Meliorationsgenossenschaften

Meliorationsgenossenschaften

Meliorationsgenossenschaften sind Vereinigungen von Landwirten zur Durchführung und Erhaltung größerer und kostspieligerer, meist auf Ent- und Bewässerungen sich beziehender Unternehmungen. Die hauptsächlichsten sind: Entwässerung einer Gemeindemarkung, bez. größerer Teile einer solchen durch Drainanlagen, Abzugskanäle und Kanäle, regelmäßige Bewässerung von größern Wiesenkomplexen, Kultivierung von Hochmooren, Entwässerung sumpfiger Ländereien oder Ableitung von Seen, Anlagen zum Schutz einer größern Zahl von Ufergrundstücken gegen Überschwemmungen etc. Die Gründung solcher Genossenschaften ist aber, wenn sie dem freien Übereinkommen aller Beteiligten überlassen wird, sehr schwierig, in vielen Fällen geradezu unmöglich. Denn schon die Zustimmung aller Interessenten wird sich, da in der Regel eine größere Zahl bäuerlicher Besitzer in Frage kommt, nur selten erreichen lassen. Dazu kommt, daß es diesen häufig an der Initiative für solche Unternehmungen, an der technischen Fähigkeit, oft auch an den Mitteln fehlt, sie durchzuführen. Deshalb sind viele M. als staatliche Genossenschaften, ausgestattet mit Staats- und Provinzialmitteln, organisiert. Soz. B. die großen Siel-, d. h. Be- und Entwässerungsgenossenschaften der weit ausgedehnten Marschgebiete an der Nord- und Ostsee, die Wiesenbaugenossenschaften nach Vincentschem System in Oldenburg, die Waldbaugenossenschaften in Hannover. Namentlich aber hat in neuerer Zeit die Gesetzgebung die Bildung solcher M. ermöglicht und erleichtert durch die Gewährung der Möglichkeit einer zwangsweisen Bildung von M., insbes. von Ent- und Bewässerungsgenossenschaften. Eine Voraussetzung für den Zwang ist dabei überall das Vorhandensein einer Mehrheit (sei es nach der Fläche oder nach der Kopfzahl oder nach Fläche und Kopfzahl, mit oder ohne Berücksichtigung des Wertes der Grundstücke, sei es der einfachen oder einer Dreifünftel-, Zweidrittel-, Dreiviertel- etc. Majorität). Im allgemeinen wird man sagen können, daß die Bildung der Majorität nicht zu schwierig sein soll. Unter Umständen ist eine obrigkeitliche Genehmigung des Planes erforderlich. Diesen Zwangsgenossenschaften muß die Gesetzgebung ferner das Recht der juristischen Persönlichkeit gewähren sowie das Vorverfahren zur Begründung, die Wahl des Vorstandes, die Kostenverteilung, die Einziehung der Beiträge, Auflösung, allenfalls den Umfang der staatlichen Aussicht regeln. Durch Anregungen seitens der Verwaltungsbeamten, durch Ausstellung von Kulturtechnikern (Kulturingenieuren und -Inspektoren), welche die Pläne entwerfen und die Ausführung leiten (s. Kulturtechnik), durch Zuschüsse aus öffentlichen Fonds, namentlich aber durch Gewährung niedrig verzinslicher und amortisierbarer Vorschüsse seitens staatlicher Landeskulturrentenbanken (s. d.) können M. sehr gefördert werden. (Gesetze bezüglich der Wassergenossenschaften: Preußen vom 1. April 1879; Bayern vom 28. Mai 1852 und 15. April 1875; Baden vom 25. Aug. 1876; Hessen vom 30. Juli 1887.) In jüngster Zeit haben sich die M. in Deutschland stark ausgebreitet, in Süddeutschland vorwiegend als Bewässerungs-, in Norddeutschland als Drainagegenossenschaften. In Frankreich, England, Belgien besteht kein Zwang zur Bildung von M., wohl aber in Österreich auf Grund des Reichsgesetzes vom 30. Mai 1869 (s. Bodenmelioration und Wasserrecht). Vgl. Buchenberger, Agrarwesen und Agrarpolitik, Bd. 1, S. 359 ff. (Leipz. 1892); v. Mendel-Steinfels, Landwirtschaftliches Genossenschaftswesen, im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, 2. Aufl., Bd. 5 (Jena 1900).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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