Nationalliberale Partei

Nationalliberale Partei

Nationalliberale Partei, politische Partei in Deutschland, ging aus der preußischen Fortschrittspartei nach dem großen Umschwung 1866 hervor und bildete sich unter Laskers und Twestens Führung im August 1866 aus den Männern, die, ohne ihre liberalen Grundsätze zu verleugnen, sich entschlossen, den Verfassungskonflikt durch Bewilligung der von der preußischen Regierung verlangten Indemnität zu beendigen und sie in ihrer deutsch-nationalen Politik offen und rückhaltlos zu unterstützen. Die Mehrzahl der liberalen Abgeordneten der neuen Provinzen, unter ihnen Miquel und Bennigsen, schloß sich dieser neuen Partei an. Sie erlangte namentlich nach der Begründung des Deutschen Reiches große Bedeutung, indem sie im preußischen Abgeordnetenhaus 1873–1876: 182, im Reichstag 1874–77: 155 Mitglieder zählte. Als sich aber Bismarck, durch die erste Ablehnung des Sozialistengesetzes, dann durch die ablehnende Haltung der Mehrheit der Partei gegen seine Zoll- und Wirtschaftspolitik gereizt, sich von ihr lossagte, erlitt die Partei bei den Neuwahlen zum Reichstag und zum Abgeordnetenhaus 1878 und 1879 große Verluste. Nachdem sich 1879 wegen der Opposition der Partei gegen die neue Wirtschaftspolitik Bismarcks 17 Mitglieder unter Völk und Schauß von ihr losgelöst hatten, traten 1880 die entschiedenen Freihändler (Forckenbeck, Stauffenberg, Rickert, Bamberger u.a.) aus und bildeten die »Liberale Vereinigung« (Sezessionisten), die sich 1884 mit der Fortschrittspartei zur Deutschfreisinnigen Partei verschmolz. Die N. P. verlor infolgedessen ihre meisten Sitze in den östlichen Provinzen Preußens und sank bei den Wahlen von 1881 und 1884 auf 45 Mitglieder im Reichstag herab, während sie im preußischen Abgeordnetenhaus 65 zählte. Nachdem sich die Partei indes durch die Heidelberger Erklärung vom 23. März 1884, der am 18. Mai 1884 und 31. Mai 1891 die Berliner Erklärungen folgten, ein neues, klares Programm gegeben hatte, gewann sie wieder größern Einfluß und stieg nach der durch die Ablehnung des Septennats veranlaßten Auflösung des Reichstags bei den Neuwahlen im Februar 1887 wieder auf 101 Mitglieder. Im 1893er Reichstag zählte sie 54, im Abgeordnetenhaus 90 Mitglieder. Nachdem sie zuletzt im Reichstag 50 Mitglieder gezählt hatte, behauptete die N. P. bei den Reichstagswahlen im Juni 1898 nur 49 Mandate, gewann durch Neuwahlen noch 2 Sitze und sank wieder bis auf 47 (Anfang 1906). Bei den Landtagswahlen im Oktober erreichte sie nur die Zahl von 74 Mitgliedern, weil bei der schärfern Opposition des Bürgerstandes gegen die agrarischen Konservativen der linke Flügel der Liberalen eine größere Anzahl Mandate erhielt, und zählte Anfang 1906 wieder 76 Mitglieder. Vgl. »Die Nationalliberale Partei, 1867–1892« (Denkschrift von Patzig, Leipz. 1892); Maaß, 25 Jahre deutscher Reichsgesetzgebung (das. 1892); »Deutiche Parteichronik, 1866–1890« (das. 1892); »Politisches Handbuch für nationalliberale Wähler« (2 Aufl., Berl. 1897); »Deutsche Stimmen. Wochenblatt für die nationalliberale Partei« (7. Jahrgang, das. 1905; inzwischen eingegangen) und die Karte »Reichstagswahlen«. – Ende der 1890er Jahre entstanden vereinzelt lokale Vereine der nationalliberalen Jugend, sogen. jungliberale Vereine, die sich allmählich in einzelnen Bundesstaaten, wie Baden, Bayern, Württemberg, den Rheinlanden und Westfalen, zu Landesverbänden zusammenschlossen. Am 21. Okt. 1901 wurden die sämtlichen jungliberalen Vereine sodann in dem Reichsverband der Vereine der nationalliberalen Jugend mit dem Sitz in Köln zusammengefaßt. Dieser Reichsverband hinwiederum steht im organischen Zusammenhang mit der Zentralleitung der Nationalliberalen Partei. Der Reichsverband und die Landesverbände halten jährlich öffentliche Vertretertage ab. Preßorgan ist die in Köln seit 1901 erscheinende Monatsschrift »Nationalliberale Jugend«. Außerdem ist die jungliberale Bewegung publizistisch tätig durch Herausgabe von Flugschriften und des Münchener jungliberalen Jahrbuches »Schwarz-Weiß-Rot«. Die Gründung des Reichsverbandes und der Landesverbände der jungliberalen Vereine wirkte äußerst anregend auf die liberal gesinnte Jugend. Insbesondere im Rheinland, in Baden, Württemberg, Bayern, Hannover und verschiedenen andern Teilen des Reiches ist fortgesetzt die Gründung solcher starken Organisationen zu konstatieren und im Zusammenhang damit auch die Gründung liberaler Arbeitervereine. Die Tendenz der Bewegung ist Zusammenfassung der jüngern politischen Kräfte im Sinne nationaler, entschieden freiheitlicher und energisch sozialer Politik und Herbeiführung eines Zusammenschlusses der liberalen Parteien (s. Liberal). – In Dänemark gab es eben falls eine N. P., auch die eiderdänische genannt, die sich besonders auf das Übergewicht Kopenhagens stützte, und deren Politik 1864 so glänzend Fiasko machte.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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