Farben [1]

Farben [1]

Farben, Lichtempfindungen, die im Auge entstehen, wenn die Sehnerven gereizt werden durch eindringende elektrische Strahlen, deren Wellenlänge zwischen 687 und 397 Millionstel Millimeter liegt (Lichtstrahlen). Nach Newton, dem Entdecker der Farbenzerstreuung (s. Dispersion), sollte jeder dieser Strahlenarten eine einfache Farbe entsprechen, was später von GoetheFarbenlehre«) aufs schärfste bestritten wurde und mit Recht. Wohl sind die Strahlen selbst einfach, weiter nicht mehr zerlegbar und heißen deshalb auch monochromatische Strahlen, keineswegs aber die von ihnen hervorgerufenen Farbenempfindungen; denn z. B. die Empfindung rot-gelb kann ebensogut durch die entsprechenden Strahlen des Spektrums hervorgerufen werden wie durch eine Mischung von Strahlen, von denen die einen für sich allein rot, die andern gelb erscheinen. Bei diesem Streit handelt es sich übrigens mehr um eine unklare Ausdrucksweise der ältern Physiker. Newton selbst bespricht die Entstehung der Mischfarben im ersten Buch seiner Optik (Prop. VI, Ausg. 2) in durchaus klarer Weise, wenn er auch noch nichts von elektrischer Strahlung wußte, sondern der Meinung war, die Farbenempfindungen würden veranlaßt durch winzige fortgeschleuderte Partikelchen, welche die Lichtstrahlen bilden und beim Auftreffen auf die Enden der Sehnerven diese in Schwingungen versetzen, und zwar je nach ihrer Beschaffenheit in verschiedener Weise. Um die aus gegebenen F. entstehende Mischfarbe voraus zu berechnen, ordnete er die sämtlichen Spektralfarben auf einem Kreise an, und zwar Rot von 0–61°, Orange von da bis 95°, Gelb bis 150°, Grün bis 210°, Blau bis 265°, Indigo bis 299° und Violett bis 360° (Newtons Farbenkreis). Diese Bogenlängen wählte er auf Grund eines verfehlten Vergleichs der F. mit den Tönen der Tonleiter. Vom Rande gegen die Mitte der Scheibe wurden die F. blasser, und die Mitte selbst war rein weiß. Um nun die Mischfarbe zweier oder mehrerer gegebener F. zu finden, dachte er sich an den betreffenden Stellen des Farbenkreises Gewichte im Verhältnis der Intensitäten der F. angebracht und suchte deren Schwerpunkt. Die dort angemalte Farbe mußte nach seiner Ansicht die Mischfarbe sein. Annähernd war dies auch der Fall, indes nicht genau. Da komplementäre F. oder Ergänzungsfarben (s. Gesicht) zusammen weiß geben, mußten sich auf dem Farbenkreis je zwei komplementäre F. diametral gegenüberliegen, da nur dann der gemeinsame Schwerpunkt in das Zentrum fallen kann. Dies trifft indes nicht genau zu. Maxwell suchte später die Methode zu verbessern, indem er den Kreis durch ein Dreieck mit abgerundeten Ecken ersetzte und die weiße Stelle im Innern exzentrisch legte, am weitesten entfernt von der roten Ecke, am nächsten bei der blauen. Die erforderlichen Ausdehnungen der einzelnen F. wurden durch Mischungsexperimente mit dem Farbenkreisel (Chromatometer) festgestellt (Farbendiagramm). Goethe nahm an, daß die sogen. Grundfarben oder Erstfarben (Rot, Gelb und Blau) der Maler die wahren einfachen F. seien, und setzte aus ihnen und ihren Mischfarben, den sogen. Zweitfarben: Orange, Grün, Violett, einen sechsteiligen Farbenkreis zusammen, in dem sich in der Tat Komplementärfarben gegenüberliegen. Die Konstruktion beruht aber auf dem falschen Prinzip, daß Grün die Mischfarbe von Gelb und Blau sei. Die wahre Mischfarbe von Gelb und Blau ist Weiß. Durch Mischung derjenigen Farbstoffe (Pigmente), welche die Maler gebrauchen, erhält man allerdings Grün, weil die blauen Farbstoffteilchen noch grünes Licht hindurchlassen, das auch die gelben zu durchdringen vermag. Dies ist indes nur Zufall. Bei Wahl andrer Farbstoffe könnte z. B. ebensogut Rot das Resultat der Mischung sein, wenn Rot diejenige Farbe ist, die sowohl der blaue als der gelbe Farbstoff hindurchlassen. Genau komplementäre Farbstoffe würden sogar bei der Mischung Schwarz geben, da reines Blau nicht durch die gelbe Farbe durchdringen kann. Welches die wahren Grundfarben sind, läßt sich also nicht auf diesem Wege, sondern nur durch Studien über Farbenblindheit ermitteln. Nach der Young-Helmholtzschen Theorie sind die oben genannten Zweitfarben die wirklich einfachen F., die Erstfarben dagegen Mischfarben. Nach Herings Theorie sind die Grundfarben: Rot und Grün, Gelb und Blau und Weiß und Schwarz. Beide Theorien führen wieder zum Goetheschen Farbenkreis, den man durch Einfügung weiterer Zwischenfarben noch vervollständigen kann. Für technische Zwecke z. B. wird gewöhnlich ein 30teiliger Farbenkreis verwendet. Gegen die Mitte hellen sich die F. auf, d. h. es wird ihnen in steigendem Maße Weiß beigemischt, die Sättigung vermindert, bis sie im Zentrum in reines Weiß auslaufen. Eine solche Farbenscheibe enthält indes noch nicht alle möglichen F., es fehlten darin z. B. Braun und Grau. In Wirklichkeit sind dies keine neuen F., sondern nur Abschwächungen. Grau ist abgeschwächtes, in seiner Intensität vermindertes Weiß, Braun abgeschwächtes Rotgelb. Um auch diese sogen. gebrochenen F. zu erhalten, kann man sich eine zweite Farbenscheibe anlegen, deren F. nach dem Zentrum hin in Schwarz auslaufen. Nun fehlen noch die gebrochenen ungesättigten F. Hierzu wären weitere Scheiben erforderlich, deren Zentrum mehr oder minder intensives Grau ist. Schichtet man diese Scheiben nach der Intensität des Grau im Zentrum zu einem Zylinder auseinander, so sind darin alle wirklich möglichen F. enthalten. Runges Farbenkugel ist eine ähnliche Zusammenstellung, nämlich eine Kugel, am einen Pol weiß, am andern schwarz und am Äquator mit den 30 gesättigten F. bedeckt, die nach den Polen hin in die ungesättigten, bez. gebrochenen F. übergehen. Solche Farbenzusammenstellungen sind sehr wesentlich für den Techniker, insbes. den Buchdrucker, der rasch zusammenpassende, harmonische Farbentöne auffinden soll (s. Farbenharmonie). Vgl. Dove, Darstellung der Farbenlehre (Berl. 1853); Helmholtz, Handbuch der physiologischen Optik (2. Aufl., Leipz. 1886–96); Happe, Über den physiologischen Entwickelungsgang der Lehre von den F. (das. 1877); Rood, Die moderne Farbenlehre (das. 1880); Brücke, Physiologie der F. für die Zwecke der Kunstgewerbe (2. Aufl., das. 1887); W. v. Bezold, Farbenlehre im Hinblick auf Kunst und Kunstgewerbe (Braunschw. 1874); Thiele, Farbenlehre als Hilfswissenschaft für Künstler und Industrielle (Berl. 1873); Schreiber, Die Farbenlehre für Architekten, Maler, Techniker (2. Ausg., Leipz. 1874); Häuselmann, Populäre Farbenlehre (Zürich 1882); Wouwermans, Farbenlehre für die praktische Anwendung in den Gew erben und in der Kunstindustrie (2. Aufl., Wien 1891); H. Hoffmann, Systematische Farbenlehre für die Technik, insbesondere für den Gebrauch in Buchdruckereien (Zwickau 1892); Berger, Katechismus der F. (Leipz. 1898).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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