Gewerbekammern

Gewerbekammern

Gewerbekammern sind durch Wahl aus den Kreisen von Gewerbtreibenden hervorgegangene Organe derselben, deren Aufgabe es ist, die Interessen des Gewerbewesens wahrzunehmen, insbes. die Regierung über die Bedürfnisse desselben zu unterrichten, ihr Wünsche und Anträge zu unterbreiten, Gutachten über Gegenstände der Gewerbepolitik abzugeben, statistische Notizen zu sammeln, von Zeit zu Zeit über den Stand der Gewerbe in ihrem Gebiet Bericht zu erstatten, allenfalls auch administrative Tätigkeiten auszuüben in Fällen, in denen Orts-, Sach- und Personalkenntnis besonders erforderlich ist und eine bureaukratische Behandlung nicht am Platz sein würde, Einrichtung, Aussicht und Leitung von Unterrichtsanstalten etc. zu übernehmen, auf Anrufen der Parteien bei gewerblichen Streitigkeiten schiedsrichterliche Entscheidungen zu fällen etc. Der Wirkungskreis der G. ist nicht überall gleich umfassend. Am weitesten gehen die Aufgaben derselben in Österreich, wo ihnen auf Grund des Gesetzes vom 29. Juni 1868 ausgedehnte Befugnisse übertragen sind. Solche G. (chambres consultatives des arts et manufactures) wurden in Frankreich bereits 1803 eingeführt und wiederholt 1852 und 1873 gesetzlich geregelt. Sie bestehen neben den Handelskammern überall da, wo die Ausdehnung der Gewerbe es nötig macht, die Bedürfnisse derselben besonders wahrzunehmen; sonst sind sie mit den Handelskammern vereinigt. Andre Länder folgten dem gegebenen Beispiel. So wurden gesetzliche Bestimmungen über die Bildung und Einrichtung von G. erlassen in den Niederlanden 1851, Bayern 1853, bez. 1868, Württemberg 1854, Sachsen 1861, bez. 1868, Hamburg 1872, Lübeck 1867, Bremen 1849, Italien 1862, Österreich-Ungarn 1868 und 1884 etc. In einigen Ländern wurden früher geschaffene Einrichtungen später wieder beseitigt, so 1875 in Belgien. Ebenso waren die in Preußen 1849 ins Leben gerufenen 96 Gewerberäte (s. Gewerberat) bis 1864 wieder aufgehoben; 1884 wurde die Einrichtung von G. angestrebt; 1888 gab es bereits 17 G. in 8 Provinzen, doch wurden dieselben, da die Provinziallandtage die Kosten nicht bewilligten, wieder aufgelöst. Meist sind die G. mit Handelskammern (s.d.) vereinigt, bez. bilden sie neben diesen eine besondere Abteilung der Gewerbe- und Handelskammer (Sachsen, Bayern und Österreich). Passives und aktives Wahlrecht für die eine oder die andre Abteilung hängt dann von der Höhe der entrichteten Gewerbesteuer, bez. von der Eintragung in das Handelsregister ab. In Hamburg, Lübeck und Bremen bestehen sie als besondere Organe neben den Handelskammern. In Bremen sind sie eine Art engern Ausschusses des Gewerbekonvents. Letzterer wird von Gewerbtreibenden gewählt und wählt selbst wieder aus seinen Mitgliedern die Gewerbekammer. S. Handelskammern. Über Vertretungen des Handwerks s. Handwerkskammern. – Neben den G. bestehen in einigen Ländern noch Organe der Staatsverwaltung, welche die allgemeinen wirtschaftlichen Interessen des Landes wahrzunehmen haben (Handels-, Gewerbe-, Industrieräte in Frankreich, Italien). In einigen Ländern (England, Belgien) wird ein Teil der Aufgaben der G. durch freie Vereinigungen erfüllt. Vgl. R. v. Kaufmann, Die Vertretung der wirtschaftlichen Interessen (Berl. 1879) und Die Reform der Handels- und Gewerbekammern (das. 1883); M. Block, Chambres consultatives des arts et manufactures (im »Dictionnaire del'administration française«); Grätzer, Die Organisation der Berufsinteressen (Berl. 1890); Hampke, Handwerker- oder Gewerbekammern? (Jena 1893); »Die Handels- und Gewerbekammern etc. des Deutschen Reiches« (Berl. 1894); Weiteres bei Artikel »Handelskammern«.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Gewerbekammern — Gewerbekammern, amtliche, von den Mitgliedern des Gewerbestandes gewählte Organe zur Vertretung aller in das Gewerbewesen einschlagenden Interessen in einem Bezirk, in den meisten Teilen Deutschlands mit den Handelskammern (s.d.) vereinigt …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Handels- und Gewerbekammern — Handels und Gewerbekammern, s. Handelskammern …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Промышленные палаты — (Gewerbekammern, chambres consultatives des arts et manufactures, chambers of industry), будучи выборным учреждением, представляющим экономические интересы лиц, отправляющих различные промыслы, приобретают особенно важное значение в наше время.… …   Энциклопедический словарь Ф.А. Брокгауза и И.А. Ефрона

  • Handelskammern — (Handels und Gewerbekammern, Kommerzkammern, Handelsdeputationen, Handelskollegien, kaufmännische Ältestenkollegien), Hilfsorgane der öffentlichen Verwaltung, deren Aufgabe darin liegt, die kaufmännischen und industriellen Interessen ihres… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Торговые палаты — (Handelskammern, редко Kommerz Kammern, Handels und Gewerbekammern, Chambres de commerce, chambers of commerce) органы для представительства интересов торговли и промышленности, существующие в большей части западноевропейских и американских… …   Энциклопедический словарь Ф.А. Брокгауза и И.А. Ефрона

  • Österreich [2] — Österreich, Kaisertum (vgl. die Karte »Österreichisch Ungarische Monarchie« bei S. 210), umfaßt das westlich der Leitha gelegene Staatsgebiet (Zisleithanien) der Österreichisch Ungarischen Monarchie (s. d.), oder die »im Reichsrat vertretenen… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Beiräte — Beiräte, Eisenbahnbeiräte (conseils des chemins de fer; consigli ferroviari), die auf Grund gesetzlicher Bestimmungen oder im Verwaltungsweg errichteten Körperschaften, deren Aufgabe es ist, in regelmäßig wiederkehrenden Zusammenkünften der… …   Enzyklopädie des Eisenbahnwesens

  • Deutschland — (Deutsches Reich, franz. Allemagne, engl. Germany), das im Herzen Europas, zwischen den vorherrschend slawischen Ländern des Ostens und den romanischen des Westens und Südens liegende, im SO. an Deutsch Österreich und im N. an das stammverwandte… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Handwerkskammern — Handwerkskammern, Organe zur Vertretung der Interessen des Handwerks. Die Forderung der Errichtung eigner H. fand sich schon in dem vom Frankfurter Handwerkerparlament aufgestellten Entwurf einer Gewerbeordnung. Sie ist seitdem noch oft und immer …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Gewerbeordnung [1] — Gewerbeordnung, gesetzliche Zusammenfassung (Kodifikation) des Gewerberechts. – Die gesetzlichen Bestimmungen zur Regelung des Gewerbewesens bezwecken im öffentlichen Interesse und zum Schutz berechtigter Ansprüche teils Förderung, teils… …   Lexikon der gesamten Technik

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”