Lucca [2]

Lucca [2]

Lucca, Hauptstadt der gleichnamigen ital. Provinz (s. oben), früher Hauptstadt des Herzogtums L., liegt in fruchtbarer Ebene, am Serchio und an den Eisenbahnlinien Pistoja-Livorno, Viareggio-Bagni di L. und L.-Ponte a Moriano. Die Stadt ist von Wällen umgeben, die als Promenaden dienen und von vier Toren durchbrochen sind. Unter den Plätzen zeichnet sich die Piazza grande mit dem Marmordenkmal der Herzogin Marie Luise (von Bartolini) aus, die sich durch Anlage der großen, 1823–32 ausgeführten Wasserleitung um die Stadt verdient gemacht hat. In den letzten Jahrzehnten sind auch Viktor Emanuel II. und Garibaldi in L. Denkmäler errichtet worden. Au hervorragenden Bauwerken besitzt die Stadt den romanischen Dom San Martino (aus dem 11. Jahrh., im 14. Jahrh. in gotischem Stil ergänzt), der neben Skulpturen und andern Kunstwerken ein achteckiges Marmortempelchen zur Aufbewahrung eines hochverehrten orientalischen Bildnisses des Gekreuzigten enthält, die Basilika San Frediano (12. Jahrh.), die Kirche San Michele mit imposanter Säulenfassade (12. Jahrh.), den Palazzo pubblico (1578 von Ammanati begonnen) mit wertvoller Gemäldesammlung (worin zwei schöne Werke von Fra Bartolomeo), den erzbischöflichen Palast, endlich die Reste eines römischen Amphitheaters, dessen Arena jetzt vom Marktplatz eingenommen wird, und mittelalterliche Mauern und Tore. Die Einwohner, (1901) 30,634, im Gemeindegebiet 74,971, betreiben Seidengewinnung, Seidenweberei (die früher viel bedeutender war und im 16. Jahrh. 3000 Webstühle beschäftigte), Fabrikation von Flanell, Bändern, Posamentierwaren, Nähzwirn und Spulen, Gerberei und Tabakfabrikation wie auch lebhaften Handel. In dem zur Gemeinde L. gehörigen Ponte a Moriano befindet sich eine Intemanufaktur und Baumwollspinnerei. L. hat ein Seminar, ein königliches Lyzeum, Gymnasium, eine Technische Schule, ein Lehrerinnenseminar, eine königliche Kunstakademie, 2 wissenschaftliche Akademien, eine öffentliche Bibliothek von 58,000 Bänden, 5 an Urkunden reiche Archive, mehrere Theater, zahlreiche Wohltätigkeitsanstalten und ein Zuchthaus. Die Stadt ist Sitz des Präfekten, eines Erzbischofs, eines Appell- und Assisenhofes und einer Handels- und Gewerbekammer. In der Nähe liegen viele schöne Villen und 26 km nordöstlich der besuchte Badeort Bagni di L. (s. Bagni 1).

Geschichte. L. (im Altertum Luca) in Ligurien war seit 178 v. Chr. eine römische Kolonie und gehörte zu Gallia cisalpina, später zu Etrurien. Cäsar hielt hier während des Gallischen Krieges (56) Winterquartier und erneuerte seinen Bund mit Pompejus und Crassus. Unter den Langobarden Hauptort eines Herzogtums, gehörte es in der fränkisch-deutschen Zeit zur Markgrafschaft Tuscien und scheint lange deren bedeutendste Stadt gewesen zu sein. Im Kampfe Heinrichs IV. mit der Großgräfin Mathilde stand L. auf seiten des Königs und erhielt 1081 von ihm ein Privileg, das die Grundlage seiner im 12. Jahrh. weiter ausgebildeten kommunalen Freiheit wurde. Im 13. Jahrh. hielt es unter der Leitung des Geschlechts der Obizzi zur guelfischen Partei. 1308 vertrieb die demokratische Partei den Adel, aber infolge der daraus entstehenden Kämpfe fiel L. 1314 in die Hände Ugucciones della Faggiuola, der auch Pisa beherrschte und seinen Sohn Francesco als Capitano in L. ein setzte. Dieser fiel 1315 in der Schlacht bei Montecatino, und nun riß Castruccio Castracani die Herrschaft an sich, der L. auf die Seite der Ghibellinen brachte, wofür ihn Kaiser Ludwig 1327 zum Herzog von L. ernannte und Teile von Florenz und Pisa zu seinem Gebiet schlug. In den nächsten Jahren nach Castruccios Tode (September 1328) wechselte die Stadt mehrfach den Herrn; 1329 kam sie an den Genuesen Gherardo Spinola, 1331 an den König Johann von Böhmen, 1333 an die Rossi von Parma. 1335 wurde L. von diesen an Mastino della Scala, Herrn von Verona, abgetreten, der es 1341 für 100,000 Goldgulden an Florenz verkaufte. Als die Florentiner L. einnehmen wollten, kamen ihnen jedoch die Pisaner zuvor (1342). Nachdem Kaiser Karl IV. der Stadt 1369 ihre Reichsunmittelbarkeit für 100,000 Gulden zurückgegeben hatte, wußte sie diese zu behaupten und blieb eine Republik, deren Verfassung, anfangs demokratisch, später immer mehr im aristokratischen Sinn umgestaltet wurde, so daß ein Gonfaloniere und sechs Anziani (Älteste) aus dem Adel an ihrer Spitze standen. Im Februar 1799 wurde L. von den Franzosen in Besitz genommen, erhielt 1801 eine neue Verfassung und wurde 1805 mit Piombino als eignes Fürstentum an Napoleons I. Schwager und Schwester, Pasquale und Elise Bacciocchi (s. d.), überlassen. Der Wiener Kongreß übertrug 1815 L. als Herzogtum der ehemaligen Königin von Etrurien Maria Luise, Tochter des Königs Karl IV. von Spanien, und deren Kindern mit voller Souveränität bis dahin, daß sie mit ihrer Familie zum Besitz Parmas, das die Witwe Napoleons I., Marie Luise, auf Lebenszeit erhielt, gelangen würde. L. sollte dann, mit Ausnahme einiger an Modena abzutretender Landstriche, an Toskana fallen. 1818 trat die Infantin die Regierung an und führte sie bis zu ihrem Tode, 13. März 1824. Unter ihr wie unter ihrem Sohn und Nachfolger, dem Herzog Karl II. Ludwig, blühte das Land auf; doch war die despotische Herrschaft des englischen Günstlings des Herzogs, Ward, verhaßt, und 1847 wurde in L. eine Sturmpetition an den Herzog um Verleihung einer Verfassung gerichtet, vor der er nach Massa floh. Er kehrte nicht lange darauf zurück, trat aber 5. Okt. 1847 das Herzogtum an Toskana ab, weil er nahe Aussicht auf Parma hatte, das ihm durch den Tod der Erzherzogin Marie Luise 18. Dez. zufiel. Vgl. »Memorie e documenti per servire alla storia di L.« (Lucca, bis 1903: 15 Bde.); Mazzarosa, Storia di L. (das. 1833).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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