Plattwürmer

Plattwürmer

Plattwürmer (Plathelminthes, Platodes), die niederste Klasse der Würmer, meist ungegliederte, gewöhnlich stark platte Tiere. Bei den frei lebenden Strudelwürmern und Schnurwürmern flimmert die ganze Haut, während bei den durch Parasitismus veränderten Bandwürmern und Saugwürmern Wimperung nur noch bei den Larven zu finden ist; der Körper wird dann durch eine ihn bedeckende Cuticula geschützt. An den am Vorderende oder an der Bauchseite gelegenen, mit Rüssel- oder Saugeinrichtung versehenen Mund schließt sich mittels einer kurzen Speiseröhre der gerade gestreckte, verzweigte oder gabelig gespaltene, blind geschlossene und nur bei den Schnurwürmern mit After versehene Darmkanal an, der freilich bei den Bandwürmern zurückgebildet wird, so daß sich diese durch die Körperwand hindurch von den Säften ihres Wirtstieres ernähren. Besondere Blutgefäße und Atmungswerkzeuge haben nur die Schnurwürmer, die auch allein eine vom Darm getrennte Leibeshöhle besitzen. Sie ist höchstens in Gestalt von größern oder kleinern Lücken bei den Strudelwürmern vorhanden und fehlt den parasitischen Gruppen. Das Vorhandensein dieses Körperparenchyms ist sehr charakteristisch für die P. Das Nervensystem besteht aus zwei miteinander verbundenen Ganglienknoten am Vorderende des Körpers und zwei oder vier davon ausgehenden Längsstämmen. Bei den Schnurwürmern sind die vordern Ganglien durch eine Kommissur um den Rüssel herum verbunden. Augenflecke, zuweilen mit lichtbrechenden Körpern, sind bei vielen vorhanden. Die Exkretion besorgen die sogen. Wassergefäße mit Exkretionszellen und Wimpertrichtern als geschlossene sogen. Protonephridien im Parenchym oder an den Organen beginnend und sich durch feinste Kanäle in einfache oder verzweigte Schläuche vereinigend, die in der Längsrichtung des Tieres verlaufen und gewöhnlich hinten dut ch eine kontraktile Blase nach außen münden. Die meisten P. sind Zwitter und besitzen sehr komplizierte Geschlechtswerkzeuge, befruchten sich aber in der Regel nicht selbst. Die Entwickelung ist vielfach mit einer bedeutenden Metamorphose, bei den Parasiten auch mit Generationswechsel verbunden und führt bei den Bandwürmern zu einer Gliederung des Körpers.

Man teilt die P. in vier Ordnungen: 1) Die Strudelwürmer (Turbellaria), 2–50 mm lang, leben in feuchter Erde, süßem oder salzigem Wasser und bewegen sich durch Schlängelung des ganzen Körpers fort. In der mit Wimpern bedeckten Haut finden sich sogen. Stäbchen (Rhabditen), bei einigen Arten auch einzellige grüne Algen (Zoochlorellen). Der Mund liegt nicht immer vorn, sondern rückt sogar bis über die Mitte des Körpers hinaus und führt durch einen Schlundkopf in einen Darm, der gerade wie ein Stab verläuft (Rhabdocölen mit Microstomum, Mesostomum, s. Taf. »Süßwasserfauna II«, Fig. 1, u. a.) oder sich gabelt oder verzweigt (Planarien [s. d.], Dendrocölen) und nie einen After hat. Bei einigen Arten ist jedoch kein Darm mit eignen Wandungen vorhanden, sondern die Nahrung gelangt direkt in das weiche Gewebe des Leibes und wird hier verdaut (Acöla). Hermaphroditen sind alle Strudelwürmer mit Ausnahme der Gattungen Microstomum und Stenostomum; beiderlei Geschlechtsorgane haben meist eine gemeinschaftliche Öffnung. In manchen Fällen werden sowohl Eier mit dicker Schale (Wintereier) als auch mit dünner Haut (Sommereier) gebildet; letztere entwickeln sich im mütterlichen Körper, erstere außerhalb desselben. Alle Arten im Süßwasser und viele im Meere haben direkte Entwickelung; ihre Jungen sind infusorienähnliche Wimperlarven. Andre besitzen sonderbar gestaltete Larven mit Wimperlappen (Müllersche Larve). In einzelnen Fällen findet ungeschlechtliche Vermehrung durch Teilung statt; auch weisen die Strudelwürmer ein großes Regenerationsvermögen auf (s. Planarien).

2) Die Schnurwürmer (Nemertini; Abbildung von Tetrastemma [Vierauge], s. Tafel »Würmer I«, Fig. 3, 12, 15, und Tafel II, Fig. 6) besitzen eine wesentlich höhere Organisation als die Turbellarien und werden darum auch von manchen Forschern den Plattwürmern als besondere Gruppe angereiht. Ihre Länge schwankt von etwa 3 mm bis zu vielleicht 20 m, sie sind gewöhnlich sehr dünn. Sie haben ein wohlentwickeltes Nerven- und Gefäßsystem, einen Darm mit After und vorn über dem Darm einen Rüssel, der meistens durch eine eigne Öffnung aus dem Körper ausgestülpt werden kann; fast alle sind geschlechtlich getrennt. Sie zeigen eine gewisse Gliederung, die sich in Aussackungen des Darmes und Wiederholung der Keimdrüsen, nicht aber außen am Körper zu erkennen gibt. Einige Arten gebären lebendige Junge, meist jedoch entwickeln sich die in einer Gallerte abgelegten Eier außerhalb des Muttertiers. Bei manchen ist bedeutende Metamorphose vorhanden; die helmartig gestaltete Larve wird als Pilidium (s. Tafel »Entwickelungsgeschichte II«, Fig. 6) bezeichnet. Die Schnurwürmer leben meist im Meer unter Steinen oder im Schlamm, auch wohl in größern Tiefen, einige jedoch im Süßwasser oder auf dem Lande. Die in Muscheln schmarotzende Gattung Malacobdella wurde wegen ihres Saugnapfes früher zu den Blutegeln gestellt. Man kennt über 150 Arten.

3) Den Strudelwürmern nahe verwandt, aber durch das parasitische Leben morphologisch und besonders bezüglich der Entwickelung stark verändert sind die Saugwürmer (Trematodes, »Lochwürmer«). Sie werden noch nicht 10 cm lang, sind aber meist ziemlich breit (s. Leberegel auf Tafel »Würmer II«, Fig. 4). Ihren Namen verdanken sie den zwei oder mehreren Saugnäpfen, die zur Anheftung an die Wirtstiere dienen und besonders bei den Ektoparasiten (d. h. den außen auf andern Tieren lebenden) stark entwickelt sind. Im Grunde des vordern Saugnapfes liegt der Mund; von ihm aus führt die Speiseröhre in den gabelig geteilten und afterlosen Darm. Fast alle Saugwürmer sind Zwitter und besitzen äußerst komplizierte Geschlechtswerkzeuge. Die Eier entwickeln sich gewöhnlich außerhalb des Muttertiers und liefern meist bewimperte Larven (Miracidien), die noch eine oft ungemein verwickelte Metamorphose (s. Leberegel) durchmachen und in einen oder mehrere Zwischenwirte einwandern und dort ihre Entwickelung als Keimschläuche (Sporocysten und Redien) durchmachen, ehe sie in den Endwirt übertragen und dort geschlechtsreif werden. Diese Keimschläuche sind meist rund oder oval, nehmen jedoch ausnahmsweise eine verzweigte Form an, wie das Leucochloridium paradoxum, der Keimschlauch von Distomum macrostomum, der sich durch den ganzen Körper der Bernsteinschnecke, in der er lebt, erstreckt. Man unterscheidet: Disiomeen mit höchstens zwei und Polystomeen (Monogenea) mit vielen Saugnäpfen. Erstere (s. Leberegel) leben in den innern Organen von Wirbeltieren, letztere meist auf der Haut von Fischen oder der auf diesen schmarotzenden Krebse. Interessant sind die Arten Diplozoon paradoxum oder Doppeltier (s. d. und Tafel »Würmer I«, Fig. 10), Polystomum integerrimum aus der Harnblase des Frosches (die Larven leben in der Kiemenhöhle der Kaulquappen) und Gyrodactylus elegans, der in sich die ineinander geschachtelte Tochter-, Enkel- und Urenkelgeneration birgt.

4) Durch die schmarotzende Lebensweise noch viel weiter verändert sind die Bandwürmer (s. d., Cestodes), die als Parasiten des Menschen auch vom medizinischen Standpunkt Beachtung verdienen Endlich betrachtet man auch wohl als äußerst reduzierte P. die Dicyemiden und Orthonektiden (s. d.). Vgl. O. Schmidt, Die rhabdocölen Strudelwürmer des süßen Wassers (Jena 1848); Ulianin, Die Turbellarien der Bucht von Sebastopol (Mosk 1870); Graff, Monographie der Turbellarien (Leipz. 1882–99, 3 Tle.); Lang, Die Polycladen des Golfs von Neapel (das. 1885); Quatrefages, Mémoire sur la famille des Nemertines (Par. 1846); Hubrecht, Report on the Nemertea, etc. (Lond. 1887); Bürger, Die Nemertinen des Golfes von Neapel (Berl. 1895); Nordmann, Mikrographische Beiträge zur Kenntnis der wirbellosen Tiere (das. 1832); Zeller, Über Polystoma (Leipz. 1872 u. 1876) und Über Leucochloridium (das. 1874); Leuckart, Die Parasiten des Menschen (2. Aufl., das. 1879 ff.); Braun, Trematoden und Cestoden (in Bronns »Klassen und Ordnungen des Tierreiches«, das. 1887–1900) und Tierische Parasiten des Menschen (Würzb. 1903); Looß, Die Distomeen unsrer Fische und Frösche (Stuttg. 1894); Moniez, Cestodes (Lille 1880 u. 1881); Graff, Die Turbellarien als Parasiten und Wirte (Graz 1903).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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