- Bleiweiß
Bleiweiß (Cerussa), basisch kohlensaures Blei, wird nach der holländischen Methode aus dünnen Bleiplatten dargestellt, die man, spiralförmig aufgerollt, einzeln in irdene Töpfe stellt, welche etwas Essig enthalten. Man bedeckt die Töpfe mit Bleiplatten und vergräbt sie in Pferdemist oder gebrauchte Lohe. Bei der alsbald eintretenden Gärung steigt die Temperatur auf etwa 45°, die sich entwickelnden Essigdämpfe bilden mit dem Blei basisch essigsaures Blei; auf dieses wirkt die bei der Gärung entstehende Kohlensäure und erzeugt B. und neutrales essigsaures Blei. Letzteres greift die Bleiplatte von neuem an, bildet wieder basisches Salz etc. Das B. wird durch Abklopfen oder durch geriffelte Walzen von dem metallischen Blei getrennt und mit Wasser sehr sein gemahlen. Nach der deutschen (Kremser) Methode hängt man dünne, rauhe Bleiplatten über Latten in geheizten Kammern auf, deren Boden eine Kufe bildet, in der sich erwärmter Essig befindet. Vorteilhaft wird der Zutritt von Luft, Wasserdampf, Essigsäure und Kohlensäure in die Kammern geregelt. Man bringt auch feingekörntes, mit Essig befeuchtetes Blei in erwärmte Kasten und leitet Dampf und Kohlensäure ein. Nach dem englischen Verfahren leitetman Kohlensäure durch mit Bleizuckerlösung befeuchtete und beständig umgerührte Bleiglätte. Nach der französischen Methode löst man Bleiglätte in Essigsäure zu basischem Bleiacetat, fällt daraus durch Kohlensäure B., löst in der entstandenen Lösung von neutralem Bleiacetat abermals Bleiglätte, fällt wieder durch Kohlensäure etc. Schwefelsaures Blei (Nebenprodukt von der Darstellung der Rotbeize) wird mit Natronlauge erwärmt und das entstandene basische Sulfat durch Erwärmen mit Sodalösung in B. verwandelt. Zur elektrolytischen Darstellung von B. benutzt man eine Lösung von 7 Proz. Natriumchlorat und 0,011 Proz. Natriumkarbonat. In dem Gefäß hängen 10 Anoden von Weichblei und 11 Kathoden von Hartblei mit 1,5 cm Abstand voneinander. Während der Elektrolyse wird fein verteilte Kohlensäure in die Flüssigkeit geblasen, teils zur Förderung der Zirkulation, teils zur beständigen Erneuerung des Fällungssalzes.
B. ist blendend weiß, geruch- und geschmacklos, in Wasser unlöslich. Es besteht aus basisch kohlensaurem Blei 2PbCO3+PbH2O2, aber der Gehalt an Bleioxyd wechselt zwischen 83,77 und 86,72 Proz. B. übertrifft an Deckkraft alle weißen Farben, aber das französische steht dem englischen und besonders dem holländischen bedeutend nach. Es scheint, als ob die bafischern Sorten größere Deckkraft besitzen. Das von den Bleiplatten in Schiefern sich ablösende B. bildet das Schieferweiß, das mit Gummilösung angerührte und in Kegeln geformte heißt holländisches, in Täfelchen geformtes Kremserweiß. Letzteres erscheint auf dem Bruch fast muschelig und ist die feinste Sorte. Die geringern Sorten des Bleiweißes, Venezianer Weiß, Hamburger Weiß, Holländer Weiß, sind mit Schwerspat, auch mit schwefelsaurem Blei, Witherit, Kreide, Gips, Ton versetzt; Perlweiß ist mit Indigo oder Berlinerblau schwach gebläut. Obwohl das B. in Wasser sich nicht löst, ist es doch höchst giftig, und die Fabrikarbeiter haben früher sehr viel darunter gelitten (vgl. Bleivergiftung). Zum Schutz der Arbeiter hat der Bundesrat 12. April 1886 Vorschriften über Einrichtung und Betrieb der Bleifarben- und Bleizuckerfabriken erlassen. Um das Trocknen zu umgehen, knetet man feuchtes B. mit Öl, wobei es sein Wasser verliert und zur Verwendung als Farbe geeignet wird (Ölweiß). B. dient hauptsächlich als Ölfarbe. Die Anstriche sind milchweiß, vergilben zwar im Dunkeln, werden aber am Licht wieder weiß. Ein starker Zusatz von Terpentinöl hält das Vergilben auf; auch die mit einer Lösung von Harzen (Dammarharz) in Terpentinöl oder von Sandarach in Weingeist bereiteten Anstriche halten sich blendend weiß. Schwefelwasserstoff schwärzt den Bleiweißanstrich sofort. B. dient auch zur Darstellung von Salben, Pflastern, Kitt, Firnis und Mennige. Die Anwendung von B. zum Bepudern von Federn, Spitzen etc. ist wegen der Giftigkeit desselben höchst verwerflich. B. war schon zu Zeiten des Theophrast bekannt, aber erst Bergmann ermittelte seine chemische Natur.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.