Steinhausen

Steinhausen

Steinhausen, 1) Heinrich, Schriftsteller, geb. 27. Juli 1836 zu Sorau in der Niederlausitz, studierte in Berlin Theologie und Philologie, bekleidete darauf Lehrerstellen an den Kadettenanstalten in Potsdam und Berlin, trat 1868 in den Kirchendienst über und wirkt jetzt als Prediger in Podelzig bei Oderbruch. Außer der gegen G. Ebers' Romane gerichteten Schrift »Memphis in Leipzig« (Frankf. a. M. 1880) veröffentlichte er die ungemein reizvolle Klostergeschichte »Irmela« (Leipz. 1881, 22. Aufl. 1906); »Gevatter Tod. Im Armenhaus. Mr. Bob Jenkins' Abenteuer«, Novellen (2. Aufl., Barmen 1884); »Markus Zeisleins großer Tag«, Novelle (das. 1883); »Der Korrektor. Szenen aus dem Schattenspiel des Lebens« (1.–4. Aufl., Leipz. 1885; 5. Aufl., Dresd. 1903); »Die neue Bizarde« (Wittenb. 1890); »Herr Moffs kauft sein Buch« (Berl. 1891); »Geschichte Wendelins von Langenau« (das. 1893); »Entsagen und Finden«, drei Geschichten (Stuttg. 1898) und »Heinrich Zwiefels Ängste. Eine Spießhagener Geschichte« (Berl. 1900). In Steinhaufens Erzählungen vereinigen sich tiefe Religiosität und sonniger Humor zu stimmungsvoller Wirkung.

2) Wilhelm, Maler, Bruder des vorigen, geb. 2. Febr. 1846 in Sorau, machte seine ersten Studien auf der Berliner Kunstakademie und ging 1866 nach Karlsruhe, wo er auf der Kunstschule jedoch nicht die erhoffte Förderung fand. Einen stärkern Einfluß auf ihn gewann dort Hans Thoma, zu dem er später in München und Frankfurt a. M. in nahe Beziehungen trat, und später Ludwig Richter. In dessen Geist entstand seine erste größere Arbeit, eine Reihe von Zeichnungen zur Geschichte von der Geburt unsers Herrn (1872 in Holzschnitten mit Versen seines Bruders Heinrich S. [s. oben] erschienen). Nach einjährigem Aufenthalt in Italien nahm er seinen Wohnsitz in München. Dort beschäftigte er sich mit Randzeichnungen zur »Chronika eines fahrenden Schülers« von Brentano, die aber trotz ihrer seinen poetischen Stimmung und der Originalität des ornamentalen Teils keinen Verleger fanden und erst zwei Jahrzehnte später veröffentlicht wurden (2. Aufl., Frankfurt a. M. 1906). Nach mehreren in Berlin und in der Pfarrei seines Bruders verbrachten Jahren erhielt er 1876 auf Empfehlung von F. Geselschap einen dekorativen Auftrag eines Architekten in Frankfurt a. M., wo er bald festen Fuß fassen und seine schlichte, tief im deutschen Volkstum wurzelnde Kunst in Wandgemälden, Tafelbildern, Lithographien, Zeichnungen u. dgl. in voller Freiheit entfalten konnte. Seine monumentalen Hauptwerke sind das Wandgemälde im Missionshaus St. Theobaldi in Wernigerode mit Christus am Kreuz, zu dem die Mühseligen und Beladenen pilgern, und einem Abendmahl Christi mit den Sündern in der Predella, der Freskenzyklus mit den sieben Werken der Barmherzigkeit im Kreuzgang einer Gedächtniskirche in St. Veit bei Wien, die Malereien in der Hospitalkirche zu Stuttgart und im Kaiser Friedrich-Gymnasium zu Frankfurt. Unter seinen Tafelbildern sind das Herannahen der Jünger zum Herrn (im Rauhen Hause zu Hamburg), der Gang nach Emmaus und Christus, der die Felder segnet, die hervorragendsten. Seine schlicht und tief empfundenen Steinzeichnungen schildern meist Momente aus dem Leben Christi oder verkörpern Bibelworte (vollständigste Sammlung in Dresden). S. hat auch Bildnisse und Landschaften sowie zahlreiche Märchenbilder und Illustrationen geschaffen, unter andern für den Roman seines Bruders »Irmela«. Er wurde zum Professor und zum theologischen Ehrendoktor der Universität Halle ernannt. Vgl. Koch, Wilhelm S. (2. Aufl., Heilbr. 1904); »Gedenkbuch zu W. Steinhausens 60. Geburtstag« (das. 1906).

3) Georg, Kulturhistoriker, geb. 2. Juni 1866 in Brandenburg a. d. Havel, studierte in Berlin und Greifswald deutsche Philologie und Geschichte, trat in den Bibliotheksdienst, lebte seit 1887 in Greifswald, seit 1892 in Jena und ist jetzt Direktor der Stadtbibliothek in Kassel. Er ist zurzeit einer der entschiedensten Vertreter der Kulturgeschichte in Deutschland. Von seinen Werken nennen wir: »Geschichte des deutschen Briefes« (Berl. 1889–91, 2 Bde.); »Kulturstudien« (das. 1893); »Häusliches und gesellschaftliches Leben im 19. Jahrhundert« (das. 1898); »Der Kaufmann in der deutschen Vergangenheit« (Leipz. 1899, als 2. Bd. der »Monographien«); »Geschichte der deutschen Kultur« (das. 1904); »Germanische Kultur in der Urzeit« (das. 1905). Er gab die »Zeitschrift für Kulturgeschichte« (Weim., später Berl. 1893–1902, 9 Bde., nebst ergänzenden »Beiträgen«, Berl. 1897–98,2 Hefte) und die »Monographien zur Kulturgeschichte« (Leipz., später Jena 1899–1905, 12 Bde.) heraus, denen sich die »Denkmäler der deutschen Kulturgeschichte« (Berl. 1899 ff., Bd. 1: »Deutsche Privatbriefe des Mittelalters« von S.) anschlossen. Seit 1903 leitet er das »Archiv für Kulturgeschichte« (Berl., bisher 5 Bde.). In der Bibliothek des Stuttgarter literarischen Vereins gab er den »Briefwechsel Balthasar Paumgartners des Jüngern und seiner Gemahlin Magdalena 1582–1598« (Stuttg. 1895, Bd. 1) heraus.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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