Mahâbhârata

Mahâbhârata

Mahâbhârata (»das große Gedicht von den Bharata«), Titel eines altindischen Heldengedichts, dem Inhalte nach fast mehr eine Enzyklopädie der Sagen und der Philosophie der Inder als die Erzählung einer bestimmten Begebenheit. Letztere ist teilweise zum Rahmen herabgesunken, in den die übrigen Erzählungen und Abhandlungen (so die Bhagavad-Gîtâ, s. d.) eingefügt sind. Als Verfasser des aus über 100,000 Doppelversen (Çloka) bestehenden Gedichts wird ein mythischer Vyâsa genannt, ein Name, der nichts weiter als die personifizierte Diaskeuase (Anordnung, Redaktion) bezeichnet. In dem Gedicht selbst werden kürzere Redaktionen von 8800 und von 24,000 Doppelversen erwähnt. In der Tat ist das Werk unzweifelhaft erst durch lange Jahrhunderte zu seinem gegenwärtigen ungeheuern Umfang angeschwollen. Die Geschichte dieses Vorgangs liegt im wesentlichen noch, und vielleicht für immer, im Dunkel; sein Abschluß reicht bis in späte, vielleicht gar in nachchristliche Zeit herab. Der Inhalt des Epos scheint nicht ohne historischen Kern zu sein; man dürfte an Vorgänge des jüngern vedischen Zeitalters zu denken haben. Das Epos erzählt den Thronfolgestreit zwischen den Söhnen zweier Brüder, Pându und Dhritarâschtra (beide vom Bharatastamm). Der erstere hat fünf Söhne; 100 zählt Dhritarâschtra, der ältere, aber blinde Bruder. Das 1. Buch berichtet die Genealogie und Jugendzeit der Helden sowie die Eifersucht, die sich gegen die Pândusöhne in ihren Nebenbuhlern, den Kaurava, erhebt. Erstere sollen heimlich durch Feueranlegen an ihr Haus aus der Welt geschafft werden. Doch sie entkommen in die Wildnis. In die Öffentlichkeit treten sie bei der Werbung um die schöne Draupadî, wobei Ardschuna im Bogenspannen alle übrigen Bewerber übertrifft und Draupadî den fünf Brüdern gewonnen wird. Dhritarâschtra überläßt nun das halbe Reich Pândus Söhnen. 2. Buch: Neidisch auf das Glück jener bringen die Söhne Dhritarâschtras ein Würfelspiel in Vorschlag; Judhischthira, der älteste der Pândava, ein leidenschaftlicher Spieler, verliert sein Königreich, seine Brüder, seine eigne Freiheit, sein Weib. Von dem durch böse Vorzeichen erschreckten Dhritarâschtra werden zwar die Pândusöhne freigegeben; allein Judhischthira wird noch einmal zum Spiel geladen, und da er wiederum verliert, wird er mit seinen Brüdern zu einem Exil von zwölf Jahren verurteilt. Das episodenreiche 3. Buch füllt die Beschreibung des Aufenthalts der Brüder in der Einsamkeit; das 4. beschreibt ihre Abenteuer im 13. Jahr und ihre Leistungen im Dienste des Königs Virâta, dem sie sich gegen Ende des Jahres zu erkennen geben; dieser wird ihr Verbündeter zur Wiedergewinnung ihres Reiches. Das 5. Buch zählt die beiderseitigen Vorbereitungen zum Krieg auf und beschreibt die einzelnen Verbündeten; das 6.–10. Buch sind ausführlicher Schilderung der ungeheuern Kämpfe gewidmet, in denen das ganze Heldengeschlecht untergeht; nur die Pândusöhne und der ihnen verbündete Krischna bleiben am Leben. Das 11. Buch erzählt die Totenklage und die Bestattung der Helden; das 12. ergeht sich in ermüdender Breite über die Pflichten der Könige, den Nutzen guter Werke und die Mittel, um endliche Erlösung von der Existenz zu erreichen. Ebenso breit behandelt das 13. Buch die Kastenvorschriften und andres mehr und ist, wie das vorhergehende, reich an Einschiebseln und Erzählungen. Im 14. bis 18. Buche wird das große Roßopfer erzählt, das Judhischthira vollzieht, das Fortziehen und der Tod Dhritarâschtras, sodann der Tod des Krischna, die Thronentsagung Judhischthiras und das Eingehen der Helden zum Himmel. Eine Art Supplement mit dem besondern Titel »Harivamça« (s. d.) bildet den Schluß des Ganzen. – Der Text des M. wurde zu Kalkutta 1834–39 gedruckt und füllt vier starke Foliobände und einen Registerband; später Bombay 1863 u. ö.; eine kritische Neuausgabe wird von einer Vereinigung von Akademien vorbereitet. Die französische Übersetzung von Hippolyte Fauche in 10 Bänden (Par. 1863–70) ist unvollendet und philologisch ungenügend. Englische Übersetzung herausgegeben von Protap Chandra Roy, 7 Bde. (Kalk. 1886–96). Einzelne Episoden sind mehrfach herausgegeben und übersetzt worden; so die Episode von Nala (s. d.), von der Sintflut von Bopp (Ausgabe u. Übersetzung, Berl. 1829), von Sâvitrî (s. d.), Harivamça (s. d.), Bhagavad-Gîtâ (s. d.); Mehreres von A. Holtzmann, Indische Sagen (2. Aufl., Stuttg. 1854, 2 Bde.), wo unter anderm der kühne Versuch gemacht wird, die ursprüngliche Gestalt des Epos zu gewinnen. Wichtig waren die Untersuchungen von Lassen in der »Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes«, Bd. 1–3, und in der »Indischen Altertumskunde«, Bd. 1 (2. Aufl., Leipz. 1867). Vgl. ferner Mon. Williams, Indian epic poetry (Lond. 1863); Wheeler, History of India, Bd. 1: The Vedic period and the M. (das. 1867); A. Holtzmann (der Jüngere), Über das alte indische Epos (Durlach 1881) und Arjúna, Ein Beitrag zur Rekonstruktion des M. (Straßb. 1879) und Das M. und seine Teile (Kiel 1892–95, 4 Bde.); Bühler und Kirste, Indian Studies, Nr. 2 (Wien 1892); Dahlmann, Das M. als Epos und Rechtsbuch (Berl. 1895; hierzu die große Besprechung von Barth im »Journal des savants«, April, Juni, Juli 1897) und Genesis des M. (Berl. 1899); Oldenberg, Die Literatur des alten Indien, S. 146–177 (Stuttg. u. Berl. 1903); Jacobi, Mahâbhârata (Bonn 1903).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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