- Garnier-Pagès
Garnier-Pagès (spr. garnjē-paschǟs), 1) Etienne Joseph Louis, Haupt der franz. Demokratie unter der Julidynastie, geb. 27. Dez. 1801 in Marseille, gest. 23. Juni 1841, war Advokat, als die Julirevolution ausbrach. Sofort eilte er nach Paris, nahm an dem Kampfe der drei Tage teil, wurde 1831 Mitglied der Deputiertenkammer und als eifriger Republikaner bald ein Hauptvorkämpfer der demokratischen Partei. Als Mitglied des Vereins »Aide-toi, et le ciel t'aidera« der Teilnahme an dem republikanischen Aufstand 28. Juli 1832 angeklagt, stellte er sich seinen Richtern und ward freigesprochen. Bei den Debatten über die geheimen Fonds in der Kammer von 1837 unterwarf er Guizots Staatskunst einer beißenden Kritik.
2) Louis Antoine, Mitglied der franz. provisorischen Regierung von 1848, geb. 16. Febr. 1803 in Marseille, gest. 31. Okt. 1878 in Paris, Halbbruder des vorigen, war beim Ausbruch der Julirevolution Handelsmakler in Paris, leitete den Barrikadenbau im Stadtviertel St.-Avoye, widmete sich aber dann gänzlich den Handelsgeschäften, bis der Tod seines Bruders 1841 ihn veranlaßte, in die politische Laufbahn einzutreten. In die Deputiertenkammer gewählt, schloß er sich der äußersten Linken an. Nach der Februarrevolution 1848 ward er zum Maire von Paris und zum Mitglied der provisorischen Regierung ernannt und begann seine Wirksamkeit damit, daß er das sogen. Recht der Arbeiter auf Arbeit proklamierte. Am 5. März zum Finanzminister ernannt, vermied er durch energische und wirksame, freilich höchst unpopuläre Maßregeln wenigstens die drohende finanzielle Krisis. Kurz darauf wurde er in den Vollziehungsausschuß gewählt, aber schon nach sechs Wochen durch die Diktatur Cavaignacs verdrängt. Von da an nahm er fast nur an der Erörterung finanzieller Fragen teil. 1849 zog er sich ins Privatleben zurück und widmete sich teils industriellen Unternehmungen, teils der Abfassung der ausführlichen »Histoire de la Révolution de 1848« (Par. 1861–62, 8 Bde.; 2. Aufl. 1866). Im März 1864 wurde er in den Gesetzgebenden Körper gewählt, wo er sich der kleinen, aber gefürchteten Oppositionspartei beigesellte. Nach dem Sturz des Kaiserreichs im September 1870 wurde G. Mitglied der provisorischen Regierung. 1871 ließ er sich in Cannes nieder. Sein großes Werk über die Februarrevolution ergänzte er durch die »Histoire de la commission exécutive« (1869–72, 2 Bde.) und »L'opposition et l'Empire« (1873, 2 Bde.).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.