Munkácsy

Munkácsy

Munkácsy (spr. múnkātschi), Michael, eigentlich Lieb, ungar. Maler, geb. 10. Okt. 1846 zu Munkács in Ungarn, gest. 1. Mai 1900 in der Heilanstalt Endenich bei Bonn, wurde als Tischlergeselle durch einen reisenden Porträtmaler in Gyula zur Kunst geführt, bildete sich dann auf eigne Hand weiter und zeichnete und malte Bildnisse und Genrebilder aus dem Volksleben, deren eins (Bauernidyll) der Pester Kunstverein ankaufte. 1865 ging er nach Wien auf die Kunstakademie, mußte aber schon im folgenden Jahre wegen Mittellosigkeit nach Pest zurückkehren, begab sich darauf nach München, wo sich der Schlachtenmaler Franz Adam seiner annahm. Hier beteiligte sich M. an einer Konkurrenz, die das ungarische Kultusministerium ausgeschrieben hatte, und errang mit Genrebildern dreimal den ersten Preis, ging 1868 nach Düsseldorf, wo Knaus und Vautier ihn zur Behandlung nationaler Stoffe weiter ermutigten. Hier entstanden der erwachende Schusterjunge und einige Bildnisse; dann folgte das tiefergreifende Bild: der letzte Tag eines Verurteilten (1870), das ihn mit einemmal berühmt machte und ihm die Bestellung eines andern großen Bildes: Kriegszeit (1871), eintrug. M. siedelte im Januar 1872 nach Paris über, wo seine Arbeiten bald außerordentliche Anerkennung fanden. Von den kleinern Bildern dieser frühern Zeit sind noch zu nennen: der Gang zur Schule (1871), die Küchenpolitiker, die Butterfrau, der betrunkene Schneider sowie einige Landschaften; von den größern: der Transport von gefangenen Nachtschwärmern (1873), im Pfandhaus (1874), der Abschied der Rekruten und der Dorfheld (1877, im Museum zu Köln). Alle diese Bilder kennzeichnet eine energische Charakteristik, eine große Kraft der Darstellung und Breite des malerischen Vortrags, aber auch eine starke Neigung zum Häßlichen und zu einem schwarzen Gesamtton, in dem alle Lokalfarben untergehen. Seit 1876 begann er auch Szenen aus den Pariser Salons zu malen, in denen er nach einem immer reichern Kolorit strebte und schließlich zu einer ganz hellen und lichten Farbenstimmung bei einer skizzenhaft andeutenden, fast impressionistischen Behandlung der Zeichnung und Modellierung gelangte. Die Hauptbilder dieser Gattung sind: der Künstler mit seiner Gattin im Atelier (1876), der Besuch bei der Wöchnerin (1881, in der Neuen Pinakothek zu München), das Namensfest des Vaters, die Amme, die beiden Familien (1881) und mehrere Stilleben und Blumenstücke. 1877 betrat er mit einem Milton, seinen Töchtern das »Verlorne Paradies« diktierend, das Gebiet des geschichtlichen Genres, wobei er zugleich nach einer tiefern Charakteristik strebte und an die Stelle der schwarzen Gesamtstimmung eine graue setzte. Dieses Bild brach le ihm 1878 die Ehrenmedaille der Pariser Weltausstellung ein. Zu voller Farbigkeit auch auf diesem Gebiet seines Schaffens wendete sich M. 1882 mit einem figurenreichen Kolossalbild: Christus vor Pilatus (1882, radiert von Waltner), dem 1884 eine Kreuzigung (le Calvaire, radiert von Köpping) folgte (beide im Museum zu Philadelphia, ersteres vom Generalpostmeister Vanemaker für 120,000 Doll. angekauft). Auf diesen Bildern ist die Erregung des Volkes mit großer dramatischer Lebendigkeit und ebenso großer malerischer Kraft geschildert, die dem Geistigen wie dem Materiellen in gleichem Maß gerecht wird. Die biblischen Vorgänge sind im historischen Licht betrachtet und demgemäß in vollster ethnographischer Realität dargestellt. Das religiöse Moment ist gänzlich zugunsten des geschichtlichen zurückgedrängt. Dieser Richtung gehört auch Christus am Kreuz mit den Seinen (in der Dresdener Galerie) und das figurenreiche Ecce homo (1896) an. Nachdem er dann noch 1886 die letzten Augenblicke Mozarts (im Museum zu Detroit, für 50,000 Doll. angekauft) in derselben ernsten und feierlichen Tonart gemalt hatte, wandte er sich der Hellmalerei zu, die er sowohl auf dekorativen Malereien wie auf Kostümstücken, meist mit Figuren in der Tracht des 17. Jahrh., und auf Bildnissen anwendete. Seine Hauptwerke dieser Art sind: der Triumph der Künste (Deckengemälde für das kunsthistorische Hofmuseum in Wien), in time Unterhaltung, eine Erzählung und mehrere Damenbildnisse. M. hat auch Bildnisse (Kardinal Haynald, Liszt) und Landschaften gemalt. Seine letzte Schöpfung war das Kolossalgemälde: Besitzergreifung Ungarns durch Arpad für den Sitzungssaal des neuen Parlamentsgebäudes in Budapest. 1895 zum ungarischen Oberlandeskunstinspektor ernannt, ließ er sich in Budapest nieder, verfiel aber bald in Geisteskrankheit. 1878 war er vom Kaiser von Österreich geadelt worden. 1906 wurde ihm vor dem Künstlerhaus in Budapest ein Denkmal (von Radnai und dem Architekten Scheer) errichtet. Er schrieb: »Erinnerungen. Die Kindheit« (deutsch von Ilges, Berl. 1897). Vgl. Ilges, Munkacsy (Bielef. 1899), und die Biographie von Malonyai (ungar., Budap. 1897).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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