Asyl

Asyl

Asyl (griech.), Freistätte, Zufluchtsort für Verfolgte. Schon Moses gewährte nach uraltem Herkommen, um die Blutrache zu beschränken, für unvorsätzliche Totschläger sechs Freistädte (4. Mos. 35). Später war auch der Tempel zu Jerusalem eine solche Freistätte. In Griechenland war zunächst jeder den Göttern geweihte Ort ein A., doch gab es auch besonders bevorrechtete und allgemein anerkannte Asyle. Zu den berühmtesten gehörten die Tempel des Apollon in Delos, des Poseidon in Tänaron, des Zeus Lykäos in Arkadien etc. (vgl. Barth, De Graecorum asylis, Straßb. 1888). In Rom errichtete angeblich Romulus ein A. zwischen dem Kapitol und der Burg, um durch Flüchtlinge aus den benachbarten Völkern die Einwohnerzahl schneller zu mehren. Wie die Tempel, so schützten auch später die Adler der römischen Legionen und die Statuen der Kaiser vor augenblicklicher Gewalttat. Von den heidnischen Tempeln ging seit Konstantin d. Gr. das Asylrecht auf die christlichen Kirchen, später selbst auf die Wohnungen der Bischöfe und Geistlichen, auf Klöster, Hospitäler etc. über. Benedikt XIII., Gregor XIV. u. a. setzten jedoch fest, daß gewisse schwere Verbrecher, wie Straßenräuber, Mörder, Diebe von Profession, Kirchenschänder, von der Inquisition verfolgte Ketzer, Falschmünzer, grobe Betrüger etc., von der Wohltat des Asyls ausgeschlossen sein sollten. Man verhaftete nun jeden dahin Geflohenen und untersuchte, ob er auf den kirchlichen Schutz ein Anrecht habe. In den protestantischen Ländern verloren die geistlichen Stätten sehr früh das Privilegium des Asyls. Mit der zunehmenden Befestigung der weltlichen Justiz mußte das kirchliche Asylrecht ganz verschwinden. Lange Zeit schrieb man auch den Gesandtschaftshotels ein Asylrecht zu, und noch heutzutage kann auf fremden Kriegsschiffen Flüchtlingen ein A. gewährt werden. So gewährte Holland dem Burenpräsident Krüger und dessen Gefolge auf seinem Kriegsschiff Gelderland ein A., als er Transvaal verließ. Neuerdings spricht man von Asylrecht vorzugsweise in dem Sinne, daß man darunter die Nichtauslieferung von Verbrechern, namentlich von politischen Verbrechern, von dem einen Staat an den andern versteht. So sind seit langem insbes. England, die Vereinigten Staaten von Nordamerika, die Schweiz und andre Staaten Freistätten für alle, die infolge politischer Ereignisse ihr Vaterland verlassen mußten (s. Auslieferung). – Völlig verschieden von dem klassisch-antiken, kirchen- und völkerrechtlichen Begriff des Asyls ist die heutige Bedeutung des Asyls als einer Zufluchtsstätte für Notleidende. Die Zweckbestimmung dieser modernen Asyle ist mannigfaltig. Die am häufigsten vorkommenden Asyle, deren Bedürfnis sich vornehmlich in den großen Städten fühlbar macht, sind folgende: 1) für Trunkenbolde (Trinkerasyle); 2) für Prostituierte (öfters Magdalenenstifter benannt); 3) für entlassene Strafgefangene, denen es an Beschäftigung fehlt; 4) für arme Wöchnerinnen; 5) Asyle für Obdachlose (s. unten).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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  • Asyl — Asyl …   Deutsch Wörterbuch

  • Asyl — Sn Zufluchtstätte erw. fach. (15. Jh., Form 18. Jh.) Entlehnung. Entlehnt aus l. asӯlum, dieses aus gr. ásӯlon, zu gr. ásӯlos unberaubt, sicher , zu gr. sỹlon Raub, Plünderung und negierendem gr. a . In der Antike ist Asyl ein Heiligtum, in dem… …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • asyl — asyl·la·bia; asyl·lab·i·cal; …   English syllables

  • Asyl — (Asylum, gr.), 1) Freistätte, Zufluchtsort für Schuldige um. der weltlichen Strafe zu entgehen; die Unverletzbarkeit eines solchen heißt Asylrecht (Asylĭa). Bei den Juden waren, außer dem Altare in der Stiftshütte, die 6 Städte Bezer, Ramoth,… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Asyl — Asȳl (grch.), Freistätte, wo Verfolgte, selbst Verbrecher, Sicherheit finden. Das Asylrecht hatten bei den Alten die Tempel, später die christl. Kirchen, auch die Wohnungen der Gesandten; jetzt aufgehoben. Eine besondere Art des A. ist der Schutz …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Asyl — Asyl, die Freistätte, der Ort, wo Unglückliche, Verfolgte, ja sogar Verbrecher, Sicherheit fanden und nicht weiter verfolgt werden durften. Bei den Griechen und Römern waren es gewisse Tempel und Altäre, wo der Geflüchtete Schutz fand. In der… …   Damen Conversations Lexikon

  • Asyl — Asyl, Freistätte, bei allen Völkern an die hl. Orte verlegt, nothwendige und heilsame Einrichtung in Zeiten, wo die Blutrache galt oder die sog. Volksjustiz freien Lauf hatte; in Ländern mit geordneter Rechtspflege unzulässig und darum überall… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Asyl — das; s, e <über lat. asylum aus gr. ásylon »Freistätte«, eigtl. »Unverletzliches«>: 1. Unterkunft, Heim (für Obdachlose). 2. a) Aufnahme u. Schutz (für Verfolgte); b) Zufluchtsort …   Das große Fremdwörterbuch

  • Asyl — »Zufluchtsstätte; Heim für Obdachlose«: Das Wort wurde im 15. Jh. aus lat. asylum < griech. ásȳlon »Freistätte, Zufluchtsort« (eigtl. »Unverletzliches«) entlehnt. Es gehört zu griech. a »un « (vgl. 2↑ a..., ↑ A...) und griech. sȳlon… …   Das Herkunftswörterbuch

  • Asyl — das; s, e <griechisch> (Zufluchtsort) …   Die deutsche Rechtschreibung

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