die Karpathen gegen Siebenbürgen, im N. teils durch die Karpathen, teils durch den Fluß Milkow gegen die Moldau und umfaßt 77,595 qkm (1409, 2 QM.). Das Land bildet eine äußerst fruchtbare Ebene, die sich von den Transsylvanischen Alpen allmählich zur Donau senkt, und wird von zahlreichen Flüssen und Bergströmen bewässert, die sich in die Donau ergießen. Die bedeutendern Flüsse sind: der Schyl (Jiulu), die Aluta, der Ardschisch mit Dimbowitza, die Jalomitza mit der Prahowa. Das Klima ist großem Wechsel ausgesetzt. Die Zahl der Einwohner beträgt (1996) 4,259,876 (55 auf 1 qkm), davon ca. 60,000 Juden. Die W. ist reich an Steinsalz- und Kohlenlagern sowie an Petroleumquellen; ferner kommen allerlei Mineralien und Metalle vor, die jedoch nur wenig ausgebeutet werden. Die bedeutendsten Mineralquellen sind zu Calimanesci und Olanesci (Kreis Vâlcea), besuchte Kurorte ferner Serbanesci-Pucioasa und Balta Alba. Ackerbau und Viehzucht bilden die Hauptnahrungsquelle des Landes; die Ausfuhr von Getreide und Rohprodukten ist bedeutend, dagegen werden die meisten Industrieerzeugnisse eingeführt. Die zahlreichen Forsten liefern Brenn- und Nutzholz; stark betrieben wird der Weinbau (besonders geschätzt die Weine von Odobesci und Dragaşani). Dem Verkehr dient außer der Donau ein vielverzweigtes Eisenbahnnetz (s. Rumänien, S. 252). Die W. wird durch die Aluta in die Große (östliche) und Kleine W. geteilt und zerfällt in 17 Kreise: Ardschisch, Braila, Buzăŭ, Dimbowitza, Dolj, Gorj, Ilfov, Jalomitza, Mehedintzi, Muscel, Olt, Prahova, Rimnik, Romanatzi, Teleorman, Vâlcea und Vlaşca. Hauptstadt ist Bukarest. Weiteres s. Artikel »Rumänien« mit Karte.

[Geschichte.] Für die älteste Geschichte der W. als Teiles von Dacien s. Rumänien. Nachdem die Rumänen der untern Donau die große Völkerwanderung und den Einfall der Slawen, Mongolen, Ungarn und Tataren ausgehalten, sonderte sich aus dem Gebiete der W. 1247 das Fürstentum des Seneslav östlich vom Alutafluß heraus. In den Kämpfen gegen Ungarn zeichnete sich namentlich Ivanco Tihomir (Tocomerius; bis etwa 1330) aus. Sein Sohn Basarab 1. (1330 bis um 1340) begründete die Dynastie der Basarab, die mit kurzen Unterbrechungen bis zu ihrem Erlöschen (1659) herrschte. Die erste Berührung mit den Osmanen hatte die W. 1367; die zweite (1385), als Dan I. und Mircea 1., Söhne des frommen Radu I., miteinander um die Krone rangen. Mircea (1386–1418) ist der eigentliche Organisator des Fürstentums, das damals die siebenbürgischen Herzogtümer Amlasch und Fogarasch, einen Teil von Bulgarien mit Silistria und die Dobrudscha mit Kilia mit umfaßte. Nach der Schlacht bei Kossowo (1389) nahm Mircea den siegreichen Osmanen die Gebiete jenseit der Donau ab und siegte 1394 bei Rovine im Alutatal über Bajesid I., schloß aber nach König Siegmunds Niederlage bei Nikopolis (1396) 1411 (angeblich) einen Vertrag, wonach die Unabhängigkeit der W. unter einheimischen Fürsten gesichert, die Niederlassung von Türken in der W. verboten und den Türken für gewährte Ruhe ein Jahrestribut entrichtet ward. 1417 wurde die Abhängigkeit der W. von der Pforte verschärft. Unter Vlad 111. Tzepesch (1456–62) und seinem Bruder Radu III., dem Schönen (1462–74), drangen die Türken wiederholt in die W. ein, um sich den Weg nach Ungarn und Westeuropa zu ebnen. Unter Radu IV. d. Gr. (1495–1508) fällt der erste (vergebliche) Versuch des Patriarchats zu Konstantinopel (Patriarch Nison), die Kirche der W. sich untertänig zu machen. Der fromme Basarab IV. Neagoe (1512–21) erbaute 1517 die schöne (von König Carol 1886 restaurierte) Kirche von Curtea de Argesch. Nach dem Tode Radus VI. de la Asumalzi (1521–29) brach die Widerstandskraft der W. zusammen; bis 1593 setzte die Pforte die Fürsten nach Gutdünken ab und ein.

Durch seine Anstrengungen, die Unabhängigkeit des Vaterlandes zu wahren, wurde Michael der Tapfere (Viteazul; 1593–1601) der gefeiertste Nationalheld. Vom November 1594 bis Februar 1595 säuberte er die W. von Türken und Tataren, brachte 23. Aug. 1595 bei Calugareni dem überlegenen Heere Sinan Paschas eine schwere Niederlage bei und drang weit ins türkische Gebiet ein. Mit Kaiser Rudolf II. schloß er gegen Siebenbürgen den Vertrag vom 9. Juni 1598. Michael siegte 28. Okt. 1599 über Andreas Báthori auf dem Schellenberg bei Hermannstadt und Anfang 1600 über Jeremias Mogila von der Moldau in drei Schlachten, ließ sich 1. Juli 1600 in Karlsburg als Fürst der W., der Moldau und Siebenbürgens ausrufen, verlor 18. Sept. d. J. die Schlacht bei Mirislau und errang, nach einem Besuch in Prag (25. Dez.), mit dem kaiserlichen Feldherrn Georg Basta über Siegmund Báthori 3. Aug. 1601 den Sieg von Goroslau, ward aber 19. Aug. auf Bastas Befehl im Lager von Thorda ermordet. Der letzte bedeutende Fürst der W. war Matthias Basarab (1632–54). Er besserte die Verwaltung, verfaßte ein bürgerliches und ein peinliches Gesetzbuch (1652), gründete Schulen, Kirchen und Klöster, druckte rumänische Kirchenbücher, nahm den Athosklöstern viele den inländischen Klöstern entrissene Ländereien ab und schloß mit dem deutschen Kaiser, dem König von Polen und dem Fürsten von Siebenbürgen geheime Verabredungen zur Bekämpfung der Türken. Mit Konstantin Basarab (Cîrnul; 1654–58) und Mihnea III. (Michael Radu; 1658–59) schließt das Geschlecht Basarab.

Scherban Kantakuzenos (1678–88) war im Türkenlager bei der Belagerung Wiens und ließ 1688 die von den Brüdern Greceanu ins Rumänische übersetzte Bibel drucken. Konstantin Brankowan (Brîncoveanu; 1688–1714) büßte samt vier Söhnen und seinem Ratgeber Jen. Vacarescu mit dem Leben seine Beziehungen zum Zaren Peter d. Gr.

Mit seinem Nachfolger Stephan Kantakuzenos (1714–15) verlor die W. den letzten Schimmer der Unabhängigkeit; denn die Pforte ernannte 1716–1822 zum Fürsten der W. den Meistbietenden aus den griechischen Fanariotenfamilien: ein Zeitalter, durch Ränke, Habsucht und Vaterlandslosigkeit materiell und sittlich von verheerender Einwirkung. Der inländische Adel wurde durch bestechliche Emporkömmlinge aus Griechen, Armeniern etc. aus Stambul ersetzt; 1769–74 und 1806–12 war das Fürstentum in Rußlands, 1789–91 in Österreichs, 1821–22 in türkischer Gewalt. Jeder russisch-türkische Vertrag (1774 in Kütschük-Kainardschi, 1779 in Konstantinopel, 1792 in Jassy, 1812 in Bukarest, 1826 in Akkerman, 1829 in Adrianopel, 1834 in St. Petersburg) dehnte die Machtbefugnisse Rußlands immer mehr aus, während er die Rechte der Pforte einschränkte und die der Fürstentümer vernichtete. 1832 wurde das »Règlement organique« als Verfassung durch den Grafen Paul Kisselew (während der dritten russischen Besetzung: 1828–34) aufgezwungen. Die Hospodare Alexander Ghika (1834–42) und Georg Bibescu (1843–18) waren nichts andres als russische Statthalter, die selbst für innere Verwaltungssachen ihre Befehle von St. Petersburg erhielten.

Trotzdem erstand unter dem Einfluß der neu belebten rumänischen Schulen eine literarische und politische Bewegung, die einen glühenden Haß gegen die Fremdherrschaft entwickelte. Die jüngere, in Westeuropa erzogene, aus dem Volk emporgewachsene Generation trat immer schärfer gegen die gräzisierten und russifizierten Bojaren auf: die Russen ließen aber kurz vor 1848 die Nationalschulen zu Jassy und Bukarest schließen. Als die Februarrevolution Europa in Gärung versetzte, gab Fürst Bibescu 23. Juni eine liberale Verfassung, dankte aber am 25. ab. Unter einer provisorischen Regierung (26. Juni bis 10. Juli und 12. Juli bis 9. Aug.) wurde das verhaßte »Règlement organique« vor dem russischen Konsulatsgebäude in Bukarest verbrannt, aber 25. Sept. 1848 durch Russen und Türken die alte Ordnung der Dinge hergestellt. Der Vertrag von Balta Liman vom 1. Mai 1849 verschlimmerte die Lage der Fürsten der Moldau und W., die unter der Aussicht und dem Befehl eines russischen und türkischen Kommissars standen. Der unter diesem Regime ernannte Fürst der W. war Barbu Stirbey (s. Bibesco 1). Kaum waren Russen und Türken 1850 aus den Fürstentümern gezogen, als Ende Oktober 1853 die Russen wieder einrückten. Da brach der Krimkrieg los, der am 31. Juli 1854 die letzte russische Besetzung aufhob und zum Pariser Vertrag vom 30. März 1856 führte, dessen Folge die Vereinigung der Fürstentümer Moldau und W. zum Staate Rumänien (1859) war. Weiteres s. Rumänien (Geschichte). Vgl. de Martonne, La Valachie, essai de monographie géographique (Par. 1903); Iorga, Geschichte des rumänischen Volkes (Gotha 1905, 2 Bde.); v. Wlislocki im 5. Bande von Helmolts »Weltgeschichte« (Leipz. 1905).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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