Ausdrucksbewegungen

Ausdrucksbewegungen

Ausdrucksbewegungen heißen im weitesten Sinn alle äußern körperlichen Vorgänge, in denen sich seelische Zustände abspiegeln, und aus denen demgemäß die letztern erschlossen werden können. Das genaue (experimentelle) Studium der einschlägigen Erscheinungen hat gelehrt, daß fast jede seelische Regung von einer charakteristischen körperlichen Reaktion begleitet wird; so beeinflußt der Wechsel der Gefühle (seien sie sinnlicher oder geistiger Art) beständig Puls- und Atmungstätigkeit, mit den Vorstellungen verbinden sich schwache Bewegungsantriebe, die zu dem Vorstellungsinhalt in Beziehung stehen (eine vorgestellte Tätigkeit suchen wir z. B. unwillkürlich nachzumachen, ein Wort auszusprechen) etc. Am augenfälligsten sind die A. bei den Affekten. Zu den Störungen des Pulses und der Atmung treten hier, als A. im engern Sinne, die mimischen Bewegungen der Gesichtsmuskeln (Mienen) und die pantomimischen der Gliedmaßen und des Rumpfes (Gebärden) hinzu, von denen die erstern vorwiegend Gefühls-, die letztern Vorstellungsäußerungen darstellen, indem sie auf den Gegenstand des Affekts hinweisen (die ausgestreckten Arme des Sehnsüchtigen) oder diesen bez. mit ihm zusammenhängende Vorgänge durch Bewegungen andeuten (die geballte Faust des Zornigen). Alle A. sind ursprünglich unwillkürlich, können aber bei gehöriger Übung sowohl gehemmt als gesteigert, als auch künstlich nachgeahmt werden; hierauf beruhen die Künste der Mimik und Pantomimik (s. d.). Mit den dauernden Spuren, welche die A. im Gesicht und Haltung zurücklassen, und aus denen die Geistes- und Gemütsverfassung des Individuums erschlossen werden kann, beschäftigt sich die Physiognomik. Aus der natürlichen Gebärdensprache hat sich, durch Bevorzugung der dabei auftretenden Lautäußerungen, wahrscheinlich auch die eigentliche Sprache entwickelt. Vgl. Lehmann, Die körperlichen Äußerungen seelischer Zustände, 1. Teil (deutsch, Leipz. 1899).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Sprache und Sprachwissenschaft — Sprache und Sprachwissenschaft. Unter Sprache versteht man, ohne die verschiedenen Bedeutungen streng zu sondern, einesteils das Sprechvermögen, andernteils etwas Konkretes, die Ausübung dieses Vermögens und die dadurch in die Erscheinung… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Robert Sommer (Psychiater) — Robert Sommer Karl Robert Sommer (* 19. Dezember 1864 in Grottkau; † 2. Februar 1937 in Gießen) war ein deutscher Psychiater. Er prägte 1901 den Begriff „Psychohygiene“, begründete den Deutschen Verband für Psychohygiene und die Gesellschaft für… …   Deutsch Wikipedia

  • Apraxie — Klassifikation nach ICD 10 R48.2 Apraxie …   Deutsch Wikipedia

  • Werkzeugstörung — Klassifikation nach ICD 10 R48.2 Apraxie …   Deutsch Wikipedia

  • Handschriftendeutung — Handschriftendeutung, die Kunst, den Charakter eines Menschen aus den Zügen seiner Handschrift zu erkennen. Handschriftendeutungskunde (griech. Graphologie), die Lehre von der Handschrift und deren Beziehungen zum Charakter. Die heutige H. knüpft …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Gebärdensprache — Fingeralphabet; Körpersprache; Zeichensprache; Gestensprache * * * Ge|bär|den|spra|che 〈f. 19〉 Sprache, Verständigung durch Gebärden, Zeichensprache * * * Ge|bär|den|spra|che, die: aus Gebärden bestehende Sprache; Verständigung mittels Gebärden:… …   Universal-Lexikon

  • Eurythmie — Eu|ryth|mie 〈f.; ; unz.〉 = Eurhythmie (4) * * * Eu|ryth|mie, die; [vom Begründer der Anthroposophie, R. Steiner, gebrauchte Schreibung für ↑ Eurhythmie]: in der anthroposophischen Bewegung gepflegte Bewegungskunst u. therapie, bei der… …   Universal-Lexikon

  • Pantomimik — Pan|to|mi|mik 〈f. 20; unz.〉 1. Gebärdenspiel 2. Kunst der Pantomime; Sy Ausdruckskunst * * * Pan|to|mi|mik, die; : 1. Kunst der ↑ 1Pantomime. 2. (Psychol.) Gesamtheit der Ausdrucksbewegungen, zu denen neben Mienenspiel u. Gebärden …   Universal-Lexikon

  • pantomimisch — pan|to|mi|misch 〈Adj.〉 in der Art einer Pantomime, nur durch Gebärden (ausgedrückt) ● einen Wunsch pantomimisch ausdrücken; sich pantomimisch verständlich machen * * * pan|to|mi|misch <Adj.>: 1. die ↑ 1Pantomime betreffend, mit ihren… …   Universal-Lexikon

  • Ausdruckskunde — Die Ausdruckspsychologie wurde anfangs des 20. Jahrhunderts von Karl Jaspers begründet.[1] Sie geht auf vielfältige systematische Beobachtungen noch aus dem 18. Jahrhundert zurück.[2] Ausdruckspsychologie galt Mitte des 20. Jahrhunderts als ein… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”