Meeresflora

Meeresflora

Meeresflora (hierzu Tafel »Schwebeflora des Meeres«, mit Deckblatt). Die Meerespflanzen bilden eine von der des festen Landes und des süßen Wassers wesentlich abweichende Vegetation. Sie bestehen ganz vorwiegend aus Seetangen (s. Tafel »Algen I«) und niedern Algen; besonders bedingen die Braun- und Rotalgen (s. Algen, S. 317) den eigenartigen Charakter der Flora des Meeresbodens, die zusammen mit den an den Meeresgrund gebundenen tierischen Lebewesen als Benthos bezeichnet wird, im Gegensatz zu dem Plankton, d. h. den frei im Meerwasser schwebenden Organismen. Die Tange mit ihrem auf Klippen und dem Meeresgrund festgewachsenen, oft an verzweigte und beblätterte Stämme der höhern Pflanzen erinnernden, äußerst mannigfaltig gestalteten, ansehnnehen Thallus sind zur Bildung einer formenreichen Vegetation besonders geeignet. Die größte Artenzahl und die bedeutendste Entwickelung zeigen die Algen unter den Tropen; doch nähren auch die Meere in höhern Breiten oft eine reiche Vegetation und die submarinen Wälder sind besonders im nördlichen Stillen Ozean und im südlichen Atlantischen Ozean bei den Falklandinseln beobachtet worden. In den arktischen Meeren wurden von Kjellmann etwa 260 Arten von Tangen nachgewiesen. Das Schwinden des Lichtes in den tiefern Wasserschichten beschränkt das Algenleben auf eine Tiefe bis etwa 400 m. Im übrigen lassen sich nach dem Einfluß des Lichtes drei Höhenregionen des Meeres unterscheiden, die eine ungleiche Algenvegetation beherbergen, nämlich: 1) die obere Litoralregion zwischen der Ebbe- und Flutmarke; 2) die untere Litoralregion von der Höhe der tiefsten Ebbe bis 20–30 m Tiefe; 3) die Tiefenregion (elitorale Region) von der Grenze der vorigen bis etwa 100–160 m Tiefe, wo die Tangvegetation ihr normales Ende erreicht. Nur in den oberflächlichen Wasserschichten erscheinen die Algen vorherrschend grün gefärbt, nach der Tiefe zu nehmen die braun-, karmin- und purpurroten Formen mehr und mehr zu. Zu den dunkel olivbraun gefärbten Phäophyzeen gehören die größern und kräftigern Pflanzen und die Riesen des Meeres. So bildet der Blasentang (Fucus, s. Tafel »Algen I«, Fig 9.) ausgedehnte, buschige Rasen in den Meeren der gemäßigten und der kältern Zone. Ebenda finden sich die Laminarien (s. Tafel »Algen I«, Fig. 6, 11 u. 19) mit derbem Stiel und riesenhaftem, lederartigem Blatt. Lessonia fuscescens (s. Tafel »Algen I«, Fig. 7) bildet unterseeische Wälder an der Küste von Chile und in der Südsee. Ebenfalls in der Südsee findet sich die gigantische Macrocystis (s. Tafel »Algen I«, Fig. 2), deren bis 300 m langer Thallus bis 1,25 m lange Blätter trägt und durch luftgefüllte Blasen sich schwimmend erhält. Das Sargassokraut (Sargassum, s. Tafel »Algen I«, Fig. 1), ein vielfach verästeltes Gewächs mit kleinen gezahnten Blättern und zahlreichen luftgefüllten, braunen Schwimmblasen treibt massenhaft im Atlantischen Ozean, von Strömungen und Wind abhängig, auf einem großen, aber immerhin begrenzten Areal und hat Veranlassung gegeben zu den Berichten über ein der Schifffahrt hinderliches Sargassomeer. Die Florideen schmücken als kleinere zartere Gewächse von roter Farbe die Klippen und Tiefen der Meere. Plocamium, Porphyra, Chondrus (s. Tafel »Algen I«, Fig. 17), Delesseria (s. Tafel »Algen I«, Fig. 20) u. a. sind verbreitete Typen in dieser Vegetation. Außerdem ist das Meer auch reich an kleinern Algen, die größere Pflanzen, Fels etc. wie Flocken oder Filz überziehen. Auch diese sind zum Teil Braun- oder Rotalgen, zum Teil auch zu den Grünalgen (s. Algen, S. 316) gehörige Faden- oder Schlauchalgen. Von mikroskopisch kleinen einzelligen Algen finden sich am Meeresboden besonders Diatomeen in Menge und in einer großen Anzahl von Arten, die teils Gattungen, die auch Süßwasserarten enthalten, teils rein marinen Gattungen angehören.

Der horizontalen Verbreitung nach zerfällt die Algenflora des Meeresgrundes in ein boreales, in Europa bis zu den Küsten Frankreichs und Spaniens reichendes Gebiet mit reicher Entwickelung von Fucus, Alaria, Laminaria u. a.; ferner ein tropisches, über die Wendekreise hinausreichendes Gebiet mit überwiegenden Florideen, und ein australes, die Südküsten Afrikas, Australiens, Neuseelands und des antarktischen Amerika umfassendes Gebiet mit riesigen Formen von Macrocystis, Durvillaea u. a. Außer den Algen kommt für die Venthosvegetation eine Anzahl schlammbewohnender Stäbchenbakterien (Bacillus limosus, B. granulosus u. a.) in Betracht und einige fadenförmige Spaltpilze, wie Beggiatoa, die z. B. den Schlamm des weißen oder toten Grundes in der Kieler Bucht in Menge überziehen. Auch auf Meerestieren, wie Krustazeen, Daphniden u. a., schmarotzende Pilze sind mehrfach beschrieben worden. Von Phanerogamen kommen nur 27 Arten vor, die den monokotylen Familien der Potamagetonazeen und Hydrocharitazeen angehören. Man faßt sie als Seegräser (Enaliden) zusammen, weil sie meist übereinstimmend aus schlankem, kriechendem Stämmchen schmale, grasartige, mit langen Scheiden versehene Blätter entsenden. Sie leben meist gesellig und bilden mit vereinzelten Algen, wie Caulerpa, Penicillus, Chara, eine eigne als Seegras- oder Enaliden-Vegetation bezeichnete Vegetationsform, die oft weite Strecken des nicht felsigen Meeresbodens in dichtem Rasen wiesenartig überzieht.

Die Komponenten des vegetabilischen Plankton (s. Plankton) sind ausnahmslos mikroskopisch kleine Organismen, die aber oft so massenhaft auftreten, daß sie die Färbung des Meerwassers wesentlich beeinflussen. In erster Linie kommen Kieselalgen (s. Algen, S. 316) und Peridineen (s. d.) in Betracht, deren Planktonformen vielfach mit besonders auffälligen Schwebeeinrichtungen ausgerüstet sind. So tragen z. B. Ornithocercus splendens (Fig. 5 u. 9) und Planktoniella Sol (Fig. 11, 12 u. 13) häutige Flügelränder, Arten von Chaetoceras (Fig. 10), Bacteriastrum (Fig. 12, 14 u. 15) und Gossleriella (Fig. 2) sind mit borstenartigen Anhängseln ausgerüstet; bei zahlreichen Formen, z. B. Stephanopyxis turris (Fig. 4), Syndetocystis barbadensis (Fig. 6), Guinardia baltica (Fig. 7) und Eucampia zodiacus (Fig. 8) bleiben die einzelligen Individuen zu langen faden- oder kettenartigen Verbänden vereinigt. Die starren Stacheln, die z. B. bei Ceratium tripos (Fig. 1) und Ceratocorys horrida (Fig. 3) auftreten, mögen zugleich als ein Schutz gegen Feinde gedeutet werden. Von dem massenhaften Auftreten gewisser blaugrüner Algen und ein zelliger Grünalgen im Plankton rühren periodische Rot- und Gelbfärbungen der Meeresoberfläche her. So gab z. B. Trichodesmium erythraeum, eine aus geraden rötlichen Fäden bestehende Oszillarie, dem Roten Meer den Namen. Protococcus atlanticus färbt bisweilen die Oberfläche des Meeres an der Westküste von Portugal auf mehrere Quadratmeilen rot. Das Leuchten des Meeres wird außer durch leuchtende Tiere unter anderm besonders durch Bakterien (Photobacterium luminosum) bedingt. Vgl. Sch mi tz, Die Vegetation des Meeres (Bonn 1883); Reinke, Atlas deutscher Meeresalgen (Berl. 1889–92); Schütt, Das Pflanzenleben der Hochsee (Kiel 1893).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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