- Cabet
Cabet (spr. -bä), Etienne, franz. Kommunist, geb. 2. Jan. 1788 in Dijon, gest. 9. Nov. 1856 in St. Louis, studierte Pädagogik und war eine Zeitlang Gymnasiallehrer. Später studierte er Medizin, endlich die Rechte und ließ sich in seiner Vaterstadt als Advokat nieder. Nach der Restauration schloß er sich den radikalen Republikanern an. Wegen Teilnahme an politischen Demonstrationen mehrmals von der Praxis suspendiert, wandte er sich nach Paris, beteiligte sich daselbst lebhaft am Karbonarismus und wurde Mitglied des obersten Ausschusses dieser geheimen Gesellschaft. An der Julirevolution nahm er tätigen Anteil. 1831 im Depart. Côte-d'Or in die Kammer gewählt, gehörte er hier der äußersten Linken an. Er schrieb eine »Geschichte der Revolution von 1830« (Par. 1832) und gründete in Paris das radikale Sonntagsblatt »Le Populaire«. Wegen eines Artikels in demselben im März 1834 zu zweijähriger Hast verurteilt, floh er nach London und griff von dort in Flugschriften die französische Regierung heftig an. Infolge der Amnestie von 1839 nach Frankreich zurückgekehrt, schrieb er die »Histoire populaire de la révolution française de 1789 à 1830« (Par. 1840, 3 Bde.; 2. Aufl. 1845–47, 5 Bde.). In England war er durch das Studium der Schriften von Morus, Campanella, Morelly, Buonarroti etc. zum Kommunisten geworden. Seine kommunistischen Ideen, die er nur auf friedlichem Wege verwirklicht wissen wollte, entwickelte er in der romanhaften Reisebeschreibung »Voyageen Icarie, roman philosophique et social« (Par. 1842, 5. Aufl. 1848; deutsch von Hippler-Everbeck, das. 1848; neue Ausg., Leipz. 1894). In derselben führte er das Beispiel einer großen Nation, die in Gütergemeinschaft lebt, der Welt vor (über den Inhalt s. Kommunismus). Er gründete kommunistische Vereine und fand zahlreiche Anhänger, die sich »communistes icariens« nannten. 1847 beschloß er, mit seinen Anhängern nach Texas auszuwandern, um dort eine kommunistische Kolonie zu gründen. Im Februar 1848 wanderten bereits 69 Ikarier dahin aus, doch mußten sie sich nach erfolglosen Versuchen und schweren Leiden nach New Orleans zurückziehen. Nachdem die Pariser Junischlacht die Hoffnung von C., in Frankreich seine Ideen verwirklichen zu können, vereitelt hatte, schifften sich gegen 400 Ikarier nach Amerika ein, denen C. im Dezember nachfolgte. Er fand in dem von den Mormonen verlassenen Nauvoo (Illinois) einen günstigen Niederlassungsort. Inzwischen von mißvergnügten Genossen in Paris wegen Betrugs an dem zusammengeschossenen Vermögen von mehr als 200,000 Frank verklagt und vom Zuchtpolizeigericht der Seine während seiner Abwesenheit 30. Sept. 1849 zu zweijähriger Hast und fünfjährigem Verlust des Bürgerrechts verurteilt, kehrte C. nach Frankreich zurück und brachte seine Sache vor das Appellationsgericht, das ihn 26. Juli 1851 freisprach. Nach dem Staatsstreich vom 2. Dez. 1851 kehrte er nach Nauvoo zurück und übernahm hier Anfang 1856, durch neue Ankömmlinge unterstützt, die Diktatur. Dies führte zu einer Spaltung. Durch einen Aufstand gestürzt und mit 180 Anhängern ausgestoßen, wandte sich C. nach St. Louis in Missouri, wo er bald darauf starb. Von 1843–48 hatte er außer zahlreichen Flugschriften einen »Almanach icarien« herausgegeben. Vgl. L. v. Stein, Der Sozialismus und Kommunismus des heutigen Frankreich (2. Aufl., Leipz. 1847); Shaw, Ikaria (Geschichte der ikarischen Niederlassungen, deutsch, Stuttg. 1886); Lux, E. C. und der ikarische Kommunismus (das. 1894); Bonnaud, C. et son oeuvre (Par. 1900).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.