Ravenna [2]

Ravenna [2]

Ravenna, Hauptstadt der gleichnamigen ital. Provinz (s. oben), liegt 7 km vom Adriatischen Meer in teilweise versumpfter Ebene am Kanal Corsini, an den Eisenbahnlinien Ferrara-R.-Rimini und Castel Bolognese-R. und der Dampfstraßenbahn nach Forlt. Die Stadt besitzt unter ihren Bauwerken wertvolle Denkmäler aus der Übergangszeit von der altchristlichen zur mittelalterlichen Kunst, so die eine eigentümliche Stilgattung darstellenden Basiliken (s. Architektur, S. 713), Baptisterien, Grabmalbauten und Mosaiken. Die hervorragendsten Bauwerke sind: die Domkirche (um 400 als fünfschiffige Basilika vom Erzbischof Ursus erbaut, 1743 in eine dreischiffige Kuppelkirche umgewandelt, so daß vom alten Bau nur die Säulen, eine Krypte und der romanische runde Glockenturm übrigblieben), mit zwei altchristlichen Sarkophagen, einem Bischofstuhl aus Elfenbeinplatten mit Reliefs von 550 in der Sakristei und Fresken von Guido Reni; das nahe dabei gelegene Baptisterium San Giovanni (430 restauriert), ein achteckiges Gebäude mit Kuppel, altem Taufbrunnen, altchristlichen Reliefs und Mosaiken aus dem 5. Jahrh.; die Kirche San Vitale (von 526–547 erbaut), von außen ein schmuckloser Ziegelbau, im Innern achteckig, mit einer auf acht Pfeilern ruhenden Kuppel, zweigeschossigen Arkaden, herrlichem musivischen Fußboden, Stuckornamenten, schönen byzantinischen Mosaikgemälden (gegen 550) und antiken Marmorreliefs (s. Tafel »Baustile I«, Fig. 7, und »Architektur VI«, Fig. 10 und 11); San Francesco, eine um 450 erbaute dreischiffige Basilika mit alten Säulen, Glockenturm und Marmorsarkophag des Erzbischofs Liberius (gest. 350) mit altchristlichen Reliefs; Sant' Apollinare Nuovo, von Theoderich (504) als arianische Kathedrale erbaut, eine dreischiffige Basilika mit wohlerhaltenen altchristlichen Marmorsäulen und -Bogen, Mosaikgemälden etc.; San Giovanni Evangelista, eine von Galla Placidia 425 erbaute Votivkirche mit reichskulptiertem Portal des Vorhofs und Fresken von Giotto; das den Märtyrern Nazarius und Celsus geweihte Mausoleum der Kaiserin Galla Placidia (um 440), von außen ein einfacher Ziegelbau, im Innern ein lateinisches Kreuz mit Kuppel, herrlichem Mosaikenschmuck, dem Sarkophag der genannten Kaiserin und andern Grabmälern; Sant' Apollinare in Classe, 5 km südöstlich vor der Stadt, die bedeutendste unter den altchristlichen Basiliken Italiens (534–549 erbaut), mit geschlossener Vorhalle, rundem Glockenturm, im Innern dreischiffig, mit alten Säulen, Tribüne, Krypte, Medaillonfriesen, Marmorverkleidung, Mosaiken etc.; Santa Maria della Rotonda, das Grabmal Theoderichs d. Gr. aus dem 6. Jahrh., ein zweigeschossiger Zentralbau, unten ein den kreuzförmigen Gruftraum enthaltendes massives Zehneck, mit zurücktretendem runden Obergeschoß, mit Flachkuppel aus istrischem Kalkstein (11 m Durchmesser, 400 Ton. schwer, s. Tafel »Architektur VI«, Fig. 4 u. 5); Sant' Agata (von 432); Santa Maria in Cosmedin, das ehemalige Baptisterium der Arianer, und San Teodoro (jetzt San Spirito), beide aus dem 6. Jahrh.; der erzbischöfliche Palast, mit Mosaiken aus dem 5. Jahrh. in der Hauskapelle; die Reste des Palastes Theoderichs; das Grabmal Dantes neben der Kirche San Francesco, ein 1482 errichtetes, 1780 umgebautes Tempelchen, das den Sarkophag mit den 1865 aufgefundenen Gebeinen Dantes und ein Relief von Pietro Lombardo enthält (s. Dante Alighieri, S. 502) u. a. Auf der Piazza Vittorio Emanuele befinden sich zwei von den Venezianern 1483 errichtete Granitsäulen mit Basreliefs, die Statue Papst Clemens' XII. (1738) und acht antike Granitsäulen, wahrscheinlich von der durch Theoderich erbauten Kirche Sant' Andrea dei Goti. R. zählt ohne die Vorstädte (1901) 11,989 (als Gemeinde 64,031) Einw. Erwerbszweige bilden Weinbau und Seidenraupenzucht, Schwefelraffinerie, Glasfabrikation, Ziegel- und Kalkbrennerei, Mühlenbetrieb, Gerberei, Buchdruckerei, Flechtwarenerzeugung und Handel. Im Hafen von R. sind 1904: 1343 Schiffe von 76,485 Ton. eingelaufen. R. hat eine Kunstschule, ein Lyzeum und Gymnasium, ein Technisches Institut, eine Technische Schule, ein Seminar, eine Bibliothek von 70,000 Bänden, eine über 4000 Bände umfassende Sammlung von Dante-Werken in den verschiedensten Sprachen, eine Kunstakademie, ein Theater, ein großes Krankenhaus, zwei Waisenhäuser, eine Sparkasse und ein Leihhaus. Es ist Sitz des Präfekten, eines Erzbischofs und einer Handels- und Gewerbekammer. 6 km vor der Porta Sisi befindet sich eine 1557 errichtete Säule zur Erinnerung an die Schlacht vom 11. April 1512 zwischen den Truppen des Papstes Julius II. und Ludwigs XII. von Frankreich, in der Gaston von Foix (s. Foix 6) fiel. Südöstlich von der Stadt dehnt sich längs der Dünen der ehemals berühmte, jetzt aber sehr gelichtete Pinienwald (Pineta) von R. aus (31 km lang, 1–4 km breit). – R. lag ursprünglich näher am Meer inmitten der Küstenlagune, die durch die von einem künstlichen Poarm zugeführten Sinkstoffe allmählich ausgefüllt ist, besaß einen innern Handelshafen und zwischen Stadt und Lido bei der Vorstadt Classes einen von Augustus angelegten Kriegshafen. Sie ist jedenfalls von Griechen angelegt, kam unter die Herrschaft der Etrusker, dann der Römer, wurde aber erst seit Augustus als Flottenstation bedeutend. Seit Honorius (404) war sie Residenz mehrerer römischer Kaiser, nach dem Untergang des weströmischen Reiches seit 493 der ostgotischen Könige, endlich der Exarchen. Die Sage von der Ravenna- oder Rabenschlacht (s. d.) zeugt von der Bedeutung, die R. damals hatte. Stadt und Exarchat wurden 752 von den Langobarden erobert, diesen jedoch 755 von dem fränkischen König Pippin wieder abgenommen und an den römischen Stuhl geschenkt, was 774 Karl d. Gr. bestätigte. Doch kamen die Päpste nicht zu eigentlicher Gewalt in der Stadt, die vielmehr erst von den Erzbischöfen von Ravenna abhing, sich seit dem 12. Jahrh. kommunaler Freiheit erfreute und seit dem Ende des 13. Jahrh. unter die Herrschaft der Familie Polenta geriet. Dann war sie von 1441–1509 in den Händen der Venezianer, denen sie infolge der Liga von Cambrai entrissen wurde, seit welcher Zeit sie dem Papst verblieb. Seit 1797 gehörte R. erst zur Zisalpinischen Republik, dann zum Königreich Italien, kam 1815 an den Kirchenstaat zurück und wurde 1860 mit dem neuen Königreich Italien vereinigt. Vgl. Fantuzzi, Monumenti Ravennati de' secoli di mezzo (Vened. 1801); Quast, Die altchristlichen Bauwerke von R. (Berl. 1842); Rahn, R., eine kunstgeschichtliche Studie (Leipz. 1869); Diehl, Ravenne; études d'archéologie byzantine (Par. 1885) und Ravenne (in den »Villes d'art célèbres«, das. 1904); Ricci, Ravenna (5. Aufl., Bergamo 1905) und Raccolte artistiche di R. (das. 1905); Götz, Ravenna (Bd. 10 der »Berühmten Kunststätten«, Leipz. 1901), und Literatur zu Artikel »Mosaiken«.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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