Börsensteuer

Börsensteuer

Börsensteuer, die auf den Umsatz börsengängiger Wertpapiere gelegte Verkehrssteuer (s. Verkehrssteuern), die teils bei der Ausgabe solcher Papiere (Emissionssteuer), teils von jedem weitern an diese Papiere sich anknüpfenden Geschäft (Übertragungssteuer) erhoben wird. Im letztern Falle knüpft die B. entweder an den Abschluß des Geschäfts an, wobei zur Sicherung der Steuerentrichtung ein Schlußnotenzwang oder Einregistrierung der Geschäftsabschlüsse in gewisse Register angewendet wird, oder an die Übergabe der Wertobjekte. Als Erhebungsform dient meist die Stempelmarke. Die Erhebung der Übertragungsabgabe kann auch in der Art erfolgen, daß die emittierende Gesellschaft ein jährliches Abonnement von einem bestimmten Prozentsatz entrichtet. Die B. wird als Ergänzung zu den Ertragssteuern sowie damit gerechtfertigt, daß auch andre Verkehrsakte durch Steuern getroffen werden, demgemäß die Steuerfreiheit der Übertragungen von mobilem Kapital an und für sich einer Privilegierung gleichkäme. Man hat in ihr auch ein Mittel erblickt, um die Auswüchse der Börse, die ungesunde Börsenspekulation, zu beseitigen oder zu mindern. Doch ist die Steuer hierfür unzureichend, da dieselbe den berechtigten und wohltätigen Börsenverkehr verhältnismäßig mehr trifft als das unsolide Spiel, das mehr zur Umgehung und Abwälzung befähigt ist. Überdies darf die B. wegen der Häufigkeit des Umsatzes nicht zu hoch bemessen werden, wenn sie nicht den der Volkswirtschaft heute unentbehrlichen Effektenmarkt unmöglich machen soll. In Deutschland wurde durch Gesetz vom 1. Juli 1881 über die Reichsstempelabgaben eine B. eingeführt. Die anfangs niedrigen Steuersätze wurden durch Gesetze vom 29. Mai 1885, 17. April 1894 und insbes. vom 14. Juni 1900 bedeutend umgestaltet und erhöht. Der Emissionsstempel beträgt danach bei inländischen Aktien 2 Proz., bei ausländischen Aktien 2,5 Proz., bei Bergwerkskuxen 1,50 Mk. für jede Urkunde und außerdem 1 Proz. für alle nach dem 1. Juli 1900 zu leistenden Einzahlungen, soweit sie nicht zur Deckung von Betriebsverlusten dienen oder zur Erhaltung des Betriebs in seinem bisherigen Umfang bestimmt sind oder verwendet werden; ferner 0,2 Proz. bei inländischen Kommunal- und Grundkreditobligationen, 0,6 Proz. bei sonstigen inländischen Obligationen und Obligationen ausländischer Staaten und Eisenbahngesellschaften, 1 Proz. bei Renten- und Schuldverschreibungen ausländischer Korporationen, Aktiengesellschaften etc. Obligationen des Deutschen Reiches und deutscher Bundesstaaten, ebenso Aktien etc. von Aktiengesellschaften, die nach der Entscheidung des Bundesrates ausschließlich gemeinnützigen Zwecken dienen und gewisse Bedingungen erfüllt haben, sind frei. Die Verpflichtung zur Entrichtung der vorhin angeführten Abgaben wird erfüllt durch Zahlung des Abgabebetrags an die zuständige Steuerstelle, welche die entsprechenden Stempelmarken auf den Wertpapieren anzubringen und die Ausdrückung des Stempels zu veranlassen hat. Die Schlußnotensteuer von Kauf- und sonstigen Anschaffungsgeschäften beträgt bei Effektengeschäften in Kuxen 1 Promille, bei den meisten sonstigen Geschäften 0,3 Promille, bei den Papieren, die, wie oben erwähnt, einem Emissionsstempel von 0,6 und 0,8 Proz. unterliegen, 0,2, bei Warengeschäften 0,4 Promille. Zur Entrichtung der Abgabe ist in den meisten Fällen der Vermittler verpflichtet, der den Ersatz der entrichteten Abgabe von den Kontrahenten fordern kann; sie erfolgt in der Weise, daß über das Geschäft eine Schlußnote auf gestempeltem oder mit den erforderlichen Stempelmarken versehenem Formular ausgestellt wird. Für Spiel und Wette sind folgende Steuersätze festgestellt: 20 Proz. bei Losen inländischer Lotterien sowie Ausweisen über Spieleinlagen bei öffentlich veranstalteten Ausspielungen von Geld- oder andern Gewinnen und bei Wetteinsätzen bei öffentlich veranstalteten Rennen u. dgl. Endlich hat das Gesetz vom 14. Juni 1900 auch Steuern auf Schiffsfrachturkunden eingeführt, die aber mit der B. im engern Sinne nichts zu tun haben. Der Ertrag der B. war 1889: 34 Mill., 1896: 48,4 Mill. Mk., für 1902 ist er mit 78,8 Mill. Mk. etatisiert.

In Österreich unterlagen nach dem Gesetz vom 29. Febr. 1864 die Schlußzettel der Sensale einem festen Stempel von 5 Kreuzer, Auszüge aus den Tagebüchern der Sensale einem solchen von 50 Kr., Urkunden über Lombarddarlehen von 10 Kr. Durch Gesetz vom 18. Sept. 1892 wurde für jeden Schluß über 5000 Guld. nominell eine Effektenumsatzsteuer von 10 Kr., bei ausländischen Effekten 20 Kr., eingeführt. Durch Gesetz vom 9. März 1897 ist diese Steuer umgestaltet und erhöht worden und beträgt jetzt für jeden einfachen Schluß bei Geschäften mit Dividendenpapieren und Prämienschuldverschreibungen (Staatsanleihen ausgenommen) 50 Kr. und bei andern Papieren 20 Kr. Als einfacher Schluß gilt der Nominalbetrag von 5000 Guld. Bei Beträgen bis zu 500 Guld. findet eine Ermäßigung auf 10, bez. 5 Kr. statt. In England werden die Schlußzettel mit einem Fixstempel von 6 Pence (bei Werten unter 100 Pfd. Sterl. 1 Penny) besteuert; dazu besteht eine Emissionssteuer mit 0,5 Proz. des Steuerbetrags; bei Prolongationen wird ein Stempel von 1 Schilling erhoben. Frankreich hat eine Emissionssteuer von 1,2 Proz. für inländische Wertpapiere (ausschließlich der Staatspapiere), die jedoch meist im Abonnement mit 0,6 Proz. jährlich bezahlt wird; ausländische Papiere zahlen seit Gesetz vom 29. Dez. 1895: 2 Proz., ausländische Staatspapiere 0,5 Proz. Außerdem besteht eine Übertragungssteuer (droit de transmission) mit 0,5 Proz. vom Kurs, von der jedoch Staatspapiere frei sind. Für Inhaberpapiere tritt an deren Stelle ein Abonnement in Höhe von 0,2 Proz. des durchschnittlichen vorjährigen Kurswertes des emittierten Kapitals. Durch Gesetz vom 28. April 1893 ist eine eigentliche B. eingeführt worden, wonach jeglicher An- und Verkauf von Werten mit 5 Cent. von je 1000 Frank des Betrags besteuert wird. Die gewerbsmäßigen Vermittler müssen jedes Geschäft in ein vom Präsidenten oder einem Richter zu visierendes Verzeichnis eintragen und dies auf Verlangen vorlegen. Bei Reportgeschäften wird der halbe Stempelbetrag erhoben. Durch das erwähnte Gesetz von 1895 ist der Steuersatz für Geschäfte in französischer Rente auf ein Viertel der sonstigen Höhe ermäßigt. In Belgien besteht weder ein Effekten- noch ein Umsatzstempel. In den Niederlanden ist seit 1. Mai 1900 ein neues Stempelgesetz in Kraft getreten. Danach werden, von Einzelheiten abgesehen, besteuert: Prämienschuldverschreibungen mit 1 Proz., Anteilscheine ausländischer Gesellschaften mit 3 Promille, Pfandbriefe niederländischer Hypothekenbanken, sofern sie nur niederländische Liegenschaften beleihen, mit 1 Promille, alle andern Wertpapiere mit 2 Promille. In Italien beträgt der Effektenstempel für ausländische Effekten 4 Lire das Stück, für inländische Werte 0,50 Lire; der Umsatzstempel ohne Rücksicht auf den Betrag bei Kontantgeschäften 1,20 Lire; bei Termingeschäften 4,80 Lire. Vgl. Friedberg, Die B. (Berl. 1875); Derselbe, Vorschläge zur technischen Durchführung einer prozentualen B. (Jena 1882); Hecht, Die Geschäftssteuer auf Grundlage des Schlußnotenzwanges (Stuttg. 1885); Scheimpflug, Zur Reform der österreichischen Börsenverkehrssteuer (Wien 1881); Artikel B. im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, Bd. 2 (2. Aufl., Jena 1899); A. Meyer, Die deutschen Börsensteuern 1881–1900 (Stuttg. 1902); Kommentar zum Reichsstempelsteuergesetz vom 14. Juni 1900, von Zimmermann (Karlsr. 1901), Löck (8. Aufl., Berl. 1901) und Quednau (11. Aufl., Charlottenb. 1902).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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