- Unterschlagung
Unterschlagung (Unterschleif, Interversio, auch Defraudation, als Amtsunterschlagung früher Pekulat genannt), die wissentliche, rechtswidrige Zueignung einer fremden, beweglichen Sache, die sich im Besitz oder im Gewahrsam des Täters befindet. Der Tatbestand der U. fällt insofern mit dem des Diebstahls zusammen, als hier wie dort eine Sache den Gegenstand des Verbrechens bildet, die eine bewegliche und eine fremde, d. h. einem andern gehörige, ist. U. ist daher, ebenso wie Diebstahl, ausgeschlossen, sobald die Sache nach den Grundsätzen des Privatrechts in das Eigentum des Täters übergegangen war. Ebenso ist der subjektive Tatbestand bei beiden Verbrechen derselbe, indem für beide Vorsätzlichkeit der Handlung, ferner das Bewußtsein, daß die Sache eine fremde, und endlich die Absicht, sich die Sache zuzueignen, erforderlich sind. Verschieden sind die beiden Delikte aber insofern, als es sich bei dem Diebstahl um die Wegnahme einer Sache aus dem Gewahrsam eines andern, bei der U. dagegen um die Zueignung einer solchen Sache handelt, die sich bereits im Gewahrsam des Täters befindet. So fällt z. B. der sogen. Fund di eb stahl, d. h. die widerrechtliche Zueignung einer gefundenen Sache, nicht unter den Begriff des Diebstahls, sondern unter den der U., weshalb auch dafür die Bezeichnung »Fundunterschlagung« richtiger wäre. Als schwerer Fall der U. erscheint es nach dem deutschen Strafgesetzbuch, wenn dem Täter die unterschlagene Sache anvertraut war (sogen. Veruntreuung). Das Reichsstrafgesetzbuch läßt hier Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahren eintreten, während es die einfache U. nur mit Gefängnis bis zu drei Jahren bedroht. Beim Vorhandensein mildernder Umstände kann auf Geldstrafe bis zu 900 Mk. erkannt werden. Wie beim Diebstahl, wird auch bei der U. der Versuch bestraft. Ebenso haben beide Verbrechen es miteinander gemein, daß die Tat nur auf Antrag des Verletzten strafrechtlich verfolgt wird, wenn der Betrag des Verbrechensgegenstandes nur ein geringer ist und der Verletzte mit dem Täter in Familiengenossenschaft oder häuslicher Gemeinschaft lebte. Diebstahl und U., die von Verwandten aufsteigender Linie gegen Verwandte absteigender Linie oder von einem Ehegatten gegen den andern begangen worden, bleiben straflos. Wird eine U. von einem Beamten an Geldern oder andern Sachen verübt, die er in amtlicher Eigenschaft empfangen oder im Gewahrsam hat (Amtsunterschlagung, Pekulat), so wird die Tat als besonderes Amtsverbrechen (s. d.) bestraft. Nach § 9 des Depotgesetzes vom 5. Juli 1896 wird die rechtswidrige Verfügung seitens eines Kaufmanns über Wertpapiere, die ihm zur Verwahrung oder als Pfand übergeben sind, oder die er als Kommissionär für den Kommittenten in Besitz genommen hat, mit Gefängnis bis zu einem Jahr und Geldstrafe bis zu 3000 Mk. bestraft. Nach § 11 wird mit Zuchthaus bestraft ein Kaufmann, der nach Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung im Bewußtsein seiner Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung fremde Wertpapiere, die er im Verwahr hat, sich rechtswidrig zueignet. Ähnliche Strafbestimmungen gelten nach § 12 auch für die Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften, eingetragenen Genossenschaften, Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, oder für die Liquidatoren dieser Gesellschaften, wenn sie ihnen anvertraute Wertpapiere sich rechtswidrig zueignen. Diese drei Fälle der U. werden kurzweg als Depotunterschlagung bezeichnet. Über die nach Militärstrafrecht strafbare U. vgl. Militärischer Diebstahl, dem jene gleichgestellt ist. Das österreichische Strafgesetzbuch (§ 181 ff., 461 ff.) kennt als selbständiges Delikt nur die rechtswidrige Zueignung anvertrauten Gutes (Veruntreuung) und rechnet im übrigen die U. zum Betrug. Vgl. Deutsches Reichsstrafgesetzbuch, § 246 ff., 350 f.; v. Stemann, Das Vergehen der U. und der Untreue (Kiel 1870); Finger, Die Veruntreuung von Barkautionen (Prag 1890); Draheim, Untreue und U. (Bresl. 1901); Graf Gleispach, Die Veruntreuung an vertretbaren Sachen (1. Teil, Berl. 1905).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.