- Lydĭen
Lydĭen (ursprünglich Mäonia), im Altertum Landschaft an der Westküste Kleinasiens, welche die heutigen Liwas Saruchan und Syghla umfaßte, grenzte gegen N. an Mysien, von dem es der Temnos (Demirdschi Dagh) trennte, gegen O. an Phrygien, gegen S. an Karien, wovon es das Gebirge Messogis (Güme Dagh) schied, und gegen W. an das Ägäische Meer. Im Innern erhebt sich der Tmolos (Bos Dagh) mit seinen westlichen Fortsetzungen Drakon (Mahmud Dagh) und Sipylos (Manisa Dagh). Zwischen diesen Gebirgen breiten sich große, fruchtbare Ebenen aus, das Kilbianische Gefilde am obern Kaystros, das Kaystrische zu beiden Seiten des Kaystros und das Hyrkanische nördlich vom Sipylos. Die sogen. Katakekaumene (d.h. die »verbrannte« Gegend) im O. ist öde, unfruchtbar und trägt vielfach Spuren früherer vulkanischer Tätigkeit. Als Flüsse sind zu nennen: der Hermos (Gediz-tschai) mit den Nebenflüssen Hyllos, Kogamos und Paktolos, und der schon erwähnte Kaystros (Kütschük-Menderez). Die Hauptprodukte waren: Wein, Safran, Gold, das in den Gruben des Tmolos und dem Sande des Paktolos gewonnen wurde. Die Bewohner des Binnenlandes, die Lydier (die Küste war von Äoliern und Ioniern besetzt), waren vermutlich von O. her eingewanderte Eroberer semitischen Stammes, die hier mit einem ältern phrygischen Volk arischer Abkunft verwuchsen. Andre halten die Lydier für thrakischen Stammes. Unternehmend, kaufmännisch und gewerbfleißig, wurden sie auf dem Landweg die Vermittler zwischen Hellas und Vorderasien. S. Karte »Alt-Griechenland«. – Anfangs herrschten in L. die zwei mythischen Geschlechter der Atyaden und Herakliden (Sandoniden), denen 687 v. Chr. mit Gyges die kräftigern Mermnaden folgten. Den Grund zu Lydiens Größe legte der vierte König dieser Dynastie, Alyattes (612–563), durch die Vertreibung der Kimmerier aus Kleinasien u. durch die Vernichtung des phrygischen Reiches; sein Sohn Krösos (s. d.) eroberte ganz Kleinasien bis zum Halys. Als jedoch dieses Reich 546 durch Kyros der persischen Monarchie einverleibt wurde und darauf alle Schicksale Vorderasiens unter persischer, mazedonischer, syrischer und römischer Herrschaft teilte, verloren die Einwohner des eigentlichen Stammlandes L. immer mehr ihre Nationalität, so daß schon zu Strabons Zeiten (kurz vor Christi Geburt) ihre Sprache verschwunden war. Vor ihrer Unterdrückung durch die Perser waren die Lydier ein tapferes und streitbares Volk; Kyros aber vernichtete planmäßig den kriegerischen Geist des Volkes: er verbot den Lydiern das Tragen von Waffen, ließ sie, anstatt in den Waffenübungen, im Singen und Tanzen unterrichten und legte so den Grund zu jener unmännlichen Weichlichkeit, wodurch das Volk später verrufen war. Seine Betriebsamkeit, besonders im Handel, dauerte jedoch selbst unter der persischen Oberherrschaft fort und war die Quelle eines blühenden Wohlstandes. Der religiöse Kultus der Lydier bestand besonders in der Verehrung des Sonnengottes Sandon und der Göttinnen Blatte (Mylitta-Aschera) und Ma (Kybele, in Ephesos als Artemis gefeiert). Sie verstanden die Kunst, kostbare Kleider und Tapeten zu verfertigen, Wolle zu färben, Erze zu schmelzen, und hatten geprägtes Geld. Von alten lydischen Kunstdenkmälern haben sich nur Grabmonumente, meist lydischer Könige, in Form runder, oben spitzer Grabhügel erhalten. Haupt- und Residenzstadt war Sardes. Sonstige wichtigere Städte waren im O. Philadelphia, im W. Thyatira und Magnesia am Sipylos. Vgl. v. Olfers, Über die lydischen Königsgräber bei Sardes (Berl. 1859); Rud. Schubert, Geschichte der Könige von L. (Bresl. 1884); Radet, La Lydie et le monde grec an temps des Mermnades, 687–546 (Par. 1893); Imhoof-Blumer, Lydische Stadtmünzen (Genf 1897); Buresch, Aus L., epigraphisch-geographische Reisefrüchte (hrsg. von Ribbeck, das. 1898).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.